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Kapitel 2

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"Hast du in der Nacht das Licht bemerkt?", fragte Indiga Joog.

Browag knurrte bejahend.

"Hast du eine Ahnung, was es gewesen sein könnte?"

Der Troll schüttelte den Kopf.

"Ich auch nicht."

Joog betrachtete Browag. Seit zwei Jahren hing der Troll wie ein zweiter Schatten an ihm. Er hatte Browag das Leben gerettet, zwar versehentlich, aber das machte für den Troll keinen Unterschied. Damals hatte sich die Kriegsfront ein paar Meilen weiter westlich befunden. In den Wäldern, die sich an das Gebirge schmiegten, war Joog als Kurier unterwegs gewesen. Es hieß, diese Wälder seien die Heimat der Tieflandtrolle, eine Trollart, die von kleinerem Wuchs als ihre gigantischen Verwandten, die Bergtrolle, waren, und es sollte nur noch wenige von ihnen geben. Anders als den Bergtrollen, die sich seit Beginn des Krieges in die Höhlen des Hochgebirges zurückgezogen hatten, bot sich den Tieflandtrollen keine Möglichkeit den Kriegsparteien auszuweichen. Trafen ihre in den Wäldern umherstreifenden Sippen auf Orks, wurden sie von diesen massakriert. Stießen sie auf Menschen, erging es ihnen ebenso. Das war alles, was Joog über Tieflandtrolle wusste.

Nach einigen Tagen friedlicher Ruhe im Wald, wurde die Stille von Geräuschen gestört, die nach einem fliehenden Tier klangen. Joog zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Bogensehne. Schon einmal war er einem Hirsch begegnet, der vor Wildhunden floh. Dabei hatte er die Erfahrung gemacht, dass ein solches Tier, das plötzlich einen Menschen vor sich sah, nicht unbedingt auswich, sondern sich den geraden Weg erzwang. Damals hatten die Spitzen des Hirschgeweihs Joog das Jagdhemd zerrissen. Das sollte nicht noch einmal passieren. Ein modisches Jagdhemd war teuer.

Joog sah eine helle Gestalt auf sich zulaufen. Es verwirrte ihn, dass dieses Wesen aufrecht auf zwei Beinen rannte. Der Wald war dämmrig, und Joog stand reglos neben einem Baum. Trotzdem schien das Wesen ihn zu sehen, denn Joog hatte den Eindruck, dass es bewusst auf ihn zu lief. Er schoss den Pfeil ab.

Das Wesen reagierte blitzschnell. Es warf sich zur Seite, der Pfeil pfiff an ihm vorbei und drang in die Brust eines anderen Wesens, das dicht hinter ihm lief. Mit einem weiteren Pfeil auf der Sehne, sicherte Joog nach allen Seiten. Das helle Wesen verbarg sich im Gebüsch. Es schien Joog zu beobachten. Das andere Geschöpf war tot. Es hatte braune Haut, einen kantigen Kopf, einen extrem breiten Rumpf und Muskeln, von denen ein Menschenmann nur träumen konnte. Aus der offen stehenden Schnauze ragten kleine Reißzähne. Dieses Wesen war ein Nordork.

Joog wandte sich der Kreatur im Gebüsch zu. Er forderte sie auf, sich zu zeigen. Sie reagierte nicht. Weil Joog den Eindruck hatte, dass von ihr keine Gefahr drohte, nahm er den Pfeil von der Sehne. Nun trat das Geschöpf aus dem Gebüsch. Es war kleiner als Joog, ragte ihm nur bis zur Brust, und es sah seltsamer aus als ein Ork. Die Haut war bleich. Den massigen Kopf bedeckte rotbraunes Fell, das sich bis auf den Rücken und über die Schultern zog. Die Nase war breit, die Stirn flach. Der nackte Körper des Wesens war stämmig und muskulös, schien aber noch nicht ausgewachsen zu sein. Aus grauen Augen schaute die Kreatur zu Joog auf. Der Blick war unergründlich. Irritiert machte der Abenteurer sich wieder auf den Weg. Das Wesen folgte ihm.

Nachdem Browag - diesen Namen hatte Joog dem Troll gegeben - die Sprache der Menschen erlernt hatte, die er nur auf eine raue Weise zu sprechen vermochte, erfuhr Joog, was dem Trollkind widerfahren war.

Im frühen Licht des Tages hatte ein Orktrupp ein Lager der Tieflandtrolle entdeckt. Die Orks fielen über die noch schlafende Sippe her und töteten die Trolle innerhalb von Augenblicken. Nur Browag, der vor dem Morgengrauen erwacht war und sich in der Gegend herumtrieb, entging dem Massaker. Als der kleine Troll zum Lager zurückkehrte, fand er seine Sippe tot vor, und wenig später fanden die Orks ihn. Mehrere Tage schleppten sie das Trollkind mit sich. Warum sie es am Leben ließen, mochte einer Laune entsprungen sein. Als sie eines Tages eine Suppe kochten und einer der Orks, vermutlich um eine besondere Zutat für die Suppe zu beschaffen, Browag kastrieren wollte, fand der junge Troll den Mut, sich zu wehren. Er griff den Ork an, biss ihm ein Stück Fleisch aus der Hand, die das Messer hielt, und lief davon. Ein anderer Ork setzte ihm nach. Dann sah der kleine Browag Joog.

Seitdem waren zwei Jahre vergangen. Aus dem kindlichen Troll war ein erwachsener Troll von sechs und einem halben Fuß Größe geworden, zu dem nun Joog aufschauen musste. Der Abenteurer staunte noch immer darüber, wie rasch Trollkinder wuchsen.

Indiga Joog blickte auf den Becher, der vor ihm stand. Der Tee darin war kalt geworden. "In den südlichen Steppen habe ich fliegende Echsen gesehen", sagte er. "Manche stießen Feuer aus den Rachen." Er sah den Troll an, der ihm am Brettertisch gegenüber saß. "Vermutlich war es aber keines dieser Tiere."

"Wenn doch?", fragte Browag. Das Gesicht des Trolls wirkte stets starr. Ein Ausdruck von Härte schien die Miene wie in Stein gemeißelt zu haben.

Joog zuckte die Schultern. "Wenn Orks oder Gnome gelernt haben, die Echsen zu beherrschen ..."

Browag ließ den abgenagten Schweineknochen auf den Tisch fallen. Mit einer Kralle entfernte er ein Stück Fleisch, das ihm zwischen den Zähnen hing. "Wir sollten etwas tun", meinte er.

Indiga Joog überlegte. "Kannst du dich an die Pläne erinnern?"

"Was du gemalt hast?"

"Ja!" Joog sprang auf und holte Papierrollen aus einer Truhe.

Der Troll räumte den Tisch ab, indem er was sich darauf befand mit dem Arm von den Brettern fegte.

Joog rollte eines der Papiere auf. "Browag!"

Der Troll wuchtete eine Faust auf den Rand des Bogens. Auf die andere Seite legte Joog eine Hand. Die Ecken des Papiers wölbten sich.

Auf das Blatt waren mit Holzkohle Linien gezeichnet, die Rechtecke verschiedener Größen darstellten. Quer durch ein langes Rechteck, waren zwei kleinere, breitere Rechtecke gezeichnet, worin viele noch kleinere gemalt waren. Dazu kamen einige sorgfältig geschwungene Bögen. Browag warf einen Blick darauf, dann sah er Joog an, der die Zeichnung fasziniert betrachtete.

"Das ist der Entwurf einer Flugmaschine", erklärte der Abenteurer. "Die Idee dazu kam mir vor ein paar Jahren."

Der Troll blickte Joog fragend an.

"Es funktioniert so: Durch Hebelzug kann der Reiter die zwischen den Flügelbrettern gespannten Lederplanen verstellen und so den Wind nutzen."

"Wind bläst stark oder schwach, von oben, von unten, von jeder Seite", sagte der Troll.

"Klar, aber schau! Da sind Klappen in der Lederbespannung der Flügel. Die sind durch Riemen mit den Hebeln verbunden. Durch öffnen oder schließen der Klappen lässt sich der Wind lenken."

Der Troll äußerte Zweifel.

"Browag! Weshalb können sich Vögel in der Luft halten und dorthin fliegen, wohin sie fliegen wollen?"

"Ich weiß es nicht."

Joog versuchte es anders. "Was geschieht mit Blättern, die der Wind von den Bäumen reißt?"

"Sie fallen runter."

