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Kapitel 2 Bahamas, Nassau

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Süd­lich der Fla­min­go Gar­dens in Nassau am wei­ßen Sand­strand der Ba­ha­mas, nicht weit des Hau­ses von Leo­nie Kel­ler, war ein großer Be­reich ab­ge­sperrt. Es war spä­ter Nach­mit­tag als Ka­rya­ni, Liz und Leo­nie in ei­nem klei­nen Zelt ih­re Klei­der an­zo­gen. Im fei­nen An­zug war­te­ten Mi­ke, Ja­son und Mi­cha­el im Schat­ten ei­ner großen Pal­me auf ih­re Herz­da­men. Der Bar­be­sit­zer, dem Liz Croll zu­ge­tan war, stand di­rekt am Stamm der Pal­me und zit­ter­te. Er war furcht­bar ner­vös an die­sem Tag. Auch der Ha­cker Mi­ke Banks des In­ter­pol­teams hat­te kaum Far­be im Ge­sicht und nes­tel­te im­mer wie­der an sei­nem Jackett her­um. So­gar Mi­cha­el Korn, der ei­gent­lich kalt wie ein Stein war, stand an die­sem Tag schwer un­ter Strom. Man sah ih­nen ih­re Ner­vo­si­tät schon von Wei­tem an. Do­lo­res, die jetzt seit fast ei­nem Jahr bei Leo­nie und Mi­cha­el in Nassau leb­te, trug ein wun­der­schö­nes ro­tes Kleid mit tie­fem Aus­schnitt und küm­mer­te sich um die drei Ba­bys in ih­ren Ba­by­körb­chen. Auch Amy Vaughn, die Che­fin des zwei­ten Te­ams, das In­ter­pol an­ge­wor­ben hat­te, die mit ih­rem Te­am in Ita­li­en leb­te, war ex­tra ein­ge­flo­gen, um die­sem Er­eig­nis bei­zu­woh­nen. Ber­nand Rous­sel und François Pier­lot, der Ver­bin­dungs­mann für die bei­den Te­ams und der Waf­fen­wart wa­ren eben­falls an­we­send und tru­gen einen schwar­zen Frack.

So­gar die Di­rek­to­rin Rhon­da Mil­ler von In­ter­pol war aus Ly­on ge­kom­men. In­zwi­schen wa­ren auch sie und Korn be­freun­det, was so­gar Leo­nie ge­fiel. Nach den Wir­run­gen in ih­rem letz­ten großen Fall, der in Eng­land sein En­de fand, war Mil­ler im­mer noch hin­ter Mi­cha­el her ge­we­sen. Er al­ler­dings hat­te trotz­dem nur Au­gen für sei­ne Leo­nie, be­sorg­te aber einen spe­zi­el­len Freund für die Di­rek­to­rin, der ih­ren Vor­lie­ben na­he­kam. Ab die­sem Zeit­punkt war sie we­sent­lich aus­ge­gli­che­ner und nicht mehr nur auf Mi­cha­el fi­xiert, was ihr so­gar Sym­pa­thi­en von Leo­nie ein­brach­te. Jetzt stand sie ge­ra­de bei Mi­cha­el, der in­ter­essan­ter­wei­se nicht ganz so ru­hig war wie sonst. Man merk­te ihm sei­ne An­span­nung wirk­lich an. Sie ver­such­te, ihn et­was zu be­ru­hi­gen, was ihr al­ler­dings nicht wirk­lich ge­lang.

