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Kapitel 4 Spanien, Sevilla
ОглавлениеAm frühen Nachmittag stand der rote Sportwagen, mit laufendem Motor vor dem Haus, in dem Herminia Molinero wohnte. Die Lernschwester kam mit ultrakurzen Shorts und einem engen Top aus dem Haus gerannt. Sie war etwas spät dran und wunderte sich noch, wo denn Priscila Acosta, ihre Stationsleiterin auf sie wartete. Mit den Augen suchte sie die Straße nach dem weißen SUV ab, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Erst als sie ihr Handy aus der umgehängten kleinen Handtasche ziehen wollte, hörte sie Priscila ihren Namen rufen. Sie folgte dem Ruf der Stimme und sah dann den sehr niedrigen Sportwagen, in dem Priscila winkend hinter dem Steuer saß. Sie lief zu dem roten Flitzer und zog die Tür auf.
Völlig verwirrt fragte sie »Was ist denn das jetzt wieder für ein Auto?«
Priscila lachte sie an und sagte dann »Das ist mein kleiner Lamborghini, den ich normalerweise nehme, um zur Arbeit zu fahren.«
»Klein ist er wirklich«, sagte die Lernschwester lachend, »da brauche ich ja einen Schuhlöffel, um einzusteigen.«
Sie zwängte sich durch die niedrige Tür in das mit schwarzem Leder mit den roten Nähten ausgestattete Fahrzeug und zog vorsichtig die Tür zu. Priscila blickte in den Außenspiegel und tippte einen Hebel hinter dem Lenkrad an. Dann stellte sie ihren Fuß auf das Gaspedal und brauste davon. Herminia wurde in den Sitz gepresst wie wenn sie in einem Jet sitzen würde, der gerade startet. Die Stationsleiterin beschleunigte den Wagen wie eine verrückte bis sie wieder an einer Ampel halten musste.
»Du meine Güte, das ist ja ein Katapult«, sagte sie beeindruckt.
»610 Pferdchen hat der 5,2 Liter V10 da vorne unter der Haube. Bringt Spitze ganz entspannte 325 km/h«, erklärte Priscila.
Herminia staunte mit offenem Mund »Das reißt dir ja die Haare aus, wenn du aus der Stadt fährst.«
»Ach, das Dach kann ich draufmachen wenn ich will, aber solange es nicht regnet, macht es so mehr Spaß.«
Als die Ampel auf Grün sprang, heulte der Motor laut auf und Herminia hielt sich an der Armlehne fest, als ihre Kollegin wieder das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Die Straßen waren frei und ihre Chefin ignorierte die vorgegebene Geschwindigkeit. Das Overheaddisplay zeigte mitten in der Stadt knapp 170 Kilometer pro Stunde und fuhr wie auf Schienen durch die Kurven. Die Lernschwester hatte Angst, dass ihre Kollegin die Einfahrt zur Tiefgarage verpassen würde. Auf einmal krallten sich die Keramikbremsen um die Bremsscheiben und sie landete beinahe an der Windschutzscheibe. Gekonnt lenkte sie den teuren Sportwagen in die Garage, am Pförtner vorbei und rollte auf ihren Parkplatz. Dort erstarb das laute Brummen des Motors und Priscila schob die Tür des roten Cabrios auf. Sie zog den Zündschlüssel ab und stieg aus. Die Lernschwester schälte sich aus dem Ledersitz, an dem ihr Hintern wie festgeklebt war. Die leicht feuchte Haut klebte an dem dunklen Leder des Sitzes. So schnell war sie noch nie an ihrem Arbeitsplatz angekommen.
