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12. Kapitel Europa, Irgendwo über dem Atlantik

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Lei­se Wind­ge­räusche, die der Jet er­zeug­te, misch­ten sich mit dem hoch­fre­quen­ten Brum­men der Trieb­wer­ke und dran­gen in die Ka­bi­ne vor. Dort sa­ßen Liz und ihr Beglei­ter ent­spannt auf Ses­seln, die mit hel­lem Le­der über­zo­gen wa­ren. Das ge­sam­te In­te­rieur der Gulf­stream be­stand aus ed­lem Wal­nuss­holz und ver­ström­te ein Am­bien­te aus Lu­xus. Bei­de fühl­ten sich hier sehr wohl. Als sie Ly­on ver­las­sen hat­ten, war Ber­nand Rous­sel wie­der et­was op­ti­mis­ti­scher ge­stimmt, nur Korn war noch ge­nau der­sel­be Mie­se­pe­ter wie zu­vor. Im­mer­hin hat­te er es ge­schafft sich wie­der an den Tisch zu set­zen und blick­te stumm wie ein Fisch auf sein Smart­pho­ne. Liz dach­te über das Bild nach das er ab­ge­ge­ben hat­te, als er wie ein Baum auf ei­ner Stel­le stand und zum Fens­ter blick­te, die Au­gen ge­schlos­sen mit Trä­nen auf den Wan­gen. Was war nur mit die­sem Typ los, frag­te sie sich. Die Ant­wort dar­auf kann­te viel­leicht Mi­ke, weil er sich ei­ni­ge Zeit in­ten­siv mit des­sen Ver­gan­gen­heit be­schäf­tig­te.

»Mi­ke, kannst du mir ir­gend­was über Korn er­zäh­len, was Licht ins Dun­kel brin­gen könn­te?«, frag­te sie.

Er blick­te sie aus mü­den Au­gen an und be­gann zu be­rich­ten, »Viel ge­fun­den ha­be ich nicht Liz. In sei­ner Ver­gan­gen­heit, klafft ein rie­si­ges Loch in den Da­ten, wie wenn er nicht mehr exis­tiert hät­te. Ge­bo­ren und auf­ge­wach­sen in Süd­deutsch­land in ei­ner klei­nen Ort­schaft am Rhein. Er hat ei­ne jün­ge­re Schwes­ter, die im­mer noch dort lebt. Er war sport­lich ak­tiv. Ich fand Auf­zeich­nun­gen über Mit­glied­schaft in zwei Sport­ver­ei­nen. Zum einen Hand­ball, da­von gab es aber kei­ne Er­fol­ge zu ent­de­cken, aber beim zwei­ten wur­de ich fün­dig. Er hat an­ge­fan­gen zu Bo­xen und war gar nicht so schlecht, hät­te für ei­ne Pro­fi­kar­rie­re rei­chen kön­nen. Lan­des­meis­ter bei den Ama­teu­ren. 32 Kämp­fe, kei­nen ver­lo­ren und gan­ze 31 da­von durch vor­zei­ti­gen K. O. be­en­det. Da­nach ris­sen die Auf­zeich­nun­gen ab, weil er aus­ge­stie­gen ist. Bis da­hin kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten. Nur sei­ne Schul­no­ten gin­gen ra­pi­de in den Kel­ler. Grund da­für war wohl ei­ne ge­wis­se Isa­bel­la. Nach­na­men konn­te ich nicht her­aus­fin­den und ei­ne Isa­bel­la taucht auch nir­gend­wo in sei­nem Le­ben mehr auf. Aber ich konn­te ab­so­lut nichts über ir­gend­wel­che an­de­ren Lieb­schaf­ten fin­den. Kei­ne Mails über einen län­ge­ren Zeit­raum, kei­ne Pro­fi­le in ir­gend­wel­chen Part­ner­bör­sen oder sons­ti­gen Stel­len. Und dann wur­de es ganz dun­kel. Über einen Zeit­raum von knapp 8 Jah­ren gibt es ab­so­lut gar kei­ne Auf­zeich­nun­gen mehr au­ßer bei der Bun­des­wehr. Ein­zi­ge Auf­fäl­lig­keit dort war re­gel­mä­ßi­ge Be­fehls­missach­tung und, wen wür­de es wun­dern, re­spekt­lo­ses Ver­hal­ten. Erst im Al­ter von 27 Jah­ren taucht er wie­der als Bo­dy­guard auf. Stei­le Kar­rie­re ge­macht, trotz im­mer wie­der­keh­ren­den, Er­mah­nun­gen er wür­de nie sei­ne Schutz­wes­te tra­gen. Her­vor­ra­gen­der Schüt­ze und Beo­b­ach­ter. Wur­de schnell zu ei­ner Füh­rungs­kraft. Nie ver­lobt, ver­hei­ra­tet oder sonst an ir­gend­wen ge­bun­den, kei­ne Kin­der. Hat nie einen Kli­en­ten ver­lo­ren, bis auf ein­mal in du weißt schon. Und da­nach gab es nur noch die ge­fähr­li­che Kör­per­ver­let­zung ei­nes Mi­nis­ter­prä­si­den­ten in Nord­rhein-West­fa­len. Ver­ur­teilt zu ei­ner Haft­stra­fe von 2 Jah­ren und 4 Mo­na­ten die er aber nicht an­tre­ten muss­te bis­her. Der Haft­be­fehl wur­de mit ei­ner Frist von zwei Wo­chen aus­ge­setzt. Heißt, wenn er nicht bei In­ter­pol ein­steigt, geht er in den Bau. Das ist al­les, was ich fin­den konn­te.«

»Dann gibt es al­so nur ei­ne Isa­bel­la, von der wir nichts wis­sen au­ßer dem Vor­na­men. Ist ja nicht ge­ra­de ei­ne große Aus­beu­te.« Stöhn­te Liz.

»Ich ha­be auch kei­ne An­halts­punk­te, wo ich nach ihr su­chen soll­te«, gab Mi­ke klein­laut zu.

»Lass uns doch mal über­le­gen. Wie alt war er zu dem Zeit­punkt?«, bohr­te sie nach.

»Das ist nicht zwei­fels­frei fest­zu­stel­len. Ir­gend­was zwi­schen 12 und 15.«

»Okay, im­mer­hin wüss­te ich aber ei­ne Spur. In dem Al­ter be­sucht man ei­ne Schu­le, er hof­fent­lich auch. Kannst du mal sämt­li­che Schü­le­rin­nen zu dem Zeit­punkt nach ei­ner Isa­bel­la durch­su­chen? So vie­le kön­nen es ja nicht sein, denn der Na­me ist doch sel­ten.«

»Au­ßer er war auf ei­ner Schu­le in Ita­li­en, denn da wim­melt es nur so von Isa­bel­las«, lach­te Mi­ke und Liz muss­te grin­sen.

Mi­ke klapp­te sei­nen Lap­top auf und be­gann wie­der zu tip­pen. Liz war­te­te ge­spannt auf das Er­geb­nis. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten la­gen die Da­ten vor und Mi­ke star­te­te einen Qu­er­ver­gleich.

»Tref­fer!«, rief er aus. »In der gan­zen frag­li­chen Zeit er­gibt der Na­me Isa­bel­la 3 Tref­fer. Ei­ne da­von ist ei­ne Leh­re­rin Mit­te 50 zu der Zeit. Blei­ben nur wei­te­re zwei üb­rig. Ei­ne Schü­le­rin aus ei­ner Klas­se 3 Jah­re über ihm, und ei­ne aus der Klas­se un­ter ihm. Wel­che darf es sein?«

»Gib mir al­le bei­de.«, mur­mel­te sie. »Ei­ne von den bei­den ist die Ge­such­te. Ver­su­chen wir, so viel wie nur mög­lich über sie zu er­fah­ren.«

»OK Che­fin, ich ge­be al­les!«, wit­zel­te er in ih­re Rich­tung.

Liz sah aus dem Fens­ter auf die Trag­flä­chen, die sich im Wind leicht noch oben und un­ten neig­ten. Un­ter ih­nen türm­ten sich die Wol­ken auf, die wie Wat­te über ei­nem tief­blau­en Tep­pich zo­gen. Vor ih­rem in­ne­ren Au­ge lief der gan­ze ver­rück­te Tag noch ein­mal ab, als ihr ei­ne Er­leuch­tung kam. Sie blick­te zu Mi­ke und rief auf­ge­regt, »Wir brau­chen die Te­le­fon­num­mern der bei­den. Du kannst flie­ßend Deutsch, hat Rous­sel ge­sagt. Kön­nen wir aus die­ser Kis­te te­le­fo­nie­ren?«

»Ja«, gab er zu. »Aber die Ver­bin­dung ist wahr­schein­lich nicht die bes­te.«

»Das macht nichts. Frag sie ein­fach, ob sie sich an ihn er­in­nern kön­nen, und wenn ja wol­len wir wis­sen, was da war! Da­für wird die Ver­bin­dung aus­rei­chen. Aber Mi­ke, kei­ne Flir­te­rei, auch wenn sie noch so ei­ne sü­ße Stim­me ha­ben«, gab ihm Liz noch ei­ne mit.

»Uner­laub­ter Tief­schlag Liz!«, knurr­te er.

Mi­ke be­gann die ers­te Num­mer an­zu­ru­fen und Liz blick­te ge­bannt auf sein Ge­sicht. Sie ka­men der Lö­sung nä­her und viel­leicht wür­den sie dann auch er­fah­ren, warum Korn so ist, wie er eben ist. Sie hör­te Mi­ke spre­chen, wäh­rend er sich krampf­haft den klei­nen Fin­ger sei­ner lin­ken Hand ins Ohr press­te, um die Ka­bi­nen­ge­räusche ab­zu­schir­men. Liz Ver­stand zwar kei­nen Ton was er sag­te, aber al­les klang hart und ab­ge­hackt. Sei­ne Au­gen hin­ter den Bril­lenglä­sern zeig­ten aber kei­nen Er­folg. Er wähl­te die zwei­te Num­mer und das Ge­spräch dau­er­te nur et­wa ei­ne hal­be Mi­nu­te, dann leg­te er auf und starr­te das Te­le­fon ziem­lich bö­se an. »Blö­de Sch­lam­pe«, zisch­te er dem Hö­rer zu. Sie hielt es kaum noch aus vor Span­nung, als er end­lich an­fing zu er­zäh­len.

»Die Ers­te, die ich an­ge­ru­fen ha­be, war die Äl­te­re. Sie er­in­ner­te sich noch gut an ihn, hat­te al­ler­dings nie viel mit ihm zu tun ge­habt. Sie konn­te mir aber ei­ni­ges be­rich­ten. Die gan­ze Schu­le wuss­te, dass Mi­cha­el Korn bis über bei­de Ohren in Isa­bel­la Fi­scher ver­liebt war, die bei­den auch einen Som­mer lang kaum al­lei­ne an­zu­tref­fen wa­ren. Sie mein­te noch, das sie viel Un­sinn zu­sam­men ge­macht ha­ben, aber ei­ne Be­zie­hung war es nie. Nach dem Som­mer hat man sie nie wie­der zu­sam­men ge­se­hen und er hat sich ex­trem ver­än­dert. Wa­rum wuss­te sie lei­der nicht. Al­so hab ich die­se Isa­bel­la Fi­scher an­ge­ru­fen. Sie er­in­ner­te sich auch an ihn. Als ich dann aber wei­ter ge­fragt ha­be, sag­te sie mir, es wür­de mich ab­so­lut nichts an­ge­hen und ich sol­le nie wie­der an­ru­fen. Dann hat sie ein­fach auf­ge­legt.«

»Scheint ja nicht ge­ra­de die freund­lichs­te Per­son zu sein. Das hat wohl da­mals auf ihn ab­ge­färbt und er hat es über­trie­ben!«, klag­te sie.

»Wenn das mal nur der Grund ist«, spot­te­te er.

»Ich wür­de sie ja ger­ne mal be­fra­gen, aber un­ser Ver­hör­spe­zia­list starrt ja Lö­cher in die Luft und ist wohl nicht be­son­ders mo­ti­viert, oder soll­te ich sa­gen nicht mehr exis­tent?«

»Exis­tent ist er noch, Liz. Vor ei­ni­gen Stun­den war er ja noch am Le­ben. Zu­min­dest ken­nen wir jetzt mal den Grund für sein Ver­hal­ten, auch wenn ich mir nicht ganz er­klä­ren kann, wie es da­zu kam. Meinst Du, wir soll­ten ihn mal dar­auf an­spre­chen?«, frag­te er.

»Bes­ser nicht. Zu­min­dest nicht so of­fen­sicht­lich. Wer weiß schon, wie er rea­giert. Wenn ich dar­an den­ke, was mir der klei­ne Hieb auf sei­nen Arm ein­ge­bracht hat, will ich das bes­ser nicht her­aus­fin­den. Wir soll­ten sub­ti­ler vor­ge­hen und ich hab auch schon ei­ne Idee, wie ich das an­stel­le«, ora­kel­te sie.

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