Nach dem letz­ten großen Fall, den Liz für ih­re Ba­by­pau­se ge­nutzt hat­te, war et­was mehr als ein Jahr ver­gan­gen. In der Zwi­schen­zeit war nicht nur ihr Sohn Da­mi­en auf die Welt ge­kom­men, son­dern auch Leo­nie brach­te ein klei­nes Mäd­chen zur Welt. Mi­cha­el und sie tauf­ten die Klei­ne auf den Na­men Emi­lia, die jetzt ge­ra­de, zu­sam­men mit Da­mi­en von Do­lo­res be­treut wur­den. Auch Ber­nand Rous­sel schau­te im­mer wi­der nach den drei klei­nen, die aber die gan­ze Auf­re­gung ih­rer El­tern ver­schlie­fen. Nur Ka­rya­ni und Mi­ke woll­ten noch et­was war­ten, bis Nach­wuchs zur Welt kom­men soll­te. Für Mi­cha­el und Leo­nie war mit der klei­nen Emi­lia ein lan­ge ge­heg­ter Traum in Er­fül­lung ge­gan­gen, und zu­sam­men mit Va­le­ria, ih­rer Halb­schwes­ter, die Do­lo­res be­kom­men hat­te, war die Fa­mi­li­en­pla­nung des Drei­er­ge­spanns auch ab­ge­schlos­sen. Do­lo­res Ba­by kam zwei Wo­chen nach Emi­lia, dass sie nach ei­ner künst­li­chen Be­fruch­tung aus­ge­tra­gen hat­te. Bei­de Mäd­chen stamm­ten von Micha, der sich auf­op­fernd um die bei­den küm­mer­te. Leo­nie und Do­lo­res durf­ten schla­fen, wenn die bei­den wäh­rend der Nacht schri­en. Micha stand dann auf und küm­mer­te sich um die bei­den Klei­nen.

In dem klei­nen leicht grau­en Zelt war das Öströ­gen­le­vel bis zum An­schlag an­ge­füllt. Dort leg­ten die drei Agen­tin­nen, die heu­te ih­ren großen Tag hat­ten, ih­re Klei­der an. Un­ter­stützt wur­den sie von Mit­ar­bei­te­rin­nen ei­nes Aus­stat­tungs­hau­ses, wo sie ih­re Hoch­zeits­klei­der an­fer­ti­gen lie­ßen. Ka­rya­ni hat­te sich für klas­si­sches El­fen­bein­weiß mit vie­len Per­len ent­schie­den, Liz Croll trug ein weit aus­la­den­des schwar­zes pail­let­ten­be­setz­tes Braut­kleid und Leo­nie trug ein durch­schim­mern­des schwar­zes schul­ter­frei­es Kleid mit ro­tem Un­ter­rock. Do­lo­res, die ein eben­falls ro­tes Samt­kleid an­ge­zo­gen hat­te, küm­mer­te sich der­weil um die drei Ba­bys, die in ih­ren Bett­chen im Schat­ten la­gen, um den bei­den Bräu­ten und ih­ren Vä­tern die­se Sor­ge ab­zu­neh­men.

Ka­rya­ni war ex­trem auf­ge­regt und zit­ter­te per­ma­nent, wäh­rend sie ver­such­te, ihr Kleid an­zu­le­gen. Mehr­fach muss­te sie un­ter­bre­chen, weil sie kurz da­vor stand zu hy­per­ven­ti­lie­ren. Auch Leo­nie brauch­te öf­ter ei­ne Pau­se, ihr Herz­schlag war ex­trem be­schleu­nigt und manch­mal wur­de ihr schwarz vor Au­gen. Liz Croll war die Ein­zi­ge, die ru­hig ge­nug war ihr Braut­kleid, oh­ne Pau­se an­zu­zie­hen. Sie saß be­reits bei der Vi­sa­gis­tin auf dem großen Stuhl und be­kam ihr Ma­ke-up. Schon am frü­hen Mor­gen hat­ten sich die drei von ih­ren Män­nern ge­trennt und wa­ren in Nassau beim Fri­seur der ih­nen ih­re Fri­su­ren, die sie sich aus­ge­sucht hat­ten, für die Hoch­zeits­ze­re­mo­nie be­rei­te­ten. Da­nach brach­te ei­ne ge­mie­te­te Li­mou­si­ne die drei Bräu­te zum Strand, da­mit sie sich in dem Zelt, was ex­tra auf­ge­stellt wur­de, ih­re Braut­klei­der an­zie­hen konn­ten.

