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Kapitel 6 Bahamas, Nassau

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Nach den drei Hoch­zei­ten und den an­schlie­ßen­den Flit­ter­wo­chen, die das Te­am ge­nie­ßen durf­te, sa­ßen sie wie­der in ih­rem Bü­ro zu­sam­men. In der letz­ten Wo­che hat­ten sie sich al­le Ge­dan­ken dar­über ge­macht, wie sie für ih­re ei­ge­ne Si­cher­heit sor­gen konn­ten. Der letz­te Auf­trag hat­te ih­nen vor Au­gen ge­führt, wie ein­fach es war die Te­am­füh­re­rin Liz Croll auf­zu­spü­ren und einen Kil­ler auf sie an­zu­set­zen. Leo­nie dräng­te dar­auf­hin ih­ren Mann, vor­sorg­lich für die Si­cher­heit au­ßer­halb der Ar­beit zu sor­gen. Mi­cha­el hat­te sich vie­le Ge­dan­ken dar­über ge­macht und prä­sen­tier­te dem Te­am jetzt die Lö­sun­gen. Zu­sam­men sa­ßen sie in ih­rer So­fae­cke, zu der selbst Ja­son Croll ge­kom­men war. Er hat­te zu die­sem Zweck so­gar sei­ne Bar für einen gan­zen Tag ge­schlos­sen. Nun saß er zwi­schen den Agen­ten und Mi­cha­el er­klär­te, was er sich aus­ge­dacht hat­te.

»Im Prin­zip sind wir, mit Aus­nah­me von Queen Croll und ih­rem jet­zi­gen Ehe­mann Ja­son, ei­gent­lich si­cher. Nie­mand kennt un­se­re Adres­sen hier auf der In­sel, al­ler­dings ge­hen wir zu un­be­darft mit un­se­ren Na­men um. Da­rum ha­be ich, in Ab­spra­che mit den ört­li­chen Be­hör­den ein klei­nes Kon­zept ent­wi­ckelt und auch schon ei­ni­ges da­von um­ge­setzt. Al­le un­se­re Na­men tau­chen nicht mehr bei den Be­hör­den auf. Liz und Ja­son hei­ßen bei den Be­hör­den Ka­ren und Da­vid Bos­well und ih­re Adres­se lau­tet Gan­ta­ry Drive 2. Die­se Adres­se gibt es auf der In­sel nicht, falls ihr euch fragt, wo das sein soll. Die Na­men Liz und Ja­son Croll gibt es hier nicht mehr. Auch Ja­sons Bar läuft jetzt auf den Na­men Da­vid Bos­well. Al­ler­dings soll­tet ihr bei­den noch um­zie­hen. Eu­re jet­zi­ge Un­ter­kunft wird nicht wei­ter ver­mie­tet, die Be­hör­den kau­fen es und las­sen es dann Leer­ste­hen. Dort woh­nen of­fi­zi­ell noch Liz und Ja­son Croll, was sich auch nicht än­dern wird. Das be­deu­tet, wir ha­ben euch in Si­cher­heit ge­bracht. Die Adres­sen von Mi­ke und Leo­nie sind nicht be­kannt ge­wor­den, was be­deu­tet wir müs­sen nicht um­zie­hen, al­ler­dings sind un­se­re Na­men und auch die Adres­sen ge­än­dert wor­den. Ka­rya­ni hat den Na­men Eli­sa er­hal­ten, und Mi­ke ist jetzt of­fi­zi­ell Da­niel West­cliff. Eu­re of­fi­zi­el­le Adres­se lau­tet Blos­som Street 19. Auch da steht kein Haus, was sich fin­den lässt. Do­lo­res heißt ab so­fort Es­me­ral­da Oli­vi­e­ra und wohnt in der fin­gier­ten Adres­se Vie­ra Street 5. Leo­nie und ich ha­ben die Na­men Leilan­ni und Richard Dell­man und woh­nen un­ter der falschen Adres­se Ba­se­way 25. Die Aus­wei­se be­kom­men wir noch«, er­klär­te er.

Do­lo­res schüt­tel­te den Kopf »Ich glau­be nicht, dass wir da­mit si­cher sind Micha. Un­se­re Real­na­men sind ja be­kannt bei den of­fi­zi­el­len Stel­len.«

Al­le stimm­ten ihr zu, nur Mi­cha­el grins­te sie an. »Un­se­re rich­ti­gen Na­men wur­den be­reits aus der Da­ten­bank ge­löscht und auf die In­sel Long Is­land ver­scho­ben. Of­fi­zi­ell ist be­kannt, dass wir auf den Ba­ha­mas le­ben, nicht aber wo. Al­so sind wir al­le auf Long Is­land ge­mel­det und nicht in Nassau. Uns wur­de dort üb­ri­gens auch ein Bü­ro zur Ver­fü­gung ge­stellt. Zu­ge­ge­ben, es ist ei­ne um­ge­bau­te Scheu­ne, aber es soll ja nur den An­schein er­we­cken das wir dort ar­bei­ten wür­den. Die­ses Bü­ro wird üb­ri­gens von den Be­hör­den über­wacht. Je­der der sich dort zeigt, wird ver­haf­tet und kom­plett durch­leuch­tet, und die Da­ten be­kommt Rhon­da Mil­ler, die sie an uns wei­ter­lei­tet.«

»Dann sind wir al­so hier si­cher, wenn Liz und ich um­ge­zo­gen sind?«, woll­te Ja­son wis­sen.

Mi­cha­el nick­te zu­stim­mend. »Wir sind hier si­cher. Rhon­da schickt uns auch neue Aus­wei­se zu, die al­le den Nach­na­men Smith tra­gen. Wenn wir al­so ir­gend­wo auf der Welt vor­stel­lig wer­den hei­ßen wir al­le Agent Smith und sind nur durch die Vor­na­men zu un­ter­schei­den.«

»Hört sich ja an wie in dem Film Ma­trix«, scherz­te Ka­rya­ni la­chend.

»Da­von ist es auch ab­ge­kup­fert Mis­ses West­cliff«, be­stä­tig­te Mi­cha­el.

Liz und Ja­son be­rie­ten sich, wo sie denn hin­zie­hen soll­ten um in Si­cher­heit zu sein, aber auch da­für hat­te Mi­cha­el be­reits ei­ne Lö­sung ge­fun­den. Zu­sam­men mit den Be­hör­den in Nassau hat­te er einen Bau­platz au­ßer­halb der Stadt ent­deckt, und durch das Bau­pro­jekt mit Leo­nie und Do­lo­res einen gu­ten Archi­tek­ten an der Hand. Zu­sam­men mit den bei­den Frau­en hat­te er ent­schie­den den bei­den un­ter die Ar­me zu grei­fen, wenn sie ein neu­es Haus bau­en woll­ten. Das Haus was er mit Leo­nie neu ge­baut hat­te, wur­de im letz­ten Jahr gleich drei­mal um­ge­baut. Ein­mal hat­ten die bei­den es noch ver­grö­ßern las­sen, nach­dem dann Do­lo­res bei ih­nen ein­ge­zo­gen war, wur­den die Schlaf­zim­mer um­ge­baut und zu­letzt als die bei­den Ba­bys auf die Welt ka­men. Im Hin­blick dar­auf, dass Liz und Ja­son eben­falls einen klei­nen Sohn be­kom­men hat­ten, wä­re ein Haus für die bei­den si­cher ei­ne bes­se­re Idee, als ei­ne neue Miet­woh­nung zu su­chen. Die bei­den sa­hen das ähn­lich und lie­ßen sich von Mi­cha­el ger­ne die Da­ten des Archi­tek­ten ge­ben. Der Bau­platz, den die Be­hör­den ih­nen ge­sucht hat­ten, war gar nicht weit von Mikes Woh­nung ent­fernt.