"Nein, Browag. Der Wind trägt sie hinab. So geschieht es auch mit einer Flugmaschine, nur etwas anders."

"Der Wind trägt sie, dann fällt sie runter?"

Der Abenteurer schüttelte den Kopf. Er betrachtete wieder die Zeichnung. "Ich werde die Entwürfe General Pellgard zeigen. Dann werde ich Meister Olof den Auftrag für die Anfertigung zweier Flugmaschinen erteilen."

Browag nahm die Faust vom Papier. Das Blatt rollte sich auf. Mit den anderen Rollen klemmte Joog es sich unter den Arm. Er schwang die Plane beiseite und verließ das Zelt. Der Troll knurrte unwillig. Wieder einmal blieb das Aufräumen ihm überlassen.

Der Finger des Generals tippte auf das Papier. "Ihr meint, so ein Ding kann wirklich fliegen?"

"Selbstverständlich, General!"

Die braunfleckige Hand griff an die Wange. Die Fingernägel schabten durch graue Stoppeln. "So selbstverständlich scheint mir das nicht zu sein", blieb der General skeptisch.

Joog breitete eine weitere Rolle auf dem Tisch aus. "Hier habe ich die Flugmaschine gezeichnet, wie sie vom Wind getragen wird." Er deutete auf die geschwungenen Linien, die sich zwischen den gezeichneten Doppelflügeln krümmten. "Es ist das Prinzip, das Vögel nutzen."

"Vögel können die Flügel bewegen", wandte Pellgard ein, "und sie sind leichter als Bäume. Ihr sagtet, solche Flugmaschinen werden aus Bäumen gemacht?"

"Nicht direkt aus Bäumen, aus leichtem Holz." Joog ließ das Papier aufrollen und deutete auf die Zeichnung darunter. "Mittels Klappen kann die Lederbespannung der Flügel verändert werden, sodass der Wind gezielt zwischen die obere und untere Bespannung gelenkt wird."

Pellgard kratzte sich das Kinn. "Indiga", sprach er Joog mit dem Namen seiner Heimat an, "Ihr habt einen klugen Kopf!" Der General hob mit fragender Miene die Weinkaraffe an.

"Ich habe Tee getrunken", lehnte Joog ab.

"Ihr habt einen klugen Kopf", wiederholte Pellgard, "stets nüchtern, immer bereit."

"Wenn es die Lage erfordert, General."

Pellgard ließ sich auf einen Stuhl sinken. "Glaubt Ihr wirklich, die Orks setzen Feuer spuckende Flugechsen ein? Wie werden sie noch gleich genannt?"

"Drachen, General. Ja, ich halte es für möglich."

Pellgard betrachtete Joog nachdenklich. "Was vermögen solche Flugmaschinen gegen Drachen auszurichten?"

"Nicht die Flugmaschinen", erklärte Joog, "die Lanzen, die unter ihnen angebracht sind und durch Hebelzug wie Pfeile von großen Bögen abgeschossen werden."

"Ihr habt einen klugen Kopf", bemerkte der General abermals. "Wie viele von diesen Flugmaschinen werdet Ihr brauchen?"

"Erst einmal zwei, worin ich und mein Freund Browag reiten werden."

"Dieser Troll?"

"Verzeiht, General, er ist kein Bergtroll, sondern ein Tieflandtroll und somit von anderem Wesen. Und er ist ein loyaler Gefährte."

"Glaubt Ihr, Indiga, er kann so eine Flugmaschine beherrschen?"

"Browag ist anders als wir, doch er begreift, was ihm erklärt wird."

"Gut", entschied der General, "dann lasst zwei Flugmaschinen bauen."

Meister Olof betrachtete die Zeichnungen, wobei er sich im Schritt kratzte. Schließlich nickte er. "Leichtes Holz soll es sein?"

"Leicht und stabil."

Meister Olof strich sich durch den Bart. "Es wird nicht leicht werden, das Holz zu besorgen." Ein verschmitzter Ausdruck breitete sich über sein Gesicht. "... und nicht billig."

Joog zuckte die Schultern. "Über die Bezahlung müsst Ihr Euch mit dem General einig werden."

"Na ja", meinte der Zwerg, "das wird schon."

"Das Holz oder das Geld?", fragte Joog.

Der Zwerg grinste. "Beides."

Das Kamjuna

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