Ja­son, der Va­ter von Da­mi­en und künf­ti­ger Ehe­mann der Te­am­che­fin Liz Croll, trug einen hell­grau­en An­zug mit blau­em Hemd und war­te­te un­ter der Pal­me auf sei­ne Braut. Mi­ke, der Ehe­mann von Ka­rya­ni, die zwar schon den­sel­ben Nach­na­men mit ihr teil­te, hat­te sich in einen nacht­schwar­zen Drei­tei­ler ge­zwängt, des­sen blü­ten­wei­ßes Hemd einen großen Kon­trast bot. Mi­cha­el hin­ge­gen hat­te ent­ge­gen sei­ner Ge­wohn­heit einen leuch­tend wei­ßen An­zug aus Sei­de an­ge­zo­gen, der sich farb­lich kaum von dem wei­ßen Sand am Strand ab­hob. Die drei hat­ten die Braut­klei­der ih­rer Da­men noch nie vor­her ge­se­hen, nur auf­grund ih­rer Farb­wahl hat­ten sie pas­sen­de Ein­steck­tü­cher in der über­flüs­si­gen Brust­ta­sche. Die Far­ben der An­zü­ge hat­ten die drei Frau­en vor­ge­ge­ben. Auch das Kleid, was Do­lo­res trug, war pas­send zu Leo­nies Un­ter­rock aus­ge­sucht wor­den. Da auf­grund der Hoch­zeit zwi­schen ih­rer Liebs­ten und Mi­cha­el ei­ne Hoch­zeit zwi­schen den bei­den Frau­en aus­ge­schlos­sen war, hat­ten sie sich für einen Son­der­weg ent­schie­den. Spä­ter am Tag gab es noch ei­ne vier­te Hoch­zeit zwi­schen ihr und Leo­nie, bei der Mi­cha­el als Trau­zeu­ge fun­gie­ren soll­te. Die­se Hoch­zeit war al­ler­dings nicht mehr of­fi­zi­ell, son­dern galt nur als Sym­bol für die bei­den.

Auf dem ex­tra ab­ge­sperr­ten Be­reich stan­den die Stüh­le für die Gäs­te im Sand mit Blick auf das tür­ki­se Meer und dem fast wol­ken­frei­en hell­blau­en Him­mel. Die Son­ne zeig­te sich von ih­rer schöns­ten Sei­te und hielt die Tem­pe­ra­tur bei kon­stan­ten 26 Grad. Die ein­ge­la­de­nen Gäs­te tra­fen nach und nach ein und mach­ten es sich an ei­ni­gen Ti­schen mit Er­fri­schun­gen ge­müt­lich, wäh­rend sie auf die Ze­re­mo­nie war­te­ten. Liz und Ja­sons El­tern wur­den ex­tra mit ei­ner In­ter­pol­ma­schi­ne aus Lon­don ab­ge­holt, da­mit sie da­bei sein konn­ten. Die­ses Ver­spre­chen hat­te ihr Rhon­da Mil­ler ge­ge­ben und ex­tra ei­ne Ma­schi­ne von Ly­on nach Lon­don be­or­dert, um sie nach Nassau zu brin­gen. Liz hat­te sich auch um Ho­tel­zim­mer für die äl­te­ren Herr­schaf­ten ge­küm­mert, da­mit sie noch zwei Wo­chen in Nassau Ur­laub ma­chen konn­ten. Rhon­da Mil­ler hat­te dem gan­zen Te­am für 14 Ta­ge frei­ge­ge­ben. Mi­ke und Ka­rya­ni hat­ten sich für ei­ne klei­ne Hoch­zeits­rei­se nach Ve­ne­zue­la ent­schie­den und wür­den noch in der Nacht auf­bre­chen. Mi­cha­el hat­te sich da­für ei­ne klei­ne Über­ra­schung ein­fal­len las­sen. Er selbst wür­de die frei­en Ta­ge mit sei­nen bei­den Frau­en zu Hau­se ver­brin­gen und sich um die zwei Mäd­chen küm­mern. Liz und Ja­son ver­brach­ten die freie Zeit mit ih­ren Fa­mi­li­en eben­falls in Nassau.