Da­mi­en, der Sohn von Liz und Ja­son, der bis da­hin fried­lich in sei­nem Tra­ge­bett­chen schlief, war der Ers­te, der an­fing zu schrei­en. Kaum hör­ten die bei­den Mäd­chen das Ge­schrei, fin­gen auch sie an zu heu­len. Die drei Müt­ter küm­mer­ten sich lie­be­voll um die klei­nen und Mi­cha­el ver­ab­schie­de­te sich kurz in die Kü­che. Er hat­te in wei­ser Voraus­sicht einen großen Vor­rat an Gläs­chen­nah­rung für die Kin­der im Bü­ro zwi­schen­ge­la­gert. So­lan­ge sie in ih­rem Bü­ro ar­bei­te­ten, brach­ten sie die Kin­der im­mer mit. Nur bei Au­ßen­e­in­sät­zen blie­ben sie bei Ja­son, der sich um sie küm­mer­te, wäh­rend die Müt­ter ih­rer Ar­beit nach­gin­gen. An­statt nur den Ba­bys aber Nah­rung im Glas zu brin­gen, be­rei­te­te er für das gan­ze Te­am Brei vor. Den Gries­brei hat­te er für das gan­ze Te­am ge­kocht und ser­vier­te ihn nun für al­le mit fri­schen Kir­schen.

Mi­ke be­schwer­te sich über den Brei, »Als Vor­spei­se ak­zep­tie­re ich den Brei ja noch, aber was gibt es da­nach?«

»Für dich«, lach­te Mi­cha­el, »gibt es hin­ter­her noch et­was an­de­res.«

»Und was?«, woll­te der Ha­cker wis­sen, der für die­sen Ein­wand von sei­ner Frau einen lie­be­vol­len Klaps be­kam.

Korn grins­te ihn an und sag­te ihm dann, »Es fängt mit T an und en­det mit it­ten!«

Mi­ke schiel­te auf die Ober­wei­te sei­ner Frau, und auch Leo­nie und Liz mach­ten große Au­gen. Nur Mi­cha­el schüt­tel­te grin­send den Kopf, als er fort­setz­te, »Nicht das, was du wie­der denkst, du al­tes Fer­kel. Tief­kühl­frit­ten wä­re die rich­ti­ge Ant­wort ge­we­sen!«

Die gan­ze Run­de muss­te über die­sen Scherz la­chen, bis Ka­rya­ni zu ih­rem an­ge­trau­ten Gat­ten sah und sag­te, »Und das er­fah­re ich erst drei Wo­chen nach der Hoch­zeit?«

Liz lach­te die bei­den an »Ihr fei­ert ja auch bald Blu­men­hoch­zeit.«

»Was ist denn ei­ne Blu­men­hoch­zeit?«, woll­te Ka­ry wis­sen.

Mi­cha­el ant­wor­te­te für die Te­am­che­fin, »Blu­men­hoch­zeit ist, wenn die Frau­en ver­wel­ken und die Män­ner ver­duf­ten!«

»Ich hab den Mann ge­ra­de erst ge­hei­ra­tet, der darf nicht ver­duf­ten«, er­reg­te sich Ka­rya­ni, »und was heißt hier ver­wel­ken, ich bin ge­ra­de mal 34 Jah­re alt.«

»Dann hab ich ja noch vier Jah­re gut«, scherz­te Leo­nie mit ei­nem ver­lieb­ten Blick zu Mi­cha­el.

Mi­cha­el schau­te sei­ne Frau an und lä­chel­te selbst­be­wusst, »Du glaubst doch nicht wirk­lich, dass ich dich je­mals ge­hen las­se mein Herz. So lan­ge du mich willst, und ich hof­fe, das sind noch die nächs­ten 100 Jah­re, wirst du mich nicht mehr los.«

