Читать книгу Michael Korn & Liz Croll Trilogie - Matthias Boden - Страница 5

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1. Kapitel

Deutschland, Köln

Mi­cha­el Korn saß auf ei­nem Korb­stuhl vor der Ca­fe­te­ria Köl­le und be­ob­ach­te­te mür­risch die um­her­wan­dern­den Men­schen in der Köl­ner In­nen­stadt. Er rauch­te ei­ne Zi­ga­ret­te, de­ren Qualm er in die Mit­tags­son­ne blies. In sei­nem schwar­zen Shirt und den eben­falls schwar­zen Carg­o­ho­sen scann­te er mit sei­nen blau­en Pu­pil­len die Um­ge­bung. Wie hat­te es nur so weit kom­men kön­nen? Er, der ehe­ma­li­ge Bo­dy­guard der Re­gie­rungs­ver­tre­ter war ge­kün­digt wor­den. Nur, weil er dem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len et­was un­sanft den El­len­bo­gen ins Ge­sicht ge­rammt hat­te. »Was kann denn ich da­für, wenn der Idi­ot sei­nen Kopf aus­ge­rech­net da hin­hält, wenn ich ge­ra­de zur Waf­fe grei­fe«, dach­te er bei sich. Po­li­ti­ker, das mie­ses­te Pack, das man sich vor­stel­len kann. Lü­gen wie ge­druckt und träu­men ih­re All­machts­fan­tasi­en, die kein nor­ma­ler Mensch mehr ver­steht. Zu al­lem Über­fluss gab es auch noch ei­ne An­zei­ge we­gen Kör­per­ver­let­zung. Als der Mi­nis­ter­prä­si­dent ihm das sag­te, stand Korn nur da und be­dach­te ihn mit ei­nem fins­te­ren Blick, be­vor er zu ihm mein­te: »Wo nichts ist, kann man auch nichts ver­let­zen, du Bra­t­hahn. Au­ßer­dem soll­test du dich vor­se­hen, sonst mach ich Ernst und sto­ße dich aus dei­ner Ar­ma­ni-Gar­di­ne!«. Manch­mal soll­te er sich viel­leicht doch zu ei­ner nor­ma­len Kom­mu­ni­ka­ti­on her­ab­las­sen, aber die­se Fä­hig­keit war bei ihm schon lan­ge nicht mehr ab­ruf­bar. Sein gan­zes bis­he­ri­ges Le­ben stand nicht un­ter ei­nem gu­ten Stern. Und wie­der ein­mal glit­ten sei­ne Ge­dan­ken drei­ßig Jah­re in die Ver­gan­gen­heit. Müh­sam kämpf­te er die Trä­nen aus sei­nen Au­gen und ver­such­te, an et­was an­de­res zu den­ken. Er drück­te sei­ne Kip­pe im Aschen­be­cher aus und nahm einen letz­ten Schluck von sei­nem Kaf­fee. Mi­cha­el er­hob sich und ging auf die na­he ge­le­ge­ne Po­li­zei­wa­che zu. Die Men­schen vor ihm teil­ten sich wie ein Vor­hang. Er war ei­ne im­po­san­te Er­schei­nung und be­saß ei­ne ge­wis­se na­tür­li­che Au­to­ri­tät, mit sei­nen wa­chen Au­gen und den har­ten Ge­sichts­zü­gen. Ru­hig be­trat er die Wa­che und mel­de­te sich am Schal­ter. Die jun­ge Po­li­zis­tin da­hin­ter warf ihm einen ab­schät­zi­gen Blick zu, be­vor sie zum Hö­rer griff und ei­ne Num­mer wähl­te. »Ihr Be­su­cher ist hier!«, flö­te­te sie in den Hö­rer. Nach ei­ner kur­z­en Pau­se füg­te sie »Na­tür­lich Herr Prä­si­dent!«, hin­zu und leg­te auf. »Neh­men Sie bit­te einen Au­gen­blick Platz, sie wer­den ab­ge­holt«, hör­te er sie sa­gen, be­vor sie sich wie­der ih­rem Mo­ni­tor wid­me­te.

Korn blieb lie­ber ste­hen und war­te­te ei­ni­ge Mi­nu­ten, be­vor ein Mann mitt­le­ren Al­ters in ei­ner schmu­cken Uni­form ihm die Hand reich­te. »Mein Na­me ist Wald­schmidt Herr Korn! Ich bin der Po­li­zei­prä­si­dent und ha­be sie her­ge­be­ten, weil mich ei­ne Nach­richt aus Ly­on er­reicht hat. Bit­te fol­gen Sie mir«, krächz­te er mit et­was hei­se­rer Stim­me.

Korns Stie­fel quietsch­ten auf dem hell­grau­en Lin­ole­um­bo­den, als er dem Prä­si­den­ten in ein ärm­lich ein­ge­rich­te­tes Be­spre­chungs­zim­mer folg­te. Die Tür fiel mit ei­nem leich­ten Kli­cken wie­der in das Schloss und Wald­schmidt for­der­te Mi­cha­el, auf Platz zu neh­men. Be­vor der Prä­si­dent et­was sa­gen konn­te, er­griff Korn das Wort. »Was zum Teu­fel ha­be ich denn mit Frosch­schen­keln zu tun? Mein ein­zi­ger Auf­ent­halt bei den Schne­cken­schlach­tern en­de­te in ei­nem Fias­ko, als drei mei­ner Kol­le­gen in ei­nem Ku­gel­ha­gel ster­ben muss­ten und ich lei­der über­lebt ha­be. Das ist aber auch schon fünf­zehn Jah­re her. Ist de­nen jetzt ein­ge­fal­len, dass ich da­mals das Croissant vor dem Ober­pfos­ten auf den Bo­den ge­tre­ten ha­be und sie mir jetzt einen Auf­ent­halt im Knast spen­die­ren wol­len?«.

»Nein Herr Korn, es geht nicht um da­mals und hat mit der Po­li­zei in Pa­ris über­haupt nichts zu tun«, ent­geg­ne­te Wald­schmidt »Man hat mich ge­be­ten Sie, und nur sie zu mir zu be­stel­len und ih­nen einen Brief aus­zu­hän­di­gen. Al­ler­dings nicht von der Po­li­zei, son­dern von In­ter­pol, die ih­ren Haupt­sitz in Ly­on hat.«

Ungläu­big starr­te Korn den Prä­si­den­ten an und sah ihn ei­ne Map­pe auf­schla­gen, aus der er einen Brief­um­schlag zog und ihm übergab.

»Den In­halt die­ses Briefs kennt nur In­ter­pol selbst, aber es ging da­bei um einen Job, den man ih­nen an­bie­ten möch­te«, er­klär­te er.

Korn nahm den Brief­um­schlag, sah ihn sich fra­gend an, be­vor er ihn öff­ne­te. Da­rin be­fand sich ei­ne Nach­richt so­wie ein Flug­ticket nach Ly­on, aus­ge­stellt auf sei­nen Na­men. Die Nach­richt lau­te­te:

Herr Korn,

bit­te be­su­chen Sie uns in der In­ter­pol Zen­tra­le in Ly­on. Wir ha­ben einen Job für sie und wür­den ih­nen ger­ne al­les Wei­te­re per­sön­lich er­klä­ren. Die gan­ze An­ge­le­gen­heit muss ver­trau­lich blei­ben.

Ber­nand Rous­sel, In­ter­pol.

Fas­sungs­los steck­te Mi­cha­el Korn den Brief­um­schlag in sei­ne lin­ke Bein­ta­sche und be­trach­te­te Wald­schmidt der et­was un­ru­hig auf sei­nem Stuhl saß. In sei­nem Kopf wir­bel­ten die Ge­dan­ken, wäh­rend sich sei­ne Mie­ne ver­dun­kel­te. Er konn­te es nicht glau­ben. Ein Jo­b­an­ge­bot von In­ter­pol. Ist das die Be­loh­nung, wenn man ei­nem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten die Na­se bricht?

Großbritannien, London

»Hän­de hin­ter den Kopf und ganz lang­sam um­dre­hen« zisch­te Liz dem Ju­gend­li­chen zu, der ver­sucht hat­te einen Kiosk aus­zu­rau­ben, nur be­waff­net mit ei­nem Ta­schen­mes­ser aus der Schweiz. Der Jun­ge dreh­te ihr lang­sam den Rücken zu und hat­te sei­ne Fin­ger in­ein­an­der ver­schränkt in den Na­cken ge­legt. Die Po­wer­frau steck­te ih­re Waf­fe zu­rück ins Hols­ter und nahm die Hand­schel­len vom Gür­tel. Vor­sich­tig trat sie auf den kaum 1,70 m großen Ju­gend­li­chen zu, der so vie­le Bol­zen im Ge­sicht hat­te, um einen zwei­ten Eif­fel­turm nie­ten zu kön­nen. Mit der Schul­ter don­ner­te sie ihn ge­konnt ge­gen die Wand und fi­xier­te die von Nar­ben über­sä­ten Ar­me hin­ter dem Rücken. Dann trat sie et­was zu­rück und griff sich das Funk­ge­rät. »Ich hab ihn ein­ge­sam­melt, ihr könnt ihn jetzt ho­len«, mur­mel­te sie und be­hielt den jun­gen im Blick.

Et­was spä­ter stand Liz vor ih­rem Strei­fen­wa­gen, rauch­te genüss­lich ei­ne Zi­ga­ret­te in dem die­si­gen und leicht ver­reg­ne­ten Lon­do­ner Som­mer. Plötz­lich knack­te ihr Funk und ei­ne quä­len­de Stim­me er­klang: »Croll, kom­men sie zum Haupt­quar­tier und mel­den sie sich um­ge­hend beim Chief!«

Seuf­zend trat sie die Zi­ga­ret­te auf den Pflas­ter­stei­nen aus, blies noch ein­mal den Rauch vor sich hin und be­stä­tig­te den Funk­spruch. Was will der Al­te nur wie­der von mir, är­ger­te sie sich im zä­hen Ver­kehr auf der re­gen­rei­chen In­sel. Sie war ei­ne der bes­ten der gan­zen Trup­pe ge­wor­den, trotz ih­res Han­di­caps mit nur knapp über 1,60 m Grö­ße un­ter den gan­zen Re­kru­ten mit Gar­de­maß. Vor dem Haupt­quar­tier stell­te sie den Strei­fen­wa­gen ab, ver­schloss ihn ord­nungs­ge­mäß und be­weg­te sich ziel­stre­big zum Bü­ro des Chiefs. »He­rein!«, bell­te die dunkle Stim­me ih­res Vor­ge­setz­ten, als sie ge­klopft hat­te. Liz öff­ne­te die Tür und trat in das klei­ne Bü­ro.

Chris Wil­liams sah zu ihr, leg­te sei­nen Stift auf den Ma­ha­go­nisch­reib­tisch und sag­te in ru­hi­gem Ton »Ah, da sind sie ja end­lich Croll. Set­zen Sie sich, ich ha­be et­was mit ih­nen zu be­spre­chen!«

Liz setz­te sich auf den Be­su­cher­stuhl und ver­such­te, die Mie­ne ih­res Chefs zu durch­drin­gen.

»Sie ha­ben mal wie­der gan­ze Ar­beit ge­leis­tet«, be­gann der Chief. »Al­ler­dings sieht es so aus, als ob ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt sind Croll.«

Liz war ver­wirrt. Ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt? »Wie denn das Chief? Hab ich was falsch ge­macht?«, frag­te sie mit ei­nem Vor­wurf in der Stim­me.

»Aber nein Croll, sie ha­ben nichts falsch ge­macht und ich wä­re froh, wenn ich das über die meis­ten hier sa­gen könn­te, aber um ehr­lich zu sein, gibt es ei­ne Ent­wick­lung, von der sie ver­mut­lich über­rascht sein wer­den. Ich ha­be ei­ne Nach­richt von ei­nem ge­wis­sen Ber­nand Rous­sel von In­ter­pol be­kom­men. So wie es aus­sieht, will man sie dort ha­ben. Wo­für weiß nie­mand, aber es scheint ge­heim zu sein, weil sich wirk­lich al­le dar­über aus­schwei­gen. Sie flie­gen über­mor­gen von Hea­throw nach Ly­on rü­ber und wer­den auf­ge­klärt, worum es sich han­delt. Ihr Flug­ticket ha­be ich be­reits hier!«

»Soll das ein Witz sein? Ich ha­be mich nir­gend­wo be­wor­ben und will auch nicht in ein Bü­ro ge­setzt wer­den nur, um ir­gend­wel­che Stel­len über­all auf der Welt mit In­for­ma­tio­nen zu ver­sor­gen«, platz­te es aus Liz her­aus.

»Das ist kein Scherz. Es ist aber auch ih­re Ent­schei­dung, ob sie den Job bei In­ter­pol an­neh­men. Ich wür­de sie ger­ne hier­be­hal­ten, das kön­nen Sie mir glau­ben. Es ist nur ein An­ge­bot und nie­mand weiß ge­nau, worum es geht. Al­so flie­gen sie nach Süd­frank­reich, hö­ren sich das an und tref­fen dann ih­re Ent­schei­dung. Ih­re Stel­le hier ist ih­nen si­cher, wenn sie ab­leh­nen«, be­ru­hig­te sie Wil­liams.

»Wer ist ei­gent­lich die­ser Rous­sel? Hat der was zu mel­den?«, frag­te sie et­was lau­ter als be­ab­sich­tigt.

Chris Wil­liams blick­te sie lan­ge an, be­vor er schließ­lich her­vor­brach­te: »Ich ha­be mich in­for­miert und die­ser Rous­sel ist der Boss von In­ter­pol. Ein Fran­zo­se, mehr­fach aus­ge­zeich­net, mitt­ler­wei­le schon an die 60 Jah­re alt und hat den La­den schon seit 13 Jah­ren in sei­ner Hand. Und über In­ter­pol steht nie­mand mehr. Die­se Stel­le wird von nie­man­dem kon­trol­liert. Selbst die Po­li­tik hat da nichts zu ent­schei­den. Völ­lig un­ab­hän­gig.«

»Okay, ich wer­de mir das mal an­hö­ren Chief«, ant­wor­te­te Liz klein­laut.

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