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Eine Familie zwischen Exil und Heimat
ОглавлениеDie Beschäftigung mit der Mafia war der im Sommer 1967 in Partanna geborenen Tochter eines Maurers und einer Schneiderin nicht in die Wiege gelegt. Im Gegenteil. Die Familien ihrer Eltern hatten versucht, dem organisierten Verbrechen wie auch der grassierenden Armut auf ihrer Insel durch Auswanderung zu entkommen. Elf Jahre vor ihrer Geburt hatte Pieras Vater Giuseppe als 17-Jähriger seinen Heimatort auf Sizilien verlassen. Begleitet wurde er aufgrund seiner Minderjährigkeit von der Mutter. Der Vater war zu krank, um einen Neubeginn in Südamerika auf sich nehmen zu können.
So gingen Mutter und Sohn in Venezuela an Land. Die erste Zeit arbeiteten beide nur, um die Schulden begleichen zu können, die durch die Überfahrt auf dem Schiff entstanden waren. Dann hieß es, so viel Geld wie möglich nach Hause zu schicken. Den Vater sollte Giuseppe nie mehr wiedersehen. Erst ein Jahr nach dessen Tod kam der junge Mann nach Sizilien zurück. Der gelernte Maurer errichtete ihm ein würdiges Grab und beschloss, in seinem Heimatort zu bleiben.
Das Haus der Aiello befindet sich gegenüber jenem der Familie von Pieras Mutter, Anna. Auch deren Eltern hatten Sizilien verlassen, um der drückenden Armut zu entgehen. Ihr Ziel war die Schweiz, wo der Vater seinen Lebensunterhalt als Fabrikarbeiter verdienen konnte. Anna verbringt dort einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend, bevor sie mit 18 Jahren nach Partanna zurückkehrt.
Die Begegnung ihrer Eltern? »Es war Liebe auf den ersten Blick«, sagt Piera auch heute noch gerührt. Neun Monate nach der Hochzeit erblickt sie das Licht der Welt.
Nur ein halbes Jahr später wird auch die junge Familie auf eine harte Probe gestellt. Ein verheerendes Erdbeben erschüttert den Westen Siziliens. 370 Menschen werden getötet. Fast einhunderttausend verlieren ihr Hab und Gut. Die schleppenden Rettungsmaßnahmen zeigen auch die Rückständigkeit in den Dörfern auf, die großteils zerstört worden sind. Die Bevölkerung, die schon vor den heftigen Erdstößen in prekären Umständen lebte, ist verzweifelt und leidet sogar Hunger. Auch Partanna ist schwer getroffen.
Pieras Vater ist nun wieder arbeitslos und die Existenz der Familie wieder in Gefahr, aber er lässt sich nicht entmutigen. Giuseppe nimmt seine Frau und die erst sechs Monate alte Tochter und geht in jenes Land zurück, das ihm einen kleinen sozialen Aufstieg ermöglicht hat: nach Venezuela. Diesmal wird er ein halbes Jahrzehnt bleiben. So lange, bis die sehnsüchtig erwartete Nachricht endlich eintrifft: In Partanna geht es langsam aufwärts. Da packt die Familie erneut ihre Koffer und verlässt die Stadt La Victoria. Diesmal jedoch für immer. Piera ist fünf Jahre alt, als sie nach Sizilien zurückkehrt.