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Penfields Interpretation des Epilepsieautomatismus

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Ein Patient, der einen epileptischen Anfall mit automatischem Verlauf erleidet, wird häufig damit fortfahren, die mehr oder weniger stereotypen Aufgaben zu erledigen, mit denen er beschäftigt war. Er wird allerdings in einer Fugue-Verfassung sein – das heißt, nach der Erholung wird er sich an nichts von dem, was er während des Anfalls getan hat, erinnern. Penfield deutete den Automatismus als Anzeichen dafür, dass der epileptische Anfall den Geist von dem trennte, was er, Hughlings Jackson folgend,107 „den höchsten Gehirnmechanismus“ (ein Vorgänger von Eccles’ ‚Liaison-Gehirn‘) nannte. Er nahm an, dass das Gehirn, solange der Automatismus andauert, das Verhalten eines ‚menschlichen Automaten‘ kontrolliert, und zwar gemäß der vorhergehenden Programmierung‘ durch den Geist. Gerade so, wie die Programmierung eines Computers ‚von außen‘ erfolgt, wird auch die Programmierung des Gehirns, das Penfield zufolge ein biologischer Computer ist, vom Geist durch den höchsten Mechanismus des Gehirns bewerkstelligt. Der Zweck kommt dem Gehirn von außerhalb seiner eigenen Mechanismen zu. Kurzzeit-Programmierung dient offenbar einem nützlichen Zweck, da sie die automatische Fortsetzung von Routinearbeiten ermöglