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Prolog Niederlande, Amsterdam

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Die ro­ten Strah­ler der Be­leuch­tung im Club Mys­ti­que blitz­ten im Takt der wum­mern­den Bäs­se über die Tanz­flä­che. Für den Abend und die an­schlie­ßen­de Nacht kam man hier­her, um Frau­en in ei­ner ge­wis­sen Al­ter­sklas­se ken­nen­zu­ler­nen. Auch der 25-jäh­ri­ge Lie­ven De Graaf war auf der Su­che nach ei­ner hüb­schen Beglei­tung für die Nacht. Der Stu­dent der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten hat­te noch nie viel Glück mit dem an­de­ren Ge­schlecht. Von ei­nem Kom­mi­li­to­nen be­kam er den Hin­weis, dass im Club Mys­ti­que je­der ein­sa­me Stu­dent für ei­ni­ge ge­wis­se Stun­den ei­ne jun­ge Da­me er­lan­gen konn­te. Er hat­te sich ent­schie­den, das an die­sem Abend ein­mal zu ver­su­chen. Mehr wie al­lei­ne nach Hau­se zu ge­hen, wie sonst auch im­mer, konn­te ihm ja nicht pas­sie­ren.

Es war erst kurz nach 21 Uhr und der Club war noch nicht be­son­ders voll. Lie­ven hat­te sich einen hüb­schen Platz an der Bar ge­sucht, von dem aus er die meis­ten Ecken des Clubs im Blick hat­te. Er be­stell­te sich einen Cock­tail mit dem tol­len Na­men Erd­beerCo­la­da bei der hüb­schen Bar­da­me mit ih­rem kur­z­en schwar­zen Rock und der wil­den brau­nen Mäh­ne. Ih­re wei­ße Blu­se zeig­te ei­gent­lich mehr, als sie ver­deck­te. Die Lie­bes­äp­fel, die sich dar­un­ter ver­steck­ten, wa­ren ga­ran­tiert von Gott hand­ge­ar­bei­tet wor­den. Ih­re leicht ge­bräun­te Haut war mit far­bi­gen Tat­toos über­sät. An bei­den Bei­nen wa­ren die Ober­schen­kel far­big be­malt, und auch ih­re Ar­me zeig­ten ver­schie­de­ne Mo­ti­ve, die un­ter die Haut ge­sto­chen wa­ren. Auch an der Hüf­te konn­te man die Zeich­nun­gen se­hen, wenn die Blu­se den Blick frei­gab. Lie­ven frag­te sich, ob die Da­me über­all da­mit ver­schö­nert war, konn­te aber bei ihr nicht wirk­lich lan­den.

Mit sei­nen kur­z­en blon­den Haa­re und dem fein ra­sier­ten Ba­cken­bart in Form ei­nes Horns zu bei­den Sei­ten, ge­paart mit ei­ni­gen Pfun­den zu viel um die Hüf­te war er nicht ge­ra­de ein Pa­ra­de­bei­spiel für die Män­ner­welt. Ver­gnügt be­ob­ach­te­te er die be­leuch­te­te Tanz­flä­che und das bun­te Trei­ben dar­auf. Er war so dar­auf kon­zen­triert, un­ter den Da­men et­was Hüb­sches aus­zu­ma­chen, dass er gar nicht be­merk­te, wie sich ei­ne La­dy auf dem Bar­ho­cker ne­ben sich nie­der­ließ. Erst nach fünf­zehn Mi­nu­ten be­merk­te er die schlan­ke Rot­haa­ri­ge mit ih­rem hüb­schen Ge­sicht, die ihm schon die gan­ze Zeit im­mer wie­der nä­her kam. Die rostro­ten Haa­re mit den hüb­schen brau­nen Strähn­chen fie­len leicht ge­wellt über ih­ren schma­len Rücken. Sie be­gann Lie­ven in ein Ge­spräch zu ver­wi­ckeln, mach­te ihm leich­te Kom­pli­men­te und zeig­te sich ihm sehr zu­ge­neigt. Die eben­mä­ßi­gen Zü­ge in ih­rem Ge­sicht wa­ren weich mit ei­nem et­was schüch­ter­nen Lä­cheln, was im­mer mal wie­der ih­re schnee­wei­ßen Zäh­ne auf­blit­zen ließ. Auf ei­nem Schnei­de­zahn, der sich zwi­schen den blut­ro­ten Lip­pen im­mer wie­der zeig­te, prang­te so­gar ein klei­ner Schmuck­stein aus Kris­tall­glas.

»Hi, ich bin Roxy. Bist du neu hier?«, frag­te sie ihn neu­gie­rig.

»Ich bin Lie­ven und tat­säch­lich zum ers­ten Mal heu­te hier. Woran merkst du das?«

Roxy lach­te »Das ist schwer zu über­se­hen. Die meis­ten Neu­en ver­krie­chen sich an der Bar und che­cken den La­den aus si­che­rer Ent­fer­nung ab.«

»Ich bin et­was schüch­tern, muss ich zu­ge­ben«, ant­wor­te­te er.

»Ach was schüch­tern. Kei­ner ist hier schüch­tern. Al­le sind nur aus ei­nem ein­zi­gen Grund hier«, grins­te sie.

Lie­ven stand die Fra­ge schon ins Ge­sicht ge­schrie­ben, die er stell­te »Aus wel­chem Grund?«

»Du bist mir ja ei­ner«, lä­chel­te sie ihn an und gab ihm einen leich­ten Klaps auf den Hin­tern, »Al­le die hier sind su­chen je­man­den fürs Bett.«

»Ernst­haft?«

»Ja klar, was glaubst denn du? Al­le Mä­dels hier ha­ben es mal wie­der nö­tig und die Jungs lei­den so­wie­so un­ter stän­di­gem Frau­en­man­gel. Von hier geht nie­mand al­lei­ne nach Hau­se«, blitz­te sie ihn an.

Lie­ven trau­te sich »Hast du es auch mal wie­der nö­tig?«

»Stän­dig«, lach­te sie of­fen­her­zig, »heu­te bist du mein be­vor­zug­tes Op­fer.«

Dem Stu­den­ten fiel die Kinn­la­de her­un­ter. Sie nutz­te die Si­tua­ti­on für einen flüch­ti­gen Kuss und biss ihm zärt­lich ins Ohr­läpp­chen. Dann flüs­ter­te sie »Ich will dich! Jetzt!«

Über­rascht riss er die Au­gen weit auf, als sie so­fort auf Tuch­füh­lung ging und ih­re Hand auf sei­nen Schritt leg­te. Oh­ne zu zö­gern, nahm sie sei­ne Hand und führ­te sie an ih­re Brust. Sanft kne­te­te er die klei­nen straf­fen Bäl­le un­ter ih­rem wei­ßen Top, wäh­rend sie die Mit­te sei­nes Kör­pers strei­chel­te. Die Bar­da­me kann­te das schon und be­ach­te­te die bei­den nicht mehr. Im Club Mys­ti­que ging es nur um ei­nes. Je­den Abend von 19 bis 2 Uhr mor­gens such­ten hier die Singles der Stadt je­man­den zum Mit­neh­men. Lie­ven fühl­te sich wie im Him­mel. Ein­mal in den Club und schon hat­te er ei­ne hüb­sche Rot­haa­ri­ge an der An­gel, die ihm deut­lich sag­te, dass sie mit ihm im Bett lan­den woll­te. Sie mach­te auch kei­nen Hehl dar­aus nur je­man­den für Ma­trat­zen­sport zu su­chen.

Es dau­er­te nicht lan­ge, bis sie vor dem Club in ein war­ten­des Ta­xi stie­gen. Roxy woll­te ihn zu sich mit nach Hau­se neh­men, was Lie­ven gut in den Kram pass­te. In sei­ner Wohn­ge­mein­schaft war die Pri­vat­sphä­re mehr als ein­ge­schränkt, was für zwi­schen­mensch­li­che Kon­tak­te eher hin­der­lich war. Das be­stie­ge­ne Fahr­zeug star­te­te durch die Grach­ten bis zu ih­rer Woh­nung. Die gan­ze Fahrt über flüs­ter­te sie ihm hei­ße Wor­te ins Ohr und mas­sier­te un­ge­hemmt sei­nen Schritt. Der Be­woh­ner sei­ner Ho­se mach­te einen lan­gen Hals durch ih­re for­dern­den Berüh­run­gen. Er woll­te ein­fach nur noch mit in ih­re Woh­nung und die gan­ze Nacht mit ihr Spaß ha­ben. Nach et­wa zwan­zig Mi­nu­ten fum­mel­te er mit er­heb­li­chen Schwie­rig­kei­ten vier­zig Eu­ro aus der Ta­sche, um die Fahrt zu be­zah­len.

Zu­sam­men stie­gen die bei­den die Trep­pen zu ih­rer Woh­nungs­tür hin­auf und sie zog ih­re Schlüs­sel aus der klei­nen Hand­ta­sche, die über ih­re Schul­ter hing. Wäh­rend sie auf­schloss, kne­te­te er von hin­ten ih­re Brüs­te durch den dün­nen Stoff. Sie fie­len fast in ih­re Woh­nung und sie schob ihn zu ei­nem le­der­be­zo­ge­nen So­fa im Wohn­zim­mer.

»Was willst du trin­ken, mein Hengst?«, frag­te sie.

»Über­ra­sche mich ein­fach«, stöhn­te er und nes­tel­te am Knopf sei­ner Ho­se, in der es schon lan­ge viel zu eng war.

Roxy flitz­te in die Kü­che und kehr­te kurz dar­auf mit zwei Glä­sern Weiß­wein zu­rück. Als sie sich hin­setz­te, zog sie be­reits ihr eng an­lie­gen­des Top aus und ent­blö­ßte ih­re se­kun­dären Ge­schlechts­merk­ma­le. Die straf­fen, mild ge­bräun­ten Halb­ku­geln mit den dunklen Mit­tel­punk­ten hyp­no­ti­sier­ten ihn mit den schau­keln­den Be­we­gun­gen. Sie drück­te ihm ein Glas in die Hand, stieß mit ihm an und kipp­te fast den ge­sam­ten In­halt auf ein­mal in ih­ren Sch­lund. Lie­ven De Graaf tat das Glei­che mit sei­nem Glas und woll­te sich ge­ra­de wie­der über sei­ne Ge­spie­lin her­ma­chen, als es plötz­lich vor sei­nen Au­gen dun­kel wur­de.

Als er wie­der er­wach­te, blick­te er auf ei­ne be­reits ver­gilb­te Leucht­stoff­röh­re, die ein dif­fu­ses Licht ver­brei­te­te. Es sah fast so aus, als wä­re sie im Staub fest­ge­wach­sen, der in lan­gen Fä­den von der De­cke hing. Die Luft roch nach ab­ge­stan­de­nem Schweiß und Urin. Sein Kopf platz­te fast vor Schmer­zen und der Ge­schmack in sei­nem Mund kam ihm vor, als ob er Kup­fer­mün­zen ge­lutscht hät­te. Er konn­te sei­ne Mus­keln nicht be­we­gen. Sei­ne Ar­me la­gen wie Blei an sei­ner Sei­te und ihm war kühl. Die Fin­ger und Ze­hen konn­te er mit ei­ni­ger An­stren­gung be­we­gen, aber we­der sei­ne Bei­ne noch die rest­li­chen Mus­keln rea­gier­ten auf sei­ne Be­feh­le. Nur mit den Au­gen ver­such­te er sich zu ori­en­tie­ren. Durch sein ein­ge­schränk­tes Blick­feld er­kann­te er nur ei­ni­ge Lie­gen um ihn her­um, die al­ler­dings leer wa­ren. Sie glänz­ten in ver­schmier­tem Sil­ber in dem trü­ben Licht der ein­zi­gen Leucht­stoff­röh­re über ihm. Wei­ter er­kann­te er nur kah­le Wän­de, in ei­nem dunklen Grau, kei­ne Fens­ter oder ei­ne Tür. Mit sei­nen Fin­gern fühl­te er sei­nen nack­ten Ober­schen­kel. Ha­be ich kei­ne Kla­mot­ten mehr an? Wo bin ich hier? Wo ist Roxy und wie bin ich hier her­ge­kom­men? Häm­mer­te es ihm durch sei­nen Kopf.

Er woll­te ru­fen, aber aus sei­nem Mund kam nicht ein­mal ein lei­ses rö­cheln. In dem Raum war kein Geräusch zu hö­ren. Al­les lag still ne­ben ihm. Im­mer wie­der ver­such­te er sich zu be­we­gen, aber er blieb steif wie ein Brett lie­gen. Dann hör­te er lei­se Schrit­te nä­her­kom­men. Hin­ter ihm wur­de ei­ne Tür ge­öff­net und die wär­me­re Luft, die in den Raum drang, strei­chel­te sanft sei­nen Kör­per. Er war kom­plett nackt. Über ihm er­schi­en das mil­de Ge­sicht von Roxy, die ih­re ro­ten Haa­re un­ter ei­ner blau­en Hau­be ver­steckt hat­te. Sie lä­chel­te ihn mil­de an.

»Na Schlaf­müt­ze, wie­der auf­ge­wacht?«, sag­te sie mit rau­er Stim­me.

Lie­ven fühl­te ih­re war­men Hän­de über sei­nen nack­ten Ober­kör­per strei­chen. Dann trat sie ne­ben sei­ne Lie­ge und beug­te sich zu ihm her­un­ter. Nicht nur ih­re Haa­re hat­te sie un­ter dün­nem, pa­pier­ar­ti­gem Stoff ver­steckt. Auch ihr Ober­kör­per und die Ar­me wur­den da­von ver­deckt. Dann däm­mer­te es ihm, was das war. War Roxy et­wa Kran­ken­schwes­ter? Sie setz­te un­ter­des­sen ih­re sanf­ten Berüh­run­gen fort, und strich über sei­nen Bauch und den Ober­schen­kel bis sie schließ­lich sein bes­tes Stück sanft in der Hand hielt.

»Du wirst wohl Tau­sen­de Fra­gen ha­ben«, grins­te sie, »zu scha­de, dass du nicht re­den kannst. Aber das macht nichts. Dein klei­nes Teil hier in mei­ner Hand ist un­brauch­bar mein Lie­ber, aber viel­leicht ist was an­de­res brauch­bar. Wir wer­den das jetzt mal che­cken!«

Als sie das leicht hä­misch sag­te, zeig­te sie ihm ei­ne Sprit­ze vor sei­nen Au­gen, die sie zwi­schen ih­ren schlan­ken Fin­gern roll­te. Dann stach sie die Na­del, wie ein Flei­scher sein Beil, in sei­nen Ober­schen­kel und zog den Kol­ben nach oben. Der Schmerz brann­te wie Feu­er und brei­te­te sich ra­send schnell über­all hin aus. Lie­ven woll­te schrei­en, aber kein Ton ver­ließ sei­ne Lip­pen. Wie ei­ne Tro­phäe zeig­te Roxy ihm die Sprit­ze mit der blut­ver­schmier­ten Na­del. Sie hat­te ihm Blut aus dem Schen­kel ge­zo­gen. Grin­send zog sie die Na­del ab und warf sie un­acht­sam hin­ter sei­ne Schul­ter. Als sie auf­kam, hör­te er noch wei­te­re Na­deln klim­pern.

»Hast du dich schon mal ge­fragt, warum kei­ne mit dir fi­cken will?«, frag­te sie. Oh­ne auf ei­ne Er­wi­de­rung zu war­ten, setz­te sie fort, »Dein Bart sieht aus wie Schei­ße, was an dei­ner Fres­se klebt. Der fet­te Bier­bauch ist auch so ein Ab­tur­ner und die klei­ne Nu­del da, ist krumm wie ei­ne Bana­ne. Au­ßer­dem hast du ei­ne Stim­me wie ei­ne ge­öl­te Gei­ge. Das quietscht rich­tig in den Ohren, wenn man sie hört. Am liebs­ten hät­te ich dir im Club schon die Lich­ter aus­ge­knipst, aber ich will da ja noch wei­te­re Ver­sa­ger ab­ho­len und konn­te es mir nicht er­lau­ben die Sch­lam­pe an der Bar zu ver­är­gern. Die denkt wirk­lich, ich ge­he da hin, um mir einen zu su­chen, der mir die Lö­cher stopft.«

Verär­gert schüt­tel­te sie den Kopf und kniff ihm in die Ho­den. Lie­ven woll­te er­neut laut auf­schrei­en, als ihn der Schmerz er­füll­te. Sie lä­chel­te und sag­te, »Ich komm gleich wie­der, muss nur eben das Blut hier ab­lie­fern. Lauf nicht weg, mein klei­nes Schwein­chen.«

Roxy ver­schwand aus sei­nem Blick­feld und er hör­te ih­re Schrit­te ver­schwin­den. Kurz da­nach konn­te er lei­se Stim­men ver­neh­men, bis ih­re Schrit­te wie­der nä­her ka­men. Als sie zu­rück­kam, setz­te sie sich auf sei­ne Lie­ge und be­grub sei­nen Arm un­ter ihr. Wie­der fühl­te er hef­ti­ge Schmer­zen in sich auf­stei­gen. In sei­nem Kopf ver­such­te er einen Aus­weg zu fin­den, aber das war aus­sichts­los. Er konn­te sich nicht be­we­gen, hat­te Kopf­schmer­zen von ei­nem an­de­ren Stern und die­se He­xe ver­ur­sach­te ihm wei­te­re Qua­len.

»Das ro­te Zeug, was ich eben aus dir ge­holt ha­be, wird un­ter­sucht. Mal se­hen, ob das we­nigs­tens et­was taugt. Ich hät­te große Lust, mit ei­ner Sche­re das An­häng­sel da ab­zu­schnei­den«, lach­te sie und schlug ihm di­rekt auf den Ho­den­sack. »Ich werd dir mal er­klä­ren, was hier ei­gent­lich los ist. Du hast si­cher schon be­merkt, dass du dich nicht be­we­gen kannst. Das liegt dar­an, dass wir dich fest­ge­schnallt ha­ben. Du sollst ja nicht weg­lau­fen. Da ich dei­ne Stim­me nicht wei­ter er­tra­gen woll­te, ha­ben wir dir ei­ne Na­del in den Kehl­kopf ge­sto­chen und die Stimm­bän­der lahm­ge­legt. Das heißt himm­li­sche Ru­he für min­des­tens drei Mo­na­te«, lach­te sie ihn an. »Jetzt ruhst du dich aus und wir er­le­di­gen den Rest.«

Als sie auf­stand, gab sie ihm ei­ne hef­ti­ge Ohr­fei­ge und trat dann wie­der hin­ter ihn. Kurz dar­auf fiel die Tür wie­der hin­ter ihm zu und er blieb al­lei­ne in dem stin­ken­den Raum zu­rück. Fie­ber­haft such­te er in sei­nem Kopf nach Ant­wor­ten und ei­nem Aus­weg. Sei­ne Glie­der wa­ren fi­xiert, was ihm kei­nen Be­we­gungs­spiel­raum gab. Das Ein­zi­ge, was er be­we­gen konn­te, wa­ren sei­ne Fin­ger und um­se­hen konn­te er sich auch nicht. Lie­ven ver­such­te mit den Fin­gern nach ei­nem Hin­weis zu tas­ten, um sich ir­gend­wie be­frei­en zu kön­nen. Er woll­te nur ei­ne hei­ße Num­mer er­le­ben und lag jetzt hier nackt und un­be­weg­lich in ei­nem stin­ken­den Raum, wäh­rend ei­ne of­fen­bar Ver­rück­te Ex­pe­ri­men­te an ihm mach­te.

Er fühl­te die kal­te Lie­ge un­ter ihm. Sie war glatt und an den Rän­dern nach oben ge­zo­gen. Zu sei­nen Ober­schen­keln hin er­tas­te­te er einen klei­nen Spalt in der Lie­ge­flä­che. Der Ver­such, ei­ne an­de­re Lie­ge ge­nau­er in Au­gen­schein zu neh­men ge­stal­te­te sich schwie­rig, denn auch sei­nen Kopf konn­te er nicht dre­hen. Schie­lend un­ter­such­te er die Lie­ge rechts ne­ben ihm. Was er sah, wirk­te wie ei­ne Lie­ge bei ei­ner Ope­ra­ti­on. Im obe­ren Be­reich war auf der In­nen­sei­te ein Ein­schnitt zu er­ken­nen, die schein­bar da­zu diente die Glied­ma­ßen mit Le­der­bän­dern zu fi­xie­ren. Auch im un­te­ren Be­reich wa­ren Auss­pa­run­gen zu se­hen, die wohl für die Bei­ne ge­dacht wa­ren, und in der Mit­te der Lie­ge war ein wei­te­rer Ein­schnitt am Rand, der wohl die Hüf­te fi­xier­te. Aus der Erin­ne­rung her­aus, als Roxy ihn ge­strei­chelt hat­te, er­gab sich, dass auch um sei­ne Hüf­te ein Le­der­band ge­spannt war, denn die Berüh­rung setz­te für ein paar Zen­ti­me­ter aus. Als er sei­ne Hän­de zur Faust ball­te, fühl­te er mit den Fin­ger­spit­zen ein schma­les Le­der­band, was über sein Hand­ge­lenk ge­spannt war.

Mit al­ler Kraft, die er auf­brin­gen konn­te, ver­such­te er sei­ne Hand aus der Schlau­fe zu zie­hen. Sei­ne Haut spann­te und drück­te über sei­ne Knö­chel, aber sie kam lang­sam nach hin­ten. Nach ei­ner kur­z­en Pau­se um die bren­nen­den Mus­keln zu ent­span­nen ver­such­te er es wei­ter. Er fühl­te, wie das Le­der­band ei­ni­ge Mil­li­me­ter über sei­ne Fin­ger ge­zo­gen wur­de, be­kam sei­ne Hand aber noch nicht frei. Lie­ven be­nö­tig­te ei­ne wei­te­re Pau­se. Da­nach zog er ruck­wei­se sei­ne Hand zu sich und er merk­te, wie er im­mer mehr Spiel­raum be­kam. Wei­ter, im­mer wei­ter, feu­er­te er sich selbst an. Dann hat­te er es ge­schafft und sei­ne rech­te Hand war frei. So­fort tas­te­te er an der Sei­te der Lie­ge nach dem Le­der­band, was sei­ne Hüf­te auf dem kal­ten Un­ter­grund fest­hielt. Al­les, was er fand, war das ge­spann­te Le­der­band, aber kei­nen Ver­schluss, den er aus der Po­si­ti­on öff­nen konn­te.