Liz warf einen Blick zu Ja­son, der nur mil­de nick­te und sei­ner Frau non­ver­bal das glei­che Ver­spre­chen gab, grins­te zu­frie­den. Do­lo­res nahm der­weil Ka­rya­ni in den Arm und ver­si­cher­te ihr das Micha nur Spaß mach­te. Er kam auch noch selbst auf die Frau mit der glän­zen­den gol­de­nen Haut zu und leg­te ihr sanft die rie­si­ge Pran­ke auf die Schul­ter, als er sag­te, »Nimm es nicht zu Ernst Ka­ry, das war nur ein Spaß. Du bist ge­ra­de mal ein paar Ta­ge äl­ter als mei­ne ge­lieb­te Frau. Wenn man Gerüch­ten glau­ben schen­ken darf wer­den Frau­en nicht äl­ter als 40, da­nach sam­meln sie nur noch Er­fah­rung!«

Die Tech­ni­k­ex­per­tin des Te­ams fing hef­tig an zu la­chen, klopf­te Mi­cha­el auf die Schul­ter und rief, »Ich hab dich rein­ge­legt du al­ter Sack.«

»Das ver­bit­te ich mir«, grins­te Micha. »Ich bin erst 40 mit drei Jah­ren Er­fah­rung. Jetzt esst eu­ren Gries­brei, da­mit ihr groß und stark wer­det, vor al­lem Mi­ke hat da noch Nach­hol­be­darf.«

»Apro­pos Nach­hol­be­darf Micha und Liz«, sag­te der Ha­cker in Ge­dan­ken. »Heu­te Mor­gen kam ei­ne ko­mi­sche Mel­dung rein. In Ams­ter­dam hat man einen Tor­so ge­fun­den, der von Tie­ren ziem­lich zer­fetzt wur­de. So weit ei­gent­lich nicht un­ge­wöhn­lich, aber man hat fest­ge­stellt, dass die­ser Lei­che wich­ti­ge in­ne­re Or­ga­ne fehl­ten, die fach­män­nisch ent­fernt wur­den. Un­ter an­de­rem auch das Herz. Sie woll­ten wis­sen, ob es in letz­ter Zeit ver­gleich­ba­re Fäl­le ge­ge­ben hat. Ich ha­be da­nach un­se­re Da­ten­ban­ken durch­sucht, und jetzt hal­tet euch fest. In den letz­ten vier Mo­na­ten gab es ins­ge­samt fünf ähn­li­che Fäl­le, über halb Eu­ro­pa ver­teilt in de­nen man Lei­chen fand, de­nen Or­ga­ne ent­nom­men wur­den.«

Liz frag­te nach »Okay, Mi­ke, aber was hat das jetzt mit uns zu tun?«

»Il­le­ga­ler Or­gan­han­del ge­hört mit zu den Kern­auf­ga­ben von In­ter­pol«, er­klär­te der Ha­cker.

Micha schal­te­te sich in das Ge­spräch ein, »Rhon­da hat uns noch nicht an­ge­for­dert, viel­leicht küm­mert sich aber auch schon das Te­am von Amy Vaughn dar­um. Die sind ja in Ita­li­en viel nä­her dran als wir.«

»Nein Micha«, be­lehr­te ihn Do­lo­res. »Amy ist mit ih­rem Te­am an meh­re­ren Ein­brü­chen dran die an­statt Geld nur Gold­bar­ren ein­ge­packt ha­ben. Wir sind der­zeit als ein­zi­ges Te­am frei.«

Leo­nie wisch­te Emi­lia vor­sich­tig ein biss­chen Brei aus dem Ge­sicht, als sie frag­te, »Soll­ten wir Rhon­da an­ru­fen, oder war­ten bis sie sich mel­det?«

Die Te­am­che­fin hat­te ih­ren Sohn auf dem Arm, neck­te ihn mit ih­rer Na­se im Ge­sicht als sie in kind­li­chem Plau­der­ton, »Sie mel­det sich schon, wenn sie es für er­for­der­lich hält«, sag­te.

