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9. Kapitel Frankreich, Lyon
ОглавлениеIn dem Besprechungsraum von Interpol, inmitten eines großen Tisches aus Nussbaumholz stand ein kleiner Beamer, der eine Projektionsfläche an der Stirnwand des Raumes mit dem Logo von Interpol an die Wand warf. Kleine LED Spots in der Decke spendeten genug licht und tauchten den Raum in einen hellen Schein von kaltweißem Licht. Auf den braunen Ledersesseln hatten die anwesenden Platz genommen. Roussel saß am Kopfende des Tisches, Liz Croll links von ihm und Michael Korn rechts. Vor Roussel lag ein blauer Ordner mit dem aufgedruckten Logo von Interpol.
Roussel begann, mit einem deutlichen Akzent zu sprechen »Ich freue mich außerordentlich, dass sie beiden hier sind Miss Croll und Mister Korn. Wie sie wissen, handelt es sich um einen neuen Job. Bisher war es ja so, dass Interpol keine eigenen Agenten ins Feld schicken konnte. Das lag nicht zuletzt daran, dass alle Mitgliedsstaaten eine eigene, sogar mehrere, Polizeibehörden hat und es somit zu Verwicklungen von Interpol mit den jeweiligen Behörden geführt hätte. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit den einzelnen Staaten ist es uns, nicht zuletzt unter meiner Leitung gelungen diese Probleme aus dem Weg zu räumen. Jeder Mitgliedsstaat hat uns, nicht ohne Zugeständnisse, eingeräumt ein eigenes Team von Interpolagenten aufzubauen, die auch in jedem Mitgliedstaat die gleichen Befugnisse hat. Unser Computer hat dafür insgesamt vier Namen ausgespuckt mit den besten Kandidaten. Sie beiden sind zwei dieser Namen. Nummer 3 ist derzeit noch beschäftigt, wird aber in kürze zu ihnen stoßen. Nummer 4 allerdings, ist noch in den USA gebunden, sollte aber spätestens morgen hier eintreffen. Vorrangig jedoch sind sie beiden gefragt.«
Liz hörte staunend zu, während Korn einen geistig abwesenden Eindruck machte und mit seinen Fingern spielte. Sie hatte den Kotzbrocken bereits kennengelernt. Jetzt die Aussicht darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Roussel fuhr fort »Sie beiden kennen sich natürlich noch nicht, ich darf also ein bisschen was erzählen. Beginnen wir mit Miss Croll. Sie sind eine der besten Polizistinnen, die jemals eine Marke getragen hat. Wirklich beeindruckend. Trotz ihres Handicaps einer geringen Körpergröße sind sie eine der besten Ermittlerinnen geworden und sie scheuen sich nicht in körperliche Auseinandersetzungen zu gehen, noch dazu haben sie die Fähigkeit entwickelt Lügen zu erkennen. Sie sind kommunikativ und verfügen über einen großen Erfahrungsschatz.« Roussel musterte sie mit einem bewundernden Lächeln auf den Lippen.
»Nun zu Mister Korn. Ihr Dossier ist ebenfalls beeindruckend. Bodyguard, einer der ganz harten Sorte. Wachsam, eher still und, wie soll ich es ausdrücken, nicht gerade menschenfreundlich eingestellt. Gefahr ist scheinbar ihr zweiter Vorname, denn sie suchen geradezu verzweifelt danach. Ebenfalls in der Lage, Lügner zu entlarven. Beobachter ersten Ranges, es gibt vermutlich fast nichts, was ihnen entgeht und so logisch denkend wie ein Computer. Negativ anzusehen ist allerdings ihre Kommunikation. Beleidigend, arrogant und extrem zynisch mit dem Charme einer Dampframme. Allerdings auch dadurch ein Verhörspezialist. Und ich darf noch hinzufügen, wenn sie nicht gerade ihren Job verloren hätten, wären sie nicht hier. Eher würden sie eine Gefängnisstrafe absitzen. Wenn ich richtig informiert bin über 2 Jahre. Ist das korrekt?«
Roussel fixierte Korn und der hob an »Nicht ganz, eigentlich sind es 2 Jahre und 4 Monate« gab er etwas genervt zu. Liz kniff die Augen zusammen und dachte sich ihren Teil.
»Gibt es Fragen von ihnen beiden?« Fragte Roussel.
Liz, die bis dahin schweigend gelauscht hatte, fragte »Oh ja, die gibt es Monsieur Roussel. Wir sollen ein Team bilden, was sich allerdings schwer gestaltet, wenn Mister Korn uns wie Dreck behandelt und lieber sein eigenes Süppchen kocht. Zudem sagen sie, er würde eigentlich im Knast sitzen, wo er meiner Meinung nach auch hingehört. Dann sind da, nach ihrer Aussage, noch zwei Mitglieder, von denen wir bis hierhin noch nicht das Geringste erfahren haben. Bevor ich irgendwas zustimmen kann, möchte ich gerne die genauen Fakten kennen, wenn sie verstehen.«
Korn stand auf und ging durch den Raum zum Fenster. Er blickte in die Tiefe. Roussel und Liz sahen ihm irritiert zu. Korn begann zu sprechen »Ich sehe es ähnlich wie Miss Zwerg. Mir ist nicht ganz klar, was ich zum einen mit ihr anfangen soll und zum anderen was die beiden anderen Nullnummern ausgefressen haben. Immerhin bin ich mir nicht ganz sicher, was da auf uns zukommt, was wir eigentlich tun sollten und welche Befugnisse man uns einräumt. Ich bin kein Versuchskarnickel für Interpol, den man unter Laborbedingungen zwingen will, Müll zu fressen.«
Roussel presste seine Handflächen aneinander und hielt sie sich unter die Nase. Liz sah den Bodyguard an und wünschte sich, sie könnte ihn einfach aus dem Fenster stoßen. Was glaubte der Typ eigentlich, wer er ist? Roussel überlegte eine Weile bevor er leise fortsetzte, »Ich verstehe ihre Bedenken. Es ist nur so, dass man Interpol als Informationsquelle nutzt. Wenn sich allerdings Probleme ergeben, in denen es um große Verschwörungen geht, und ich gebe gerne zu, das da mitunter auch hochrangige Politiker ihre dreckigen Finger im Spiel haben, dann wird da nicht groß weiter ermittelt. Wenn beispielsweise ein Minister die Finger im Spiel hat, verlaufen die Ermittlungen im Sand, weil niemand einen Minister anpinkeln will, weil sein Job davon abhängt. Bei Interpol gibt es dieses Problem allerdings nicht, wir sind völlig unabhängig von jeglicher politischen Einmischung. Aber genug davon, sie wollten beide wissen, wer da noch mitmischen soll. Ich werde es ihnen sagen, obwohl ich weiß, dass eine nicht ganz in ihr Bild passen wird. Ein weiteres Mitglied ihres Teams ist Mike Banks. Ein IT und Abhörspezialist, wenn er nicht gerade wieder Regierungsserver hackt. Saß in den USA 4 Jahre im Knast, weil er der First Lady einen Bart ins Gesicht gezaubert hat. Auf ihrem Passbild. Wir fanden das ganz lustig, weil diese Frau wirklich wie ein verrückter Mann gehandelt hat, die USA fanden das nicht ganz so lustig. Er kann so gut wie jedes Sicherheitssystem austricksen. Und damit das Gleichgewicht wieder stimmt, soll eine weitere Dame dazugehören. In Europa ist sie weniger bekannt, in Asien und den USA dagegen umso mehr. Ihr Gesicht war noch nie in den Nachrichten. Niemand kannte diese Frau, aber alle hatten Angst vor ihr. Ihr Name ist Lea Enis, besser bekannt als Lady Sniper. Eine Auftragskillerin, die mit einem Scharfschützengewehr alles abknallt, was Dreck am Stecken hat. Sie hat in den letzten Jahren über 120 Männer und Frauen getötet, die alle eines gemeinsam hatten. Sie arbeiteten für Regierungen oder Behörden und waren alle alles andere als unschuldig.«
»Ist das ihr verschissener Ernst Roussel? Eine Auftragskillerin, die mit einem Gewehr alles umlegt, was gerade irgendwo steht?«, ereiferte sich Liz lautstark.
Korn stand immer noch am Fenster und drehte sich blitzschnell um. Liz hatte ihm das nicht zugetraut. So schnell kann sich fast keiner bewegen, er bringt das trotz seiner Körperfülle, dachte sie.
Korn begann, »Bisher war es ja ganz lustig Roussel, aber Sie haben was am Kopf und das sind nicht die Haare. Banks kenne ich bereits, der ist gar nicht das Problem, obwohl er sich für den größten unter der Sonne hält. Typischer Ami eben. Aber eine Auftragskillerin ist ein ganz anderes Kaliber und dann noch in einer Polizeibehörde. Entweder haben sie völlig den Verstand verloren, oder aber ihr Heiligenschein, der vermutlich gerade in der Reinigung ist, drückt ihren Denkapparat ab. Vielleicht sollte ich sie mal ein bisschen gegen die Wand werfen, damit die Blutzirkulation möglicherweise wieder in Gang kommt! Oder war das Whiskeyglas heute Morgen etwas zu voll?«
Roussel wurde bleich wie eine frisch gekalkte Wand. »Ich verstehe ihre Bedenken gegen Lea Enis, aber sie steht auf der richtigen Seite, das versichere ich Ihnen. Und sie würde uns nie schaden!«
Korn und Croll sahen Roussel verständnislos an. Liz dachte über die Äußerungen von Roussel nach, aber Korn hatte bereits eine andere Spur aufgenommen und lief erst richtig warm. Er musterte Roussel ganz genau. »Roussel sperren sie die Lauscher auf. Bisher war ich freundlich, aber ich kann auch ganz anders. Sie Arsch verschweigen mir eine ganze Menge. Über ihr Alkoholproblem brauchen wir nicht zu reden, sie stinken wie eine Brennerei und ihre Pupillen sind ein Lexikon. Aber jetzt kommt ein Punkt dazu, der neu ist. In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen sie zu der Auftragskillerin?«
Liz war überrascht von Korns Aussage. Roussel ein Trinker? Sie hielt ihre Nase nach vorn, konnte aber keinen Alkoholgeruch wahrnehmen, seine Pupillen waren gerötet, aber das kann von Schlafmangel herrühren. Sie entdeckte keine Anzeichen dafür. Roussel versank langsam in seinem Stuhl, seine Schultern wurden schlaff und er begann mit krächzender Stimme zu antworten, »Sie haben recht Mister Korn. Meine Mutter hat meinen Vater verlassen und ist in die USA gereist. Dort lernte sie einen Mann namens Gabriel Enis kennen. Sie haben geheiratet und ihr Sohn Robert Enis wiederum war mein Halbbruder. Lea Enis ist seine Tochter!«
Jetzt setzte auch Liz an: »Lea Enis stand gar nicht auf dieser Liste, die ihr Computer ausgespuckt hat, sie haben sie hinzugefügt!«
»Ja, das habe ich«, gestand Roussel. »Verstehen Sie. Lea ist die Tochter meines Halbbruders. Wir hatten über die Jahre immer wieder Kontakt, bis er starb. Lea kannte ich nur von Fotos und wollte ihr helfen. Also habe ich auch zu ihr Kontakt gesucht. Sie war aber nicht erreichbar. Computer spucken absolut nichts über sie aus, sie ist wie ein Geist und im Netz findet sich nichts zu ihr. In unserer Datenbank allerdings gab es einen Hinweis auf eine Möglichkeit, sie zu erreichen. Ein toter Briefkasten in Houston Texas. Dort habe ich es versucht. Irgendwann kam eine Nachricht von ihr. Falscher Name, nicht zurück zu verfolgende Verbindungen, aber wir konnten E-Mails austauschen.«
»Was stand in den E-Mails?« wollte Korn wissen.
»Dass sie nicht stolz auf ihre Arbeit ist, aber niemals jemanden töten würde, der es nicht verdient. Alle Agenten, Mitglieder von Regierungen oder sonstige Opfer waren selbst Mörder. Die USA unterhalten weltweit Agenten der CIA. Deren Methoden unterscheiden sich nicht von denen eines Killers. Vielmehr sind es selbst Killer, die ihre Morde unter dem Deckmantel des Staates verüben.«
»Oh ja, den Deckmantel kenne ich bereits, zur Genüge. In dem Fall heißt es immer nationale Sicherheit!«, ergänzte Korn.
»Ich möchte diese Lea Enis unter die Lupe nehmen und alleine mit ihr reden. Wenn ich nur den geringsten Zweifel an ihr habe, wandert sie für den Rest ihres Lebens in das tiefste Kellerloch, das sich finden lässt und ich werfe den Schlüssel dazu in den Marianengraben«, blaffte Korn. Die Verhandlungen dauerten nun schon Stunden. Liz und Korn nahmen Roussel ins Kreuzverhör und der brach zusammen wie ein Ferienhaus aus Pappe.
Liz musste ihre Meinung über Korn revidieren. Er war doch nicht so ein Kotzbrocken, wie sie dachte. Vor allem seine Beobachtungen waren gnadenlos und trafen immer ins Schwarze. Nur die unflätige Art wie er mit anderen umging, war ihr ein Dorn im Auge.
Korn hingegen war ganz in seinem Element. Da existierte nichts anderes mehr um ihn herum. Er war in seiner Blase eingeschlossen und feuerte Pfeil um Pfeil heraus.
Roussel konnte nicht mehr. Alles war aus ihm entwichen und er wirkte wie um fünfzig Jahre gealtert. Dennoch murmelte er müde: »Einverstanden Mister Korn.«
Weitere 30 Minuten später verließen Korn und Liz das Gebäude von Interpol. Beide hatten Hunger und mussten dringend Nikotin nachfüllen. Sie gingen in ein kleines Restaurant um die Ecke und setzten sich an einen Tisch, der unter einem Froschgrünen Sonnenschutz geparkt war. Liz betrachtete Korn wie ein Alien. Ihre Neugier war zu groß geworden. Sie hatte einiges über ihn erfahren, aber da gab es noch viel mehr, was er verheimlichte.
»Warum sind sie so ein Arsch?«, fragte sie ganz direkt.
»Ich fasse das mal als Kompliment auf. Vielen Dank«, erwiderte Korn gelangweilt.
»Das war nicht als Kompliment gedacht. Sie sind ein Arsch und das wissen Sie. Ich will nur wissen warum?«, konterte Liz.
»Hören Sie Miss Croll. Dient diese Unterhaltung irgendeinem besonderen Zweck? Nein, das tut sie nicht, sie ist einfach nur sinnlos.«
»Diese Unterhaltung dient einem Zweck. Es geht mir darum, warum ich mit Ihnen zusammen arbeiten sollte, wenn sie mich behandeln wie eine ausgelutschte Eistüte und ich nicht mal im entferntesten eine Ahnung habe, warum das so ist. Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch und sie verletzen mich fortwährend mit ihrer Art. Wenn wir zusammen arbeiten, muss ich Ihnen zwingend vertrauen können, und sie sollten auch mir vertrauen«, stellte Liz fest.
Michael überlegte lange, bevor er antwortete, »Es gibt auf diesem Planeten exakt zwei Menschen, denen ich vertraue. Der eine bin ich und der andere sind nicht sie. Vertrauen ist nicht zwingend notwendig bei meiner Arbeit. Ich verlasse mich nur auf mich selbst. Ich bin ein Einzelgänger und es wird vermutlich nichts auf der Welt geben, was daran etwas ändern könnte. Das wird so bleiben, ob es ihnen gefällt oder nicht interessiert mich einen feuchten Scheiß. Suchen Sie sich einen anderen Kindergärtner, ich bekomme nämlich schon Ausschlag, wenn ich gezwungen bin auf Kinder in einer Disco aufzupassen.«
»Hören Sie mir genau zu Mister Arsch. Ich passe alleine auf mich auf. Bei meiner Arbeit muss ich mich aber zwingend auf meinen Partner verlassen können. Wenn sie im Kugelhagel stehen und einen Partner an der Seite haben wäre wohl eine Warnung vorher angebracht, immerhin macht so eine Kugel hässliche Löcher«, sinnierte sie.
»Falls wir tatsächlich einmal im Kugelhagel stehen sollten, was sie nie erleben wollen, will ich nicht die kleinste Warnung hören, denn ich werde mich garantiert nicht verteidigen. Wenn ich schon die Chance bekomme, zu sterben, dann werde ich die nutzen, so gut ich nur kann«, antwortete Korn barsch.
Liz war baff. Das war es also. »Sie wollen unbedingt draufgehen. Es interessiert sie nicht wofür, wichtig ist scheinbar nur, dass es so schnell wie möglich dazu kommt!«, staunte sie.
Der Blick den Liz traf, sprach Bände. Es ging ihm nicht um Gerechtigkeit oder irgendein höheres Ziel. Es ging nur, um sein Ziel so schnell wie möglich zu sterben. Die Frage war nur wieso? Kann man so wenig Lebensmut besitzen? Und wenn das möglich ist, wie kommt es dazu?
»Sie sollten einen Psychologen aufsuchen Mister Korn!«, kritisierte Liz.
Lachend antwortete Korn, »Das habe ich bereits. Die Liste an Ärzten, bei denen ich war, ist länger als ihr Einkaufszettel für ein ganzes Jahr. Und nur damit sie es wissen, was mich nicht umbringt, macht mich nur noch härter.«
Schweigend aßen sie ihr bestelltes Essen und begaben sich dann wieder in das Hauptgebäude von Interpol.
In dem Besprechungsraum, den sie schon den ganzen Tag über gesehen hatten, war eine Veränderung festzustellen. Bernand Roussel von Interpol saß wieder etwas aufrechter in seinem Stuhl und vor ihm stand ein Glas Wasser. Auf einem anderen Stuhl bemerkte Liz noch jemanden. Ein schlanker, hochgewachsener Kerl mit eingefallenem Gesicht und einer leichten Brille auf den Augen, deren Gläser farblich schimmerten. Roussel stellte ihn auch gleich als Mike Banks vor.
Damit waren drei der Mitglieder des ersten Teams von Interpol anwesend. Nur eine fehlte noch, aber es gab keinen Hinweis, wo sie war.
Roussel begann, »Mister Banks ist eingetroffen, als sie beim Mittagessen waren. Ich darf ihnen, Mr. Banks, jetzt auch Liz Croll vorstellen, ihr Dossier ist ihnen ja bereits bekannt. Michael Korn kennen sie ja schon etwas länger somit erübrigt sich die Vorstellung.«
Banks stand auf und gab Liz die Hand. »Es ist mir eine Freude, sie kennenzulernen Miss Croll. Roussel hat schon viel von Ihnen gesprochen, aber er vergaß, leider zu erwähnen was für eine Augenweide sie doch sind. Ich bin Mike Banks, für sie natürlich Mike.«
Korn sah kurz auf und sagte nur ein Wort »Istanbul!«
Banks sah erschrocken aus und sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Still kehrte er zu seinem Stuhl zurück, setzte sich, aber verlor kein einziges weiteres Wort. Roussel setzte nach »Mike Banks, auch bekannt als Thunderstruck, ist IT-Fachmann und Abhörspezialist. Es gibt so gut wie keine Sicherheitsmaßnahmen, die er nicht umgehen kann. Spricht 5 Sprachen fließend: Deutsch, Italienisch, Russisch, Mandarin und Französisch. Er wird ihr all sehendes Auge und spürt im Internet Daten zu allem Möglichen auf.«
Korn setzte hinzu, »Roussel sie haben vergessen, dass er sich für den größten hält, allem hinterherläuft, was Titten hat, und gerne Einsätze versaut, weil er gerade wieder an einer Alten schraubt. Hab ich noch was vergessen Mike?«
Mike schüttelte den Kopf. Liz könnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und fragte, »Was bedeutet Istanbul? Ist das ein Code für irgendetwas?«
Korn antwortete »Kein Code, nur der Name einer Stadt. Wir hatten dort mal geschäftlich zu tun. Reine Routine eigentlich. Mike war unser Auge draußen und erwähnte nicht, die fünf Mg's die aus meinen Kollegen Siebe machten, zwei unserer Zielpersonen abgeknallt haben wie Hasen, weil er in seinem Drecksvan ein junges Mädchen gebumst hat, oder sollte ich noch erwähnen, dass die kleine erst 17 war?«
Der Hieb hatte gesessen. Liz musterte Mike mit den Augen und es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm das überhaupt nicht schmeckte, schon gar nicht in ihrer Gegenwart. Aber Mike Banks war sowieso nichts für Liz. Immerhin hielt sie ihren Freund aus der Arbeit raus. In London wussten ihre Kollegen darüber Bescheid, dass Liz mit niemandem ausging, das würde sich auch nicht ändern, wenn sie für Interpol arbeitet, falls es dazu kommen sollte. Die Unterhaltung mit Michael Korn vor dem Essen machte ihr Bauchschmerzen und sie war sich sehr unsicher, ob sie den Job annehmen konnte. Die Voraussetzungen waren nicht besonders vielversprechend. Ein Bodyguard, der sich benimmt wie der letzte Arsch und nur den Wunsch hat so schnell wie möglich zu sterben, ein Computerfreak, der gleichzeitig als Schürzenjäger ein großes Risiko darstellte, ein Boss der dem Alkohol verfallen war und nicht zuletzt noch die Geschichte mit der Profikillerin.
Die Tür ging einen Spalt auf und eine ältere Frau blickte zu Bernand Roussel. Er erwiderte den Blick und sagte, »Wir machen eine kurze Pause!« Dann stand er auf und verließ den Raum. Auch Korn stand auf und ging ihm hinterher, sie blieb mit Mike alleine.
»Mike, wie lange kennen sie Korn schon?«, fragte sie ihn.
»Das erste Mal haben wir uns vor 7 Jahren getroffen. Er war der Einsatzleiter der Bodyguards und ich war für die IT zuständig.«, sagte er.
»War er schon immer so?«
Mike lachte lautlos »Der wird sich nie ändern das können Sie mir glauben!«
Liz dachte kurz nach, dann fragte sie »Wissen Sie, warum er so ist, wie er ist? Ich meine, es muss doch einen Grund dafür geben.«
»Den gibt es sicher, aber bisher konnte ich keinen erkennen. Alles, was mir aufgefallen ist, und das bleibt bitte unter uns, sind manchmal Situationen, in denen er absolut keine Bewegung zeigt, nicht mal mit den Augen, wie wenn er schlafen würde, und danach hat er Tränen in den Augen.«, erklärte er.
»Könnte mit einer Frau zu tun haben. War er mal verheiratet oder so?«
»Liz, bleiben wir beim du, ich habe mich nicht wirklich damit beschäftigt und ehrlich gesagt hab ich das auch nicht unbedingt vor. Bisher habe ich nur gesehen, dass er Frauen nicht mal richtig ansieht. Normalerweise sieht man das sofort, wenn ein Mann eine Frau abcheckt. Er zeigt dieses Verhalten in keiner Situation. Ich weiß, dass er ein mieses Arschloch ist, dazu brauche ich keinen Doktor in Psychologie, mehr muss ich aber auch nicht wissen.«
Liz lachte und sagte dann, »Ich denke schon, dass es wichtig ist, zu wissen, was da vorgeht. Immerhin sollen wir zusammen arbeiten. Ich kann nicht mit Menschen arbeiten, denen ich nicht vertrauen kann. Immerhin kann es gefährlich werden und wenn dann ein Teammitglied irgendeinen Schwachpunkt aufweist, gefährden wir uns alle.«
»Das stimmt schon Liz, aber du siehst ja selbst, wie er ist. Willst du wirklich in die weiteren Beweggründe eines Psychopathen vordringen? Denn das ist eine gefährliche Angelegenheit!«
»Mike, im Moment habe ich ein großes Problem mit euch beiden. Er behandelt jeden wie Dreck und hat den Anspruch getötet zu werden. Du wiederum gefährdest mich aber auch, wenn irgendeine Frau involviert ist, weil du scheinbar nicht wählerisch bist, wenn ich das richtig verstanden habe.«
Mike war ein bisschen verletzt, aber erwiderte, »Ich bin wohl auch ein bisschen verrückt, aber seit der Situation, die dir vorhin geschildert wurde, mache ich das nicht mehr. Er ist aber schon seit Jahren so. Eigentlich schaut man einer Frau ja mal auf gewisse Stellen, er aber ist wie ein Roboter. Kein Gefühl und nichts. Wir haben ja mal vermutet, er wäre schwul, aber dann fiel uns auf dass da ja auch nichts in der Richtung passiert.«
Liz dachte nach. Das stimmte, was Mike gesagt hat. Ihr wäre zumindest mal aufgefallen, wenn er auf die Brüste oder den Hintern geschaut hätte, aber da war nichts. Er hatte ihr stur in die Augen geschaut und nicht ins Dekolleté oder auf die Beine. Ganz normales Verhalten, das eigentlich jeder Mann ab einem gewissen Alter zeigt.
»Mike, würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Jeden Liz!«, lächelte er sie an.
»Hör auf damit! Schnapp dir mal einen Computer und versuche so viel, wie nur möglich über Korn zu finden. Liebschaften, Verhältnisse, Bordellbesuche, Partnerbörsen was weiß ich. Irgendwo muss es etwas geben.«
»OK, ok, ich hab's ja verstanden. Ich habe meinen Laptop dabei, ich kümmere mich darum.«
Mike griff in die Tasche, die neben seinem Stuhl stand und stellte den Laptop auf den Tisch. Seine Finger flogen über die Tasten, aber die Anschläge waren nicht mal zu sehen. Es klackerte nur.
Die Tür ging auf und Korn nahm wieder Platz. Er roch nach Rauch, also war er nur vor die Tür gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Nach einigen Minuten kehrte auch Roussel zurück, in der Zwischenzeit hatten sie kein Wort mehr gesprochen. Roussels Miene zeigte einige Veränderungen. Irgendetwas muss ihm schwer zu schaffen gemacht haben.