Er ver­such­te, die lin­ke Hand zu be­frei­en, um von dort aus an den Ver­schluss zu kom­men. Noch ein­mal bot er al­le Kraft auf, die er in sich hat­te, um den Arm nach oben zu zie­hen. Sei­ne Hand ver­such­te er so klein wie mög­lich zu ma­chen, um am we­nigs­ten Wi­der­stand zu bie­ten. Lie­ven spür­te, wie der Spiel­raum grö­ßer wur­de und lang­sam nach­gab. Mit ei­nem hef­ti­gen Ruck be­kam er die Hand frei. Er hat­te es ge­schafft, zu­min­dest die Hän­de aus den Fes­seln zu be­frei­en. Wie­der griff er un­ter die Lie­ge nach dem Le­der­band an sei­ner Hüf­te. Er spür­te den Ver­schluss und die Schnal­le, die sich an­fühl­te wie aus ei­nem Gür­tel, aber er konn­te das lo­se En­de nicht er­rei­chen. Vor sei­nem in­ne­ren Au­ge bil­de­te sich ei­ne Idee für mehr Be­we­gungs­frei­heit. Er dreh­te die Ar­me und ver­such­te das Band, hin­ter sei­ner Stirn zu lö­sen. Mit der rech­ten Hand tas­te­te er da­nach und fand auch das lo­se En­de. Der Ver­schluss war das glei­che Sys­tem wie an sei­ner Hüf­te. Doch so­viel er auch dar­an fum­mel­te, es war ihm nicht mög­lich, den Ver­schluss zu öff­nen. Lie­ven ver­such­te das stark ge­spannt Band, ir­gend­wie aus­ein­an­der­zu­rei­ßen, konn­te aber auf­grund sei­ner Arm­hal­tung nicht ge­nü­gend Kraft auf­brin­gen. Sei­ne Schul­tern brann­ten und die Mus­keln ver­här­te­ten lang­sam, als er wie­der Schrit­te auf dem Gang ver­nahm. So schnell er konn­te, streck­te er die Ar­me wie­der an die Sei­te sei­nes Kör­pers und schlüpf­te in die dort ge­spann­ten Bän­der. Vi­el­leicht gab es die Mög­lich­keit, Roxy zu täu­schen und zu über­wäl­ti­gen.

Wie­der öff­ne­te sich die Tür und die Frau kam wie­der an sei­ne Sei­te. Er­neut setz­te sie sich auf sei­nen lin­ken Arm und die Schmer­zen mel­de­ten sich wie­der zu­rück. Sie sah ihn ein­fach nur grin­send an. Sie schi­en lan­ge zu über­le­gen, was sie sa­gen soll­te, bis sie be­gann, »Ich ha­be tol­le Neu­ig­kei­ten für dich. Wir kön­nen dich ver­wen­den, al­ler­dings muss das jetzt schnell ge­hen.«

Die­ses Mal zeig­te sie ihm ei­ne be­reits ge­füll­te Sprit­ze mit ei­ner weiß­li­chen Flüs­sig­keit. Dann ramm­te sie ihm die Na­del un­sanft in den Ober­schen­kel und ver­senk­te den Kol­ben, be­vor sie fort­fuhr, »Dei­ne Be­mü­hun­gen dich zu be­frei­en sind lä­cher­lich ge­we­sen. Meinst du, wir wä­ren so be­scheu­ert, dich hier zu­rück­zu­las­sen, oh­ne zu se­hen, was du treibst?« Die Sprit­ze zog sie wie­der her­aus und warf sie hin­ter ihn.

Roxy lä­chel­te, als er lang­sam be­merk­te, wie sei­ne Kräf­te schwan­den und ihm die Au­gen­li­der im­mer schwe­rer wur­den. »Ich bring dich jetzt hier weg. Schlaf schön, da­mit du dich er­holst.«

Sie stand auf und pack­te die Lie­ge hin­ter sei­nem Kopf. Mit ei­ni­ger An­stren­gung schob sie ihn auf sei­ner Un­ter­la­ge durch die Tür und pfiff ei­ne fröh­li­che Me­lo­die da­bei. Er ver­such­te noch, sich sei­ne Um­ge­bung ein­zu­prä­gen, um sich zu be­frei­en, wenn er wie­der er­wach­te. Al­les, was er se­hen konn­te, war ei­ne blaue Ton­ne, in der die Sprit­zen und Na­deln ge­lan­det wa­ren, die sie ver­wen­det hat­te. Sie war fast schon bis zum Rand ge­füllt, konn­te er er­ken­nen, als sie ihn auf einen stau­bi­gen Gang schob, des­sen Wän­de schon seit ge­fühl­ten Jahr­zehn­ten kei­ne Far­be mehr ge­se­hen hat­ten. Er merk­te noch, wie ein Rad sei­ner Lie­ge im­mer wie­der blo­ckier­te und ei­er­te. Das Gerüt­tel sei­nes Kör­pers war das Letz­te, was er mit­be­kam, be­vor er in einen traum­lo­sen Schlaf glitt.

Spur der Todesengel

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