Man konn­te ihr an­se­hen wie glück­lich sie mit Da­mi­en und ih­rem Mann Ja­son war. Lon­don, die eng­li­sche Haupt­stadt in der sie vor ge­fühl­ten zehn Jah­ren als Po­li­zis­tin ge­ar­bei­tet hat­te, war in­zwi­schen kom­plett ver­ges­sen. Sie war sehr zu­frie­den bei In­ter­pol ein ei­ge­nes Te­am zu lei­ten, mitt­ler­wei­le auf den Ba­ha­mas zu le­ben und im pri­va­ten Um­feld gu­te Freun­de ge­fun­den zu ha­ben. Ihr Mann und die Ge­burt ih­res Soh­nes, emp­fand sie als ihr größ­tes Glück. Ihr war nicht wirk­lich nach Ar­beit zu­mu­te. Lie­ber wür­de sie wei­ter bei Da­mi­en blei­ben, und ihn mit ih­rer Mut­ter­lie­be zu über­schüt­ten, an­statt sich ir­gend­wo auf der Welt um Ver­bre­cher zu küm­mern. Al­ler­dings war das na­tür­lich ihr Job und sie be­kam die An­wei­sun­gen aus Ly­on von Rhon­da Mil­ler, über den Um­weg Ber­nand Rous­sel der als Ver­bin­dungs­mann fun­gier­te. Ihr Glück mein­te es wirk­lich gut mit ihr. Der ehe­ma­li­ge Kotz­bro­cken Mi­cha­el Korn, der jetzt mit Leo­nie und Do­lo­res sein per­sön­li­ches Glück ge­fun­den hat­te, avan­cier­te lang­sam zu ih­rem per­sön­li­chen Schutz­en­gel. Nach ih­rem ers­ten zu­sam­men­tref­fen am Flug­ha­fen von Ly­on und den Wir­run­gen im Fall Pro­jekt Lu­ci­en rauf­ten sie sich zu­sam­men. Mi­cha­el, der von sei­ner Herz­da­me Leo­nie ge­zähmt wur­de, sorg­te sich um das leib­li­che Wohl des ge­sam­ten Te­ams, war ein her­vor­ra­gen­der Er­mitt­ler und küm­mer­te sich auch um die Si­cher­heit ih­rer Ein­heit.

Korn selbst fühl­te sich in die­sem Te­am und der Kon­stel­la­ti­on zu Hau­se und gut auf­ge­ho­ben. Sein gan­zes Le­ben war ge­zeich­net von Lei­den, bis ihn schließ­lich die ehe­ma­li­ge Auf­trags­mör­de­rin Leo­nie aus sei­nem Tief be­frei­en konn­te. Sie hat­te mit ihm den Mann ih­rer Träu­me ge­fun­den. Als dann auch noch, bei ih­rem letz­ten Auf­trag, Do­lo­res zu ih­nen kam, war ihr Le­ben per­fekt. Die Ge­burt ih­rer Toch­ter und die bei­den Hoch­zei­ten mit Micha und Do­lo­res wa­ren bis da­hin die größ­ten Er­leb­nis­se in ih­rem Le­ben. Die ehe­ma­li­ge Auf­trags­kil­le­rin hat­te es ge­schafft, ihr al­tes Le­ben hin­ter sich zu las­sen und al­les zu fin­den, was sie sich je­mals er­träu­men konn­te. Zu­sam­men mit ih­ren Freun­den durf­te sie Ver­bre­cher zur Stre­cke brin­gen. Der Bo­nus da­bei war, dass sie über­all auf der Welt ih­rer Lei­den­schaft für das Schie­ßen nach­ge­hen durf­te.

