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9. Sternverträge/Hub & Spoke-Problematik
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Wettbewerbsbeschränkungen im Horizontalverhältnis setzen nicht zwingend einen direkten Kontakt zwischen Wettbewerbern voraus. Sie können sich (indirekt) auch aus gleichförmigen Vereinbarungen mit einem Dritten (sog. Sternverträgen)[234] oder einer Kommunikation im Dreiecksverhältnis (sog. „Hub & Spoke“-Problematik)[235] ergeben.[236] Grund ist, dass für eine abgestimmte Verhaltensweise i.S.d. Kartellverbots auch schon jede mittelbare Fühlungnahme ausreicht, die geeignet ist, das Wettbewerbsverhalten eines (potentiellen) Wettbewerbers zu beeinflussen bzw. diesen über das eigene Wettbewerbsverhalten ins Bild zu setzen.[237]
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Eine solche mittelbare Abstimmung kann sich u.a. aus inhaltlich gleich gestalteten Verträgen (z.B. Vertriebs- bzw. Lieferverträgen) ergeben, die Wettbewerber jeweils für sich genommen mit ein und demselben Dritten (z.B. einem Hersteller oder Zwischenhändler) schließen, wodurch es indirekt zu einer Koordinierung ihres Wettbewerbsverhaltens kommt. Insoweit spricht man von Sternverträgen, weil die vertragliche Beziehung nicht zwischen den im Wettbewerb stehenden Unternehmen, sondern (sternförmig) zwischen jedem von ihnen und einem zwischen ihnen stehenden Dritten besteht.[238]
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Auch abseits vertraglicher Regelungen kann im Dreiecksverhältnis mit Dritten eine Verhaltenskoordinierung zwischen Wettbewerbern stattfinden, z.B. wenn es über einen Dritten zu einem Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen oder sonst zu einer faktischen Einwirkung auf das Wettbewerbsverhalten kommt. Der hierfür verwendete Begriff „Hub & Spoke“ stammt aus dem US-amerikanischen Recht und illustriert die indirekte Verhaltenskoordinierung anhand eines Rades, bei dem sich die Speichen („Spokes“, hier die Wettbewerber) über die gemeinsame Radnabe („Hub“, hier den Dritten) gleichförmig bewegen.[239]
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Vom Kartellverbot erfasst sind damit einerseits Fälle, in denen eine Abstimmung des Wettbewerbsverhaltens planmäßig über einen Dritten erfolgt. Das betrifft z.B. Verträge mit einem gemeinsamen Auftragsmittler, die gleichförmige Regelungen zur Auftragsverteilung unter den im Wettbewerb stehenden Auftragnehmern vorsehen,[240] oder Fälle, in denen ein gemeinsamer Berater bzw. Verband als „Moderator“ für wettbewerbliche Konfliktfälle oder als Mittler für einen Informationsaustausch eingesetzt wird.[241] Unter dem Gesichtspunkt des „Hub & Spoke“ ist aber auch verstärkt die Beteiligung von Händlern an „Preispflegemaßnahmen“ von (Marken-)Herstellern in den Fokus der Kartellrechtsdurchsetzung gerückt.[242] Sind Händler nicht nur „Adressaten“ von Preispflegemaßnahmen des Herstellers, sondern beteiligen sie sich aktiv hieran, z.B. indem sie dem Hersteller melden, wenn andere Händler die Preisempfehlungen des Herstellers unterschreiten, und ihn auffordern, zur Einhaltung der Preisempfehlung bei anderen Händlern aktiv zu werden, kann dies neben einem Verstoß im Vertikalverhältnis zwischen dem Hersteller und den Händlern (Preisbindung der zweiten Hand) auch einen selbstständigen Verstoß im Horizontalverhältnis zwischen den Händler begründen.[243] Entsprechendes gilt für den Fall, dass Händler ein bestimmtes Preisniveau einhalten, wenn der Hersteller im Gegenzug dafür sorgt, dass auch andere Händler das Preisniveau einhalten, oder wenn Händler im Interesse eines möglichst einheitlichen Preisniveaus im Handel ihre (Aktions-)Preise mit dem Hersteller planen und absprechen und auf diese Weise auch Einblick in die Preisplanungen anderer Händler erhalten.[244]
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Mit der gewachsenen Bedeutung digitaler Vertriebsformen einschließlich des Plattformvertriebs sind zunehmend auch neuartige Möglichkeiten der indirekten Abstimmung zwischen Wettbewerbern zu berücksichtigen. Diese können sich beispielsweise aus der Nutzung derselben Vertriebsplattformen oder Buchungssysteme ergeben. Die mit Vertriebsplattformen und Buchungssystemen verbundenen Vorgaben und Limitationen können das Wettbewerbsverhalten der Anbieter koordinieren. Beispielsweise kann die in einem gemeinsam genutzten Buchungssystem administratorseitig vorgesehene Begrenzung von Rabatten zu einer indirekten Abstimmung der Anbieter über Verkaufspreise führen.[245] Entsprechendes gilt für die Nutzung identischer Preissetzungsalgorithmen, wie sie z.B. von Fluggesellschaften beim Vertrieb von Flugtickets eingesetzt werden.[246]