Die beiden Frauen absolvierten wie jeden Tag den Weg zur Umkleidekabine und schlüpften in ihre Arbeitsklamotten. Mit dem Aufzug fuhren sie in den vierten Stock auf ihre Station und setzten sich in das Schwesternzimmer. Auch ihre Kolleginnen kamen nach und nach dazu und man unterhielt sich locker, bis die Frühschicht hereinkam, um das Übergabegespräch zu machen. Kurz nachdem die Oberschwester der Frühschicht anfing zu erzählen, was am Morgen alles passiert war und welche Patienten besondere Aufsicht bedurften, stand Dr. Alcantara in der Tür. Er unterbrach die Krankenschwester mitten in ihren Ausführungen und rief »Was tun sie alle hier? Dr. Pineda rotiert gerade im OP und sie machen hier ein Kaffeekränzchen. Sehen Sie zu, dass sie an die Arbeit kommen.«
Priscila stand auf, drehte sich zu dem Störenfried um und wütete, »Machen sie gefälligst den Kopf zu, wenn nur Scheiße rauskommt. Das hier ist ein Übergabegespräch für die Spätschicht, wie es seit Jahren jeden einzelnen Tag stattfindet, nur sie haben das scheinbar noch nie mitbekommen. Nehmen sie ihre Beine in die Hand und sehen sie zu, dass sie nach Hause kommen. Sie werden hier nicht gebraucht!«
Der Oberarzt starrte sie böse an. Als er etwas auf ihre Ansage erwidern wollte, drückte sie ihn durch die Tür nach draußen und knallte ihm die durchsichtige Glasscheibe vor der Nase zu. Im Schwesternzimmer wurde laut geklatscht, als die Stationsleiterin die Tür abschloss und sich wieder setzte. Mit sanfter Stimme bat sie Oberschwester der Frühschicht, ihren Bericht fortzusetzen, was diese auch sofort tat. Dr. Alcantara stand wie ein begossener Pudel auf dem Gang der Station. Die Schwester erklärte den Anwesenden, dass Dr. Pineda schon seit knapp einer Stunde im Haus war und eine Herztransplantation an einer Patientin durchführte. Das Organ wurde erst vor einer Viertelstunde mit dem Hubschrauber gebracht. Die Frühschicht hatte die Patientin für das Spenderorgan in höchster Eile vorbereitet und in den Operationssaal gebracht. Sie wurde in Narkose versetzt während sich Dr. Pineda umgezogen und eingewaschen hatte. Sofort danach begann die Operation. Einige Kolleginnen der Frühschicht assistierten bei dem Eingriff und waren deswegen beim Übergabegespräch entschuldigt. Priscila teilte direkt danach einige Schwestern ihrer Schicht ein, um die Arbeiterinnen der Frühschicht abzulösen. Immerhin hatten sie ja auch Feierabend und die Stationsleiterin wollte sie nicht länger da behalten als nötig. Dr. Pineda hatte man sicher aus dem Haus geklingelt und so schnell wie möglich in die Klinik gebracht. Priscila stellte sich die Frage, warum Dr. Alcantara die Operation nicht durchführte, obwohl er bereits seit dem frühen Morgen hier war. Die Antwort darauf würde sie später von ihrem Oberarzt erhalten.
Als die Übergabe beendet war, schloss Priscila die Tür wieder auf und die eingeteilten Schwestern machten sich auf in den abgesperrten Operationsbereich. Sie selbst übernahm einen Dienst auf der Station, um die Kolleginnen zu unterstützen. Immerhin war sie gelernte Krankenschwester und wenn Not am Mann war, ließ sie ihre Arbeit im Büro sausen und half auf der Station aus. Bei ihren Mitarbeiterinnen war sie daher auch sehr beliebt. Sie war sich nicht zu schade über einige Stunden hart anzupacken, obwohl sie selbst genug Arbeit in ihrem Büro liegen hatte. Die Patienten sollten nicht darunter leiden, wenn sie gerade schwer beschäftigt waren.
Auch Herminia bewunderte ihre Stationsleiterin für die Opferbereitschaft, die sie immer wieder zeigte. Die Oberschwester ihrer Schicht bedankte sich, in einer ruhigen Minute bei der Stationsleiterin für die Hilfe während einige Kolleginnen noch mit Dr. Pineda im OP standen. Als die Operation beendet war und sie mit dem Oberarzt zurückkehrten, blieb sie noch eine Stunde auf der Station. Dr. Pineda war nach der gelungenen Operation ein bisschen geschlaucht, aber setzte sich mit Priscila zusammen in sein Büro.
»Die haben mich heute Mittag beim Essen angerufen und in die Klinik bestellt als das Organ bereits auf dem Weg hierher war«, beschwerte er sich.