Ka­rya­ni und Mi­ke, die eben­falls vor ih­rer Tä­tig­keit bei In­ter­pol ge­gen vie­le in­ter­na­tio­na­le Ge­set­ze ver­sto­ßen hat­ten, fühl­ten sich in ih­rer jet­zi­gen Funk­ti­on eben­falls sehr wohl. Die bei­den konn­ten sich auf ih­re Kol­le­gen ver­las­sen. Liz, die Te­am­che­fin setz­te ih­re Fä­hig­kei­ten wei­se ein. Micha gab ih­nen, zu­sam­men mit sei­ner Leo­nie die nö­ti­ge Si­cher­heit und ta­ten al­les da­für, da­mit nie­man­dem et­was pas­sier­te. Zu­dem be­ka­men sie von In­ter­pol al­les, was sie woll­ten ge­stellt, und das war im Tech­nik- und Com­pu­ter­be­reich nicht ge­ra­de bil­lig. Vor al­lem für den letz­ten Auf­trag hat­te Mi­cha­el dar­auf be­stan­den das Ka­ry al­les für ei­ne kom­plet­te Über­wa­chung be­sorg­te, was aber am En­de nicht wirk­lich be­nö­tigt wur­de. Be­hal­ten hat­te das Te­am das be­sorg­te Equip­ment trotz­dem. Man konn­te ja nie wis­sen, wann man es mal wie­der be­nö­ti­gen wür­de.

Kurz da­nach klin­gel­te das Mo­bil­te­le­fon der Te­am­che­fin Liz Croll. Sie be­kam von ih­rem Kon­takt­mann Ber­nand Rous­sel die An­wei­sung sich mit ih­ren Leu­ten in die Er­mitt­lun­gen zu den mög­li­chen Ver­bre­chen des il­le­ga­len Or­gan­han­dels ein­zu­schal­ten. Be­drückt sah sie erst zu ih­rem Mann, be­vor sie sich an ih­re Mit­strei­ter wand­te. Das gan­ze Te­am wur­de von ihr in­for­miert. Mi­ke, der Ha­cker der be­reits In­for­ma­tio­nen da­zu im Sys­tem von In­ter­pol ge­fun­den hat­te, wur­de von ihr ge­be­ten das Te­am ins Bild zu set­zen. Er stell­te sei­nen Tel­ler mit dem mitt­ler­wei­le er­kal­te­ten Gries­brei auf den Tisch, lehn­te sich ge­müt­lich an sei­ne Ka­rya­ni und be­gann zu re­fe­rie­ren.

»Al­so, wie vor­her schon ge­sagt. In Ams­ter­dam fand man die Lei­che, der meh­re­re Or­ga­ne pro­fes­sio­nell ent­fernt wur­den. Zu­vor gab es be­reits vier ähn­li­che Fäl­le in Brüs­sel, Mainz, Mai­land und Bern. Der Mo­dus Ope­ran­di ist in al­len Fäl­len sehr ähn­lich. Die Op­fer wur­den in öf­fent­li­chen Lo­ka­len, die man be­sucht, um mit dem an­de­ren Ge­schlecht in Kon­takt zu kom­men, mit­ge­nom­men. Zu­min­dest war das bis­her in den vier ver­gan­ge­nen Ver­bre­chen der Fall. Die­se gan­zen Fäl­le könn­ten in ei­nem Zu­sam­men­hang ste­hen, al­ler­dings ist der Zeit­rah­men et­was grö­ßer. Der Fall in Brüs­sel ist be­reits schon fünf Mo­na­te her. Das Op­fer war ei­ne 32-jäh­ri­ge Metz­ge­rei­fachan­ge­stell­te, die am Wo­che­n­en­de zu­letzt mit ei­nem jün­ge­ren Mann ge­se­hen wur­de. Zwei Wo­chen spä­ter fand man die Lei­che der Frau in ei­nem Wäld­chen. Sie war dort ver­gra­ben wor­den, bis Tie­re sie wie­der aus­ge­gra­ben ha­ben und ein­zel­ne Tei­le in ei­nem Um­kreis von 60 m ver­streu­ten. Die Ob­duk­ti­on er­gab, dass ihr die lin­ke Nie­re und ein großer Teil der Le­ber pro­fes­sio­nell her­aus­ge­schnit­ten wur­den. Von der Le­ber fand man bei den Lei­chen­tei­len nur noch Res­te. Die Nie­re blieb ver­schwun­den. Das Op­fer in Mainz war Nach­rich­ten­re­dak­teu­rin bei ei­nem lo­ka­len Ra­dio­sen­der, die zu­letzt in ei­ner Dis­co­thek in der In­nen­stadt ge­se­hen wur­de. Die Lei­che fand man ei­ni­ge Ta­ge spä­ter an der Mün­dung des Main in den Rhein. Sie war mit schwe­ren Stei­nen be­schwert und an­ge­leint ver­senkt wor­den. Ei­ne der Lei­nen hat­te sich ge­löst und Tou­ris­ten konn­ten sie von ei­nem Aus­sichts­punkt in der Nä­he ent­de­cken. Ihr war das Herz und die Lun­ge, aus dem Kör­per ge­schnit­ten. In Mai­land traf es einen 36-jäh­ri­gen Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten, dem man die ge­sam­te Le­ber ent­nahm und die Lei­che durch Zu­fall in ei­nem Ab­was­ser­schacht bei Rei­ni­gungs­ar­bei­ten ent­deck­te. Die letz­te Lei­che, die man in Bern fand, stammt von ei­nem 53-jäh­ri­gen Ton­tech­ni­ker. Ihm hat­te man ne­ben dem Herz, bei­de Nie­ren und einen Teil der Le­ber ent­nom­men. Das ist jetzt zwei Mo­na­te her. Laut den Er­mitt­lun­gen der ört­li­chen Be­hör­den, in den ver­schie­de­nen Län­dern, wa­ren al­le Op­fer noch am Le­ben, als man sie auf­ge­schlitzt hat. Kein ein­zel­nes Or­gan wur­de post­mor­tem ent­nom­men.«

Al­le hat­ten ihm auf­merk­sam zu­ge­hört. Ka­rya­ni muss­te wäh­rend sei­nes Mo­no­logs mehr­fach schlu­cken. Leo­nie, die eng an Do­lo­res ge­ku­schelt auf dem So­fa lag, be­kam im­mer grö­ße­re Au­gen. Mi­cha­el saß ne­ben den bei­den und hat­te ent­spannt die Au­gen ge­schlos­sen, wäh­rend Liz mit ih­rem Sohn Da­mi­en ki­cher­te. Ihr frisch an­ge­trau­ter Mann Ja­son hat­te sich nach den ers­ten schreck­li­chen Be­rich­ten vor die Tür ge­stellt. Er woll­te so et­was nicht hö­ren müs­sen. Do­lo­res hat­te sich al­les ru­hig und oh­ne Ge­fühls­re­gung an­ge­hört, wäh­rend sie see­len­ru­hig ih­re Leo­nie strei­chel­te. Die bei­den Töch­ter la­gen ne­ben dem So­fa in ih­rem Bett­chen und schlie­fen. Sie war die Ers­te, die das Wort er­griff.

»Gibt es Bil­der oder Na­men der Per­so­nen, die man zu­letzt mit den spä­te­ren Op­fern sah?«

Mi­ke schüt­tel­te den Kopf, als er ant­wor­te­te, »Es gab zwar Bil­der von Über­wa­chungs­ka­me­ras in den je­wei­li­gen Lä­den, aber die Per­so­nen konn­te man we­der iden­ti­fi­zie­ren noch im Rah­men der Er­mitt­lun­gen auf­spü­ren.«

Mi­cha­el, der im­mer noch die Au­gen ge­schlos­sen hielt, dreh­te sei­nen Kopf in die Rich­tung von Mi­ke und frag­te, »Wel­che Me­di­ka­men­te fand man im Blut der Op­fer?«

»Me­di­ka­men­te?«, frag­te Mi­ke et­was un­si­cher. »Wie kommst du dar­auf?«

»Du bist mir ei­ne Leuch­te«, mur­mel­te er, »wie vie­le Ver­rück­te mag es wohl auf der Welt ge­ben, die sich frei­wil­lig das Ge­schrei an­tun, wenn man ei­nem noch Le­ben­den ei­ne Nie­re aus dem Wanst schnei­det?«

