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2. Abgrenzung zum Verbotsirrtum und zur Schuldfähigkeit

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Diese Abgrenzung ist nicht immer leicht. Als Faustregel bieten sich an:

§ 3 JGG fragt nach dem entwicklungspsychologischen Reifestand des Jugendlichen, betrifft damit den reifebedingten Verbotsirrtum, während § 17 StGB allein den intellektuell bedingten Verbotsirrtum erfasst.[12]

§ 3 Satz 1 JGG meint die auf den biologischen und soziologischen Reifungsprozess zugeschnittenen entwicklungsbedingten Reifemängel, wogegen die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) Einschränkungen der Bewusstseins- und Willensbildungsfähigkeit betreffen, die pathologische Ursachen unabhängig vom Entwicklungsstand haben (psychische Krankheiten oder gleichgestellte Störungen).[13] Daraus folgt, dass die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB unabhängig davon zu prüfen sind, ob die Verantwortungsreife bejaht wurde. Die Verantwortungsreife kann bestehen, auch wenn z.B. die Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB festgestellt ist.[14]

Die Frage, ob die Verantwortungsreife fehlt oder die Schuldfähigkeit ausgeschlossen ist, ist von großer Bedeutung: Fehlt die Verantwortungsreife, ist das Verfahren von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht einzustellen (§ 170 Abs. 2 StPO bzw. § 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG) oder der junge Angeklagte ist freizusprechen. Es können vom Richter allerdings nach § 3 Satz 2 JGG die in § 34 Abs. 3 JGG aufgeführten Maßnahmen angeordnet werden, über die sonst der Vormundschaftsrichter zu entscheiden hat (Hilfsmaßnahmen nach §§ 1631 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 27 ff. SGB VIII; Zwangsmaßnahmen nach §§ 1666, 1666a, 1800, 1837 Abs. 4, 1915 BGB).[15] Stellt dagegen der Jugendrichter Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit fest, so kann er unter den Voraussetzungen der §§ 63, 64 StGB nach § 7 JGG auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt anordnen.[16]

Streitig ist die Rechtslage, wenn bei Zusammentreffen entwicklungsbedingter und krankhafter Störungen sowohl die Verantwortungsreife wie auch die Schuldfähigkeit fehlen oder letztere zumindest vermindert ist: Nach der wohl h.M. bleibt in diesen Fällen die Anordnung dieser Maßregeln zulässig, denn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei dann eine durch das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit gebotene, nach § 7 JGG auch gegen Jugendliche statthafte und durch § 3 JGG nicht ausdrücklich ausgeschlossene Maßregel.[17] Dies verkennt, dass sich bei Fehlen der Verantwortungsreife die Frage nach dem Umfang der Schuldfähigkeit gar nicht mehr stellt, vielmehr dann § 3 Satz 2 JGG eine jede weitere Prüfung entbehrlich machende Spezialvorschrift enthält. Der Jugendrichter darf bei Fehlen der Verantwortungsreife eben nur vormundschaftsrichterliche Maßnahmen anordnen. Bei besonderer Gefährlichkeit gibt es zudem die Unterbringungsmöglichkeiten nach FGG/PsychKG. Zumindest aber gebietet das Subsidiaritätsprinzip den Vorrang des § 3 Satz 2 JGG vor einer Unterbringung nach § 7 JGG i.V.m. § 63 StGB.[18]

Teil 2 Materielles JugendstrafrechtII. Verantwortungsreife › 3. Prüfung der Verantwortungsreife

Verteidigung in Jugendstrafsachen

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