Amy Vaughn, die ex­tra aus Ita­li­en an­ge­reist war, wur­de be­reits zwei Ta­ge spä­ter wie­der bei ih­rem Te­am zu­rück­er­war­tet. Sie hat­te von Rhon­da Mil­ler nur für die­ses Er­eig­nis frei­be­kom­men, da sie zu den Freun­den des Te­ams hier in Nassau ge­hör­te. Mi­cha­el hat­te nur noch einen Va­ter und ei­ne Schwes­ter als Ver­wandt­schaft, die er al­ler­dings nicht ein­ge­la­den hat­te. Sein Va­ter und er wa­ren wie Feu­er und Ben­zin, wenn sie auf­ein­an­der­tra­fen. Als sei­ne Mut­ter noch leb­te, und die bei­den an ei­nem Tisch sa­ßen, dau­er­te es nur ei­ni­ge Mi­nu­ten, bis sein Va­ter nur am Me­ckern war. Durch sei­ne Art war Mi­cha­el nicht aus der Ru­he zu brin­gen, auch nicht durch sei­nen Er­zeu­ger, nur wur­de er be­lei­di­gend, was sei­nen Va­ter nur noch mehr auf die Pal­me brach­te. Ei­ne nor­ma­le Un­ter­hal­tung war zwi­schen den bei­den schon seit vie­len Jah­ren nicht mehr mög­lich und er hat­te auch dar­auf ver­zich­tet Leo­nie sei­ner Fa­mi­lie vor­zu­stel­len. We­der sei­ne Schwes­ter und de­ren Mann, noch sein Va­ter wuss­ten, was er mach­te und wo er leb­te. Leo­nie hat­te auch kei­nen Wert dar­auf ge­legt sei­ne Ver­wandt­schaft ken­nen­zu­ler­nen. Für sie war Mi­cha­el wich­tig, aber nicht wer da hin­ten­dran noch stand.

Do­lo­res hat­te für die­sen großen Tag ei­ni­ge Freun­de aus Ko­lum­bi­en ein­ge­la­den, die sie noch von der Schu­le kann­te. Sie hat­te sich ih­nen ge­gen­über geou­tet und ih­nen auch er­klärt, dass sie mit ei­nem Paar zu­sam­men­leb­te, mit dem Mann aber nicht in­tim war. Die­je­ni­gen, die da­für Ver­ständ­nis zeig­ten, stan­den noch mit ihr in Kon­takt, wenn sie auch nicht wis­sen durf­te, wo ge­nau sie wohn­te. Ge­gen­über Freun­den hiel­ten sich die Agen­ten sehr be­deckt, was ge­naue In­for­ma­tio­nen zu ih­rer Tä­tig­keit oder den ge­nau­en Wohn­ort an­ging. Die Adres­se von Liz Croll war, wie auch ihr Bild in­ter­na­tio­nal be­kannt ge­wor­den, nach­dem sie wäh­rend ih­res ers­ten Falls die Bun­des­kanz­le­rin der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land fest­ge­nom­men hat­te. Auch im Rah­men ih­res letz­ten großen Falls, an dem sie auf­grund ih­rer Schwan­ger­schaft nicht teil­nahm, schick­te man ihr einen Kil­ler. Ja­son, der eben­falls da­von be­trof­fen war, ent­schied sich da­für, ih­re Adres­se und den of­fi­zi­el­len Na­men sei­ner Frau zu än­dern. Auch Liz war da­mit ein­ver­stan­den, um nicht mehr auf­find­bar zu sein und sich der Ge­fahr aus­zu­set­zen, ei­nem Mör­der ein Ziel zu bie­ten. Sie wür­de zwar wei­ter­hin als Liz Croll er­mit­teln, aber auf der In­sel einen völ­lig an­de­ren Na­men an­neh­men. So­gar die Re­gie­rung der Ba­ha­mas hat­te ih­nen da­für Hil­fe an­ge­bo­ten, die sie dan­kend an­nah­men.

Rhon­da Mil­ler frag­te im Zelt der Bräu­te nach, ob die Trau­ung bald an­fan­gen könn­te, die Gäs­te wur­den be­reits lang­sam un­ru­hig und auch die Män­ner woll­ten es lang­sam hin­ter sich brin­gen, da­mit sie sich dem fröh­li­chen Teil wid­men konn­ten. Mi­cha­el hat­te schon ner­vös nach­ge­fragt, ob Leo­nie ein­fach ver­schwun­den wä­re, er hat­te im­mer noch furcht­ba­re Angst, sie zu ver­lie­ren. Ber­nand und François ver­such­ten, ihn zu be­ru­hi­gen. Sie kann­ten sei­ne Furcht da­vor, die völ­lig ir­ra­tio­nal war, denn Leo­nie konn­te sich ein Le­ben oh­ne ihn schon lan­ge nicht mehr vor­stel­len. Mil­ler be­kam von Leo­nie und Liz einen Dau­men nach oben, nur Ka­rya­ni muss­te sich noch ein we­nig sam­meln. Die gan­ze Vor­be­rei­tung zehr­te un­glaub­lich an ih­ren Ner­ven, aber auch sie ver­such­te ein win­zi­ges Lä­cheln zu zei­gen, um der Di­rek­to­rin das Okay zu ge­ben. Rhon­da Mil­ler bat die Gäs­te auf ih­re Plät­ze, die der Auf­for­de­rung auch so­fort nach­ka­men, sie al­le konn­ten es kaum noch er­war­ten.

Nach­dem auch die Män­ner ih­re Plät­ze ein­ge­nom­men hat­ten, be­gann die ex­tra en­ga­gier­te Ka­pel­le den Hoch­zeits­marsch von Fe­lix Men­dels­sohn Bar­tholdy zu spie­len und die Bräu­te wur­den zu ih­nen ge­führt. Ka­rya­ni muss­te von ih­rem Va­ter, der selbst schon Schwie­rig­kei­ten mit dem Ge­hen hat­te ge­stützt wer­den. Liz Va­ter hat­te mit sei­ner Toch­ter am we­nigs­ten Pro­ble­me und Ber­nand Rous­sel, der Leo­nie als ein­zi­ger noch le­ben­der Ver­wand­ter führ­te, konn­te es kaum Glau­ben, das sie vor Freu­de kaum noch zu hal­ten war. Mehr­fach muss­te er sie ein biss­chen Brem­sen da­mit sie Ka­rya­ni, die als Ers­te ge­gan­gen war nicht noch über­hol­te. Do­lo­res, die ei­gent­lich auf die Ba­bys auf­pas­sen soll­te, über­ließ die Auf­sicht Amy Vaughn, da­mit sie das Blu­men­mäd­chen ge­ben konn­te. Sie ging mit ih­rem Körb­chen vor­weg und streu­te wei­ße und Ro­sa far­bi­ge Blü­ten­blät­ter auf den Strand, die der leich­te Wind wie­der in die Luft hob und ein wun­der­vol­les Pa­n­ora­ma bot.

Als Mi­cha­el sei­ne Leo­nie in ih­rem wun­der­vol­len Braut­kleid auf ihn zu­kom­men sah, lie­fen ihm die Trä­nen in Strö­men übers Ge­sicht und auch die bei­den an­de­ren muss­ten schwer mit ih­rer Be­herr­schung kämp­fen. Nach­dem sie dann end­lich bei ihm war und ihm Ber­nand die Hand sei­ner An­ge­be­te­ten ge­ge­ben hat­te, stand er mit of­fe­nem Mund am Strand. Sei­ne trä­nen­den Au­gen wa­ren voll auf sie fo­kus­siert. Auch sie blick­te ihn mit nas­sen Au­gen ver­liebt an. Mi­ke, der die völ­lig fer­ti­ge Ka­rya­ni ge­reicht be­kam, muss­te sei­ne Liebs­te stüt­zen. Selbst die sonst so har­te Liz hät­te Trä­nen des Glücks im Ge­sicht kle­ben, wäh­rend Ja­son sei­ne Braut in ih­rem schwar­zen Braut­kleid be­staun­te. Ihm stand der Mund so weit of­fen, dass er froh sein konn­te, dass es kei­ne Tank­stel­le war, ir­gend­je­mand hät­te ihn ga­ran­tiert voll­ge­tankt. Der Be­am­te, den die Lo­kal­ver­wal­tung da­mit be­auf­tragt hat­te, be­gann die drei an­we­sen­den Da­men zu fra­gen, ob sie die ne­ben ih­nen ste­hen­den Män­ner ehe­li­chen wol­len. Liz ant­wor­te­te mit ei­nem fes­ten »Ja, ich will!«, die wei­ter rechts ste­hen­de Ka­rya­ni konn­te nur ein schwa­ches »Ja!« von sich ge­ben und Leo­nie hauch­te ein nied­li­ches »Oh, Ja das will ich.«

Dann wur­den die Her­ren der Schöp­fung ge­fragt und wie­der be­gann die Run­de bei Ja­son, der ne­ben sei­ner Liz stand. »Ja, na­tür­lich«, sag­te er mit Über­zeu­gung. Mi­ke, der als Nächs­tes an der Rei­he war, brach­te ein ein­fa­ches »Ja« zu­stan­de, und Mi­cha­el sprach mit trä­nen­er­stick­ter Stim­me »Selbst­ver­ständ­lich Ja, nichts lie­ber als das.«

Der Be­am­te bat um die Rin­ge, die von den Män­nern aus den Ta­schen ge­zo­gen wur­den und sie ih­ren Frau­en reich­ten. Sie al­le nah­men die ein­zel­nen Rin­ge und steck­ten sie den Män­nern an die Fin­ger, be­vor das um­ge­kehr­te Spiel be­gann. Auch die Män­ner leg­ten ih­ren Bräu­ten die Rin­ge an. Dann er­klär­te er, kraft sei­nes Am­tes die drei Paa­re zu Mann und Frau, was die an­we­sen­den Gäs­te mit großem Bei­fall be­dach­ten. Die ob­li­ga­to­ri­schen Küs­se der Paa­re dau­er­ten dement­spre­chend lan­ge. Dann be­gan­nen die Fei­er­lich­kei­ten mit Glück­wün­schen zur Ehe­schlie­ßung und den Ge­schen­ken für die Paa­re. Liz be­kam von Mi­cha­el ein Zep­ter über­reicht und Ja­son schenk­te er ei­ne ex­tra für ihn an­ge­fer­tig­te Ser­ver­schüt­ze mit dem auf­ge­stick­ten Na­men sei­ner Bar. Mi­ke be­kam von ihm ein na­gel­neu­es Ta­blet mit er­wei­ter­tem Spei­cher, wäh­rend er Ka­ry ei­ne Nach­bil­dung ih­res Kop­fes aus Zir­ko­ni­um über­reich­te. Dann kam François mit ei­nem rie­si­gen Kof­fer auf Leo­nie zu, den er ihr zur Hoch­zeit schenk­te. Als sie ihn auf­mach­te, trau­te sie ih­ren Au­gen nicht. Da­rin war ein ei­gens für sie an­ge­fer­tig­tes, per­so­na­li­sier­tes Ge­wehr und ei­ne ge­füll­te Mu­ni­ti­ons­ta­sche, mit ih­rem neu­en Mo­no­gramm. Of­fi­zi­ell hieß sie jetzt Leo­nie Korn. Sie war die Ein­zi­ge, de­ren Nach­na­me sich durch die Hei­rat ge­än­dert hat­te. Die bei­den an­de­ren be­hiel­ten ih­re Na­men. Ka­rya­ni hieß ja so­wie­so schon wie ihr Mann und Ja­son über­nahm den Nach­na­men sei­ner Frau.

Nach ei­ni­ger Zeit ver­schwan­den Leo­nie und Do­lo­res im Zelt in der sich die Bräu­te ih­re Klei­der an­ge­zo­gen hat­ten. Das war das ver­ab­re­de­te Zei­chen für Mi­cha­el den bes­ten Freund von Do­lo­res zu ho­len und sich am Zelt auf­zu­stel­len. Wie­de­r­um be­gann die Ka­pel­le er­neut den Hoch­zeits­marsch zu spie­len und Mi­cha­el führ­te sei­ne Leo­nie wie­der nach vor­ne. Do­lo­res folg­te dicht da­hin­ter, ge­führt von ih­rem Freund. Ber­nand über­nahm die in­of­fi­zi­el­le Trau­ung der bei­den und die bei­den Män­ner reich­ten ih­nen die sym­bo­li­schen Rin­ge an. Da Ber­nand kei­ne of­fi­zi­el­le Be­fug­nis hat­te, Ehen zu schlie­ßen, war recht­lich al­les in Ord­nung. Es soll­te auch nur ein sym­bo­li­sches Zei­chen für die bei­den sein. Auch die an­we­sen­den Gäs­te wuss­ten dar­über Be­scheid und be­han­del­ten es wie ei­ne nor­ma­le Hoch­zeit. Die bei­den hat­ten dar­auf be­stan­den, dass Mi­cha­el sei­ne Leo­nie zu der Trau­ung brach­te.

Wie ein al­ter Ha­se brach­te Ber­nand die Hoch­zeit sei­ner ein­zi­gen Ver­wand­ten pro­fes­sio­nell über die Büh­ne. Als Ers­tes frag­te er das neues­te Mit­glied des Te­ams die ein über­zeu­gen­des »Ja, das will ich« hauch­te. Leo­nie ant­wor­te­te auf die Fra­ge, ob sie die an­we­sen­de Do­lo­res Pa­re­des hei­ra­ten möch­te mit »Ja, sehr ger­ne.«

Dann sag­te Ber­nand den Spruch auf, den Do­lo­res kaum er­war­ten konn­te »Kraft des mir nicht ver­lie­he­nen Am­tes, er­klä­re ich euch zu Frau und Frau! Sie dür­fen die Braut nun küs­sen!«

Das lie­ßen sich die bei­den nicht zwei­mal sa­gen und küss­ten sich. Im Hin­ter­grund ap­plau­dier­ten die Gäs­te und Micha, der ne­ben Leo­nie stand. Die Fei­er ging noch bis in den spä­ten Abend und al­le An­we­sen­den hat­ten einen großen Spaß. Spät in der Nacht be­gan­nen Mi­ke und Ka­rya­ni von den Gäs­ten zu ver­ab­schie­den. Sie woll­ten lang­sam in die Flit­ter­wo­chen nach Ve­ne­zue­la auf­bre­chen. Als die bei­den sich bei ih­ren Kol­le­gen des Te­ams ver­ab­schie­den woll­ten, hielt Micha die bei­den zu­rück und fisch­te sein Han­dy aus der Ho­sen­ta­sche. Er wähl­te ei­ne Kurz­wahl und sag­te nur »Kann los­ge­hen«, dann leg­te er wie­der auf. Ka­ry und ihr Mann schau­ten ihn fra­gend an, bis sie aus dem Hin­ter­grund ein un­glaub­lich lau­tes Mo­to­ren­ge­räusch ver­nah­men. Qu­er über den Strand ras­te ein so­ge­nann­ter Mons­ter­truck auf den ab­ge­sperr­ten Be­reich zu. Die Gäs­te dach­ten an einen An­griff, der dem Te­am gel­ten soll­te, und brach­ten sich in­stink­tiv in Si­cher­heit. Kurz vor dem Zaun riss der Fah­rer das Lenk­rad her­um und drif­te­te, bis er par­al­lel zu der Um­zäu­nung stand. Dann blieb er ein­fach ste­hen und öff­ne­te die Tür. Es fiel ei­ne kur­ze Strick­lei­ter nach un­ten. Mi­cha­el nahm die Hän­de des Ehe­paa­res und führ­te sie zu dem laut dröh­nen­den Ve­hi­kel. Dort an­ge­kom­men er­klär­te er »Ich ha­be für euch bei­den ein et­was spe­zi­el­les Ta­xi be­sorgt, was euch zum Flug­ha­fen bringt. Hal­tet euch aber fest, der Fah­rer hat An­wei­sung den kür­zes­ten Weg zu der war­ten­den Ma­schi­ne zu neh­men.«

Ka­rya­ni be­schwer­te sich »Micha, du bist völ­lig ver­rückt, ich kann doch da mit dem Kleid nicht hoch­klet­tern.«

»Ich hät­te einen Fahr­stuhl ein­ge­baut, aber die Zeit war zu kurz, Ka­ry«, scherz­te er, »du hältst dein Kleid hoch, dein Ehe­mann hilft dir über die Lei­ter und dann seid ihr schon auf dem Weg.«

»Ho­nig­schneck­chen, ich woll­te schon im­mer mal mit so ei­nem Ding fah­ren«, sag­te Mi­ke als er das Ge­fährt mit leuch­ten­den Au­gen be­trach­te­te. »Das macht be­stimmt Spaß.«

»Wenn du meinst, Bär­chen. Dann hilf mir mal da hoch«, ent­geg­ne­te Ka­ry, hob ihr Kleid bis zu den Kni­en nach oben und griff nach der Strick­lei­ter.

Mikes Ge­sicht strahl­te wie an Weih­nach­ten. Mit ei­nem kur­z­en Blick be­dank­te er sich bei Micha und half sei­ner frisch an­ge­trau­ten Ehe­frau die Lei­ter hin­auf. Nach­dem sie das Fahr­zeug er­klom­men hat­te, folg­te ihr Mi­ke mit ei­ni­ger An­stren­gung. Der Fah­rer zog die Strick­lei­ter wie­der ein und schlug die Tür zu. Kurz da­nach heul­te der Mo­tor laut auf und die Höl­len­ma­schi­ne setz­te sich in Be­we­gung. Un­ter dem lau­ten Ju­bel des Pub­li­kums dreh­te der Fah­rer noch ei­ne Run­de um den ab­ge­sperr­ten Be­reich und fuhr hu­pend di­rekt quer­feld­ein Rich­tung Flug­ha­fen. Hin­ten war ein rie­si­ges Schild an­ge­bracht auf dem »Just Mar­ried« stand und ein Seil mit vie­len An­ge­brach­ten lee­ren Kon­ser­ven­do­sen schleif­te über den Strand.

Der Al­ko­hol floss in Strö­men auf der Fei­er. Vie­le der Gäs­te wur­den lus­tig, als die hoch­pro­zen­ti­ge Flüs­sig­keit im Blut an­kam und ih­nen zu Kopf stieg. Auch Leo­nie und ih­re Do­lo­res grif­fen or­dent­lich zu. Nur Mi­cha­el, der nie­mals Al­ko­hol trank, hielt sich den gan­zen Tag über an Glä­sern mit So­da, oder zucker­hal­ti­gen Li­mo­na­den fest. Lus­tig war er auch so, da be­nö­tig­te er kei­nen Al­ko­hol. Au­ßer­dem freu­te er sich rie­sig dar­über, end­lich mit Leo­nie ver­hei­ra­tet zu sein. Die drei ver­stan­den sich blen­dend.

Es war be­reits früh am Mor­gen, als die Gäs­te lang­sam den Strand ver­lie­ßen und in ih­re Ho­tel­zim­mer zu­rück­kehr­ten. Auch die Ehe­paa­re mach­ten sich auf den Weg nach Hau­se und leg­ten sich in ih­re Bet­ten. Liz und ihr neu an­ge­trau­ter Ehe­mann lan­de­ten wild knut­schend im Bett, wäh­rend der klei­ne Da­mi­en ne­ben­an in sei­nem Ba­by­bett­chen lag und tief am Schlum­mern war. Micha, und sei­ne zwei Da­men hat­ten im ver­gan­ge­nen Jahr das neue Haus noch ein­mal um­ge­baut. Sie hat­ten jetzt zwei Schlaf­zim­mer. Ei­nes mit ei­nem brei­ten Bett da­mit sie al­le zu­sam­men schla­fen konn­ten. Da­bei lag Leo­nie in der Mit­te, Micha links von ihr und Do­lo­res hat­te ih­ren Schlaf­platz rechts da­von. Im zwei­ten Schlaf­zim­mer hat­ten sie auch ein großes Bett für die ver­gnüg­li­chen Stun­den zu zweit. Wenn sich Leo­nie mit Do­lo­res zu­rück­zog, blieb Micha al­lei­ne im Bett, an­sons­ten blieb Dol­ly die Nacht al­lei­ne. Heu­te in ih­rer Hoch­zeits­nacht lan­de­ten al­le drei ge­mein­sam im Bett. Micha al­ler­dings hat­te nur mit Leo­nie Spaß, wäh­rend sie mit bei­den ei­ne wil­de Nacht ver­brach­te.

Erst am spä­ten Nach­mit­tag wach­ten die frisch Ver­mähl­ten wie­der zu­sam­men auf. Leo­nie und Do­lo­res durf­ten durch­schla­fen, wäh­rend sich Mi­cha­el im­mer, wenn Emi­lia oder Va­le­ria schrei­end auf­wach­ten, sich um die bei­den Klei­nen küm­mer­te. Im­mer wenn das Ba­by­fon von ei­ner der bei­den sich mel­de­te, quäl­te er sich aus dem Bett und wi­ckel­te sei­ne Mäd­chen. Mitt­ler­wei­le konn­te er das schon fast im Halb­schlaf, oh­ne hin­zu­se­hen, er­le­di­gen.

Spur der Todesengel

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