»Gu­ter Punkt Micha«, lob­te Liz. »Über die be­nutz­ten Nar­ko­ti­ka könn­ten wir viel­leicht ei­ne Quel­le aus­ma­chen.«

Der Ehe­mann von Leo­nie lehn­te sich zu­rück und sag­te, »Da­rauf woll­te ich gar nicht hin­aus. Mir ging es in ers­ter Li­nie dar­um, zu er­fah­ren, ob das viel­leicht ein Arzt ist, der Geld braucht und da­für an sei­nem Ar­beits­platz Me­dis mit­nimmt, oder ob es um einen geht, der mög­li­cher­wei­se et­was in die­ser Rich­tung ge­lernt hat und mit il­le­ga­len Mit­teln ar­bei­tet.«

Do­lo­res mel­de­te sich zu Wort, »Ehr­lich mal, ich kann vor euch bei­den nur den Hut zie­hen.«

»Lass den Hut auf, Dol­ly«, be­lehr­te Mi­cha­el die jun­ge Kom­missa­rin aus Ko­lum­bi­en. »Du bist so gut wie Liz und ich klei­nes Licht, nur musst du lang­sam ler­nen, dir selbst mehr zu­zu­trau­en.«

»Der Mann dei­ner Frau hat recht«, gab Liz zu. »Als ich we­gen der Schwan­ger­schaft mit Da­mi­en aus­ge­fal­len bin, hast du mei­nen Job über­nom­men. Nach al­lem was ich ge­hört ha­be, und das war ei­ne gan­ze Men­ge, hast du einen wahn­sin­nig gu­ten Job ge­macht. Es ist nicht ein­fach, Leo­nie zu be­ein­dru­cken, aber du hast es so­gar fer­tig ge­bracht, dass sie dich ge­hei­ra­tet hat.«

Leo­nie setz­te sich auf, warf ihr einen fra­gen­den Blick zu und gab ihr einen klei­nen Klaps auf die Schul­ter, be­vor sie ein erns­tes Wort an ih­re Frau rich­te­te, »Sei nicht im­mer so weich! Ab und zu soll­te ich dir viel­leicht in den sü­ßen Hin­tern tre­ten. Du bist so gut wie Liz und Micha, und das weißt du auch.«

Die an­de­ren konn­ten Leo­nie nur zu­stim­men. Ka­rya­ni, die ne­ben der ehe­ma­li­gen Kom­missa­rin saß, beug­te sich zu ihr hin­über und flüs­ter­te, »Oh­ne dich hät­ten wir un­se­ren letz­ten Job nicht ge­löst. Micha hat dich trai­niert, oh­ne das du es ge­merkt hast. Du bist schon fast so gut wie er ge­wor­den.«

Dol­ly, wie sie von al­len ge­nannt wur­de, be­dank­te sich bei der gold­glän­zen­den Frau für ih­ren Zu­spruch, als Micha wie­der zu spre­chen be­gann, »Wenn Dol­ly dann end­lich wie­der fo­kus­siert ist, wür­de ich dann ger­ne wie­der auf un­se­ren Auf­trag zu spre­chen kom­men. So wie es der­zeit aus­sieht, ha­ben wir nicht vie­le An­halts­punk­te. Wie wol­len wir vor­ge­hen Liz?«

Die Te­am­che­fin setz­te ih­ren Sohn auf das So­fa im Bü­ro des Te­ams und er­hob sich. Lang­sam tipp­te sie sich mit dem Zei­ge­fin­ger auf ihr Kinn und dach­te nach. Es dau­er­te ei­ne gan­ze Wei­le, wäh­rend sie in­ten­siv nach­dach­te, was zu tun ist als ihr Te­am, ge­spannt auf ih­re An­wei­sun­gen war­te­te.

»Lasst uns pa­cken und dann nach Ams­ter­dam rei­sen. Mi­ke, du be­sorgst uns bit­te al­le Ak­ten der ver­gan­ge­nen Fäl­le. Wir se­hen sie uns auf dem Flug ge­nau­er an.«

Spur der Todesengel

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