Die Stationsleiterin fragte »Warum hat Alcantara nicht die Operation übernommen, er war doch sowieso schon hier?«
Der Oberarzt zuckte die Schultern »Ich weiß es nicht. Die ganze Aktion war meiner Meinung nach komisch.«
»Inwiefern komisch?«
»Die Patientin war nicht einmal angemeldet, war aber bereits auf dem Weg in die Klinik, als das Organ noch nicht einmal unterwegs war«, sagte er müde.
Priscila schüttelte den Kopf »Wie geht denn so was? Eine Patientin macht sich doch nicht auf Verdacht auf den Weg zur Klinik, ohne dass sie weiß, dass ein Organ verfügbar ist und für sie passt.«
»Das macht es ja so komisch. Die Patientin brauchte bis in die Klinik sechs Stunden, das Organ aber nur knapp vier Stunden, bis es hier war. Sie muss also schon zwei Stunden vorher informiert gewesen sein, obwohl wir noch nicht mal davon wussten«, bestätigte er.
»Wo kam das Herz denn her?«
»Laut den Papieren kam das Herz aus Ungarn, hab ich gesehen«, gab der Oberarzt die Informationen weiter.
Priscila nahm die Papiere an sich und ließ den Oberarzt nach der anstrengenden Operation alleine in seinem Büro zurück. Schon während sie den Gang zu ihrem Büro langlief, blätterte sie in der Akte und zog die wichtigsten Informationen heraus. Die Patientin war tatsächlich sechs Stunden vorher schon auf dem Weg in die Klinik Saint Helena in Sevilla. Da hatte das Herz aus Ungarn noch das Blut in einem anderen Körper in die Aorta gepumpt. Das war eigentlich gar nicht möglich, denn ein Herz konnte eigentlich nur postmortem entnommen werden. Zumindest müsste ein Ärzteteam den endgültigen Hirntod der Patientin feststellen, bevor man sie noch künstlich durch eine Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten konnte. Dann musste das Herz innerhalb von sechs Stunden am Zielort ankommen, um eingesetzt zu werden. Dafür müsste dann bereits ein Ärzteteam bereitstehen und die Operation so lange vorher beginnen, damit sie das Herz umgehend verpflanzen konnten. In den meisten Fällen, insbesondere wenn es sehr eilig war, begann die Operation zu dem Zeitpunkt, an dem das Organ entnommen wurde und sich dann in einem gekühlten, versiegelten Behälter auf den Weg machte. Innerhalb von Europa gab es fast keinen Ort, der nicht in sechs Stunden zu erreichen war. Der Behälter wurde mit einem Hubschrauber zum Flughafen gebracht, dort verladen und zum Zielort geflogen. Dort wurde der Behälter wieder in den Hubschrauber verladen und direkt in die Klinik geflogen, wo die Operation derweil schon in vollem Gange war.
Sie brauchte die Information, wann die Spenderin für Tod erklärt worden war, damit das Organ entnommen werden konnte. In ihrem Büro angekommen schnappte sie sich ihr Telefon und rief bei Eurotransplant an, der Organisation die gespendete Organe in Europa verteilte. Nach kurzer Wartezeit meldete sich die Anmeldestelle der Organisation.
»Mein Name ist Acosta, aus dem Saint Helena Klinikum in Sevilla, könnten sie mich bitte mit der Verwaltung verbinden?«
Die Stimme eines jungen Mannes erklang »Das tut mir leid Misses Acosta, die Verwaltung ist bereits im Feierabend und erst ab morgen früh 9 Uhr wieder erreichbar.«
»OK«, sagte Priscila etwas enttäuscht, »vielleicht können sie mir helfen. Ich habe hier eine Nummer eines Vorgangs und bräuchte die Information, wann der Tod der Spenderin festgestellt wurde.«
»Das sollte in meinem System hinterlegt sein«, gab er an. »Geben sie mir eine Sekunde das Interface aufzurufen.«
Priscila hörte im Hintergrund eine Tastatur klackern, als der junge Mann in seinem Computer nach der Eingabemaske suchte. Kurz darauf meldete er sich wieder »Gut, Misses Acosta, die Nummer des Vorgangs bitte.«
»847 293 HB 74 13«, diktierte Priscila die Nummer die sie aus ihren Unterlagen ablesen konnte. Am anderen Ende der Leitung hörte sie den jungen Mann die Nummer eingeben.
»Sind sie sicher, dass es die richtige Nummer ist Misses Acosta?«, fragte er.
Priscila sah noch einmal nach und diktierte die Nummer erneut. »Auf den Unterlagen steht die Nummer 847 293 HB 74 13.«
Der Mann stutzte, »Misses Acosta, unter dieser Vorgangsnummer ist keine Organspende registriert.«
»Wie ist das möglich? Ich habe hier die kompletten Unterlagen von Eurotransplant vor mir liegen, und diese Nummer ist darauf angegeben«, sagte sie leicht verwirrt.
»Möglich ist das eigentlich nicht!«, antwortete er und lieferte eine Erklärung dazu. »Jeder Vorgang bekommt eine Kennnummer, die einem Standort zugeordnet werden kann. Ihre Nummer beinhaltet die Ziffern HB, was bedeutet, dass ihr Organ aus Budapest stammt. In Budapest wurde diese Vorgangsnummer aber nicht vergeben.«
Priscila fragte nach, »Passiert so etwas häufiger?«
Der junge Mann antwortete ihr, »Das passiert niemals. Jede Nummer wird von unserer Organisation vergeben, wenn eine Klinik meldet, dass es ein Spenderorgan gibt. Dann wird die Nummer generiert und die Begleitpapiere an die Klinik übermittelt, die sie dann ausdruckt und der Spende beilegt. Dort wo das Organ transplantiert wird, meldet man die Nummer an uns zurück, damit wir den Vorgang abschließen können.«
Priscila wusste, dass nach jeder Transplantation ihre Aufgabe war diese Nummer in einem System an ihrem Computer zu hinterlegen, was jeden Abend mit Eurotransplant synchronisiert wurde. Damit war die Nummer zurückgemeldet und alles war in Ordnung. Ihr stellte sich jetzt die Frage, was wohl passieren würde, wenn sie diese offensichtlich falsche Nummer an die Organisation zurückmeldete.
»Die Operation ist bereits beendet, das Organ verpflanzt und meine Aufgabe wäre jetzt diese Nummer in das System von Eurotransplant einzugeben, damit das alles abgerechnet werden kann. Was passiert, wenn ich eine offensichtlich nicht vergebene Nummer an sie zurückmelde?«, fragte sie.
»In diesem Fall wird die Nummer in unser System aufgenommen und die Patientin muss die gesamten Kosten übernehmen. Die Krankenkassen übernehmen in diesem Fall keinerlei Kosten«, erklärte er.
Priscila ging ein Licht auf. »Weiß der Patient davon bereits, bevor er das Organ bekommt, oder erfährt er es erst hinterher?«
»Der Patient wird vorab informiert, dass die Krankenkassen seine Behandlungskosten in diesem Fall nicht übernehmen werden. Was bedeutet das passiert eigentlich nur bei gut betuchten Patienten. Immerhin reden wir dabei von einem Betrag von knapp einer Million, zusätzlich zu den Folgekosten. Das Organ selbst wird beim Anbieter bezahlt, womit weder wir, noch die Krankenkassen etwas zu tun haben. Es kann also sein, dass Eurotransplant nichts damit zu tun hat, was dann auch die Nummer erklären würde, die bei uns nicht existiert«, bestätigte er.
»Ah, verstehe«, erklärte die Stationsleiterin. »Dann kann es also sein, dass es die Nummer einer anderen Organisation ist, die wir allerdings aufgrund unserer Verträge nur über Eurotransplant abrechnen können.«
»Ja, das ist möglich«, bestätigte der junge Mann am Telefon. »Woher die Nummer allerdings kommt, kann ihnen dann nur die Verwaltung sagen, das sehe ich in meinem System nicht.«
»Danke für die Auskunft«, sagte Priscila und beendete die Verbindung. Sie müsste morgen noch einmal bei der Organisation anrufen, um das zu bestätigen. Vorerst verzichtete sie allerdings darauf und kam ihrer Aufgabe nach, die Nummer bei Eurotransplant anzugeben. Als sie das erledigt hatte, griff sie erneut zum Telefon und wählte die Nummer ihres Oberarztes. Sie erzählte ihm, dass sie noch nicht bestätigen konnte, wann der offizielle Tod der Spenderin festgestellt wurde, aber das es kein Organ der Organisation war, deren Hauptsitz in Leiden in der Provinz Südholland lag. Offiziell war die 1967 ins Leben gerufene Organisation für acht europäische Staaten zuständig, um die Verfügbarkeit von Organen und Geweben zu optimieren. Daneben gab es noch einige andere Organisationen, die sich nicht nur auf einige Staaten konzentrierten, sondern auf den ganzen europäischen Raum. Daneben gab es natürlich auch noch ein paar Anbieter, die auf der ganzen Welt aktiv waren und die Organspende zu einem natürlichen Vorgang zu machen. Der Oberarzt erinnerte Priscila noch einmal daran in der Verwaltung nachzufragen. Es war ihm wichtig, zu erfahren, wieso die Patientin so früh unterwegs sein konnte und sogar noch Zeit blieb, ihn in die Klinik zu holen.
Die letzte Stunde ihrer Arbeitszeit nutzte die Stationsleiterin dafür, den Schwestern ihrer Abteilung noch einmal unter die Arme zu greifen. Es war durch die ungeplante Operation zu vielen Versäumnissen gekommen, die aufgeholt werden mussten, und sie wollte das nicht alles ihren Kolleginnen aufbürden. Sie stellte sich in den Dienst der Allgemeinheit und wurde dafür von den Schwestern geschätzt. Das Arbeitsklima in ihrer Schicht war ausgezeichnet, weil sich jeder auf den anderen und auf die Stationsleiterin verlassen konnte. Für den Freitag plante sie bereits noch eine kleine Überraschung, die sie allerdings noch geheim hielt. Die Lernschwester Herminia, die Priscila zu ihrem persönlichen Vorbild erklärt hatte, fühlte sich sehr wohl mit dem Team arbeiten zu dürfen. Ihr gab es die Gelegenheit vieles von ihrem Vorbild abzuschauen und nicht ihre eigenen Probleme in den Vordergrund zu stellen, sondern das zu tun was für alle am besten war.
Priscila trichterte ihr das auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder ein. Im Krankenhaus ging es nicht um sie alleine. Die Kolleginnen waren immer wieder, im Rahmen ihrer Arbeit, auf Unterstützung angewiesen. Priscila hatte ebenfalls in dieser Abteilung ihr Handwerk gelernt und wusste, das in jedem Krankenhaus das Personal klein gehalten wurde. Die Lohnkosten waren die größten Ausgaben, die eine Klinik regelmäßig leisten musste, und man deshalb den Personalbedarf auf das absolute Minimum reduzierte. Der Fehler im System waren die privatisierten Kliniken, denen die Gesundheit der Menschen nicht das Geringste bedeutete. Es ging in erster Linie um das Geld, was am Ende übrig blieb. Die gesetzlichen Krankenkassen verschärften diesen Prozess noch einmal, in dem sie immer versuchten so wenig wie nur irgend möglich zu bezahlen. Viele Behandlungsmethoden übernahmen sie gar nicht erst und versuchten, auch bei den Regierungen der einzelnen Länder die Leistungen weiter zu verringern. Das wiederum führte dazu, dass die Kliniken, um auf ihren Verdienst zu kommen, an allen Ecken und Enden sparte. Das große Geld machten sie mit den privatversicherten Patienten, die für weniger Beiträge die bessere Versorgung bezahlt bekamen. Sie waren den Kliniken die liebsten Kunden, weil es den Versicherungen nicht auf das Geld ankam. Sie handelten das selber aus und bezahlten auch die teuersten Behandlungen für ihre Kunden. Der Großteil der Patienten allerdings, war gesetzlich krankenversichert, was bei den Arbeitnehmern im Gesundheitsbereich immer wieder zu weiteren Verschärfungen führte. Sie als Team mussten zusammenhalten und dafür trug auch Priscila ihren Teil bei, obwohl sie offiziell nicht mehr für diese Aufgaben zuständig war. Aber es gab auch immer mal wieder Situationen, in den eine Kollegin dringend eine Pause brauchte. Im Laufe der Jahre hatte sie ein feines Gespür dafür entwickelt. Auch die überzogenen Pausen, die sie mit Herminia verbrachte, dienten dazu, ihr eine Ablenkung zu bieten. Außerdem konnte sie damit noch ein bisschen korrigierend eingreifen, falls sich die Lernschwester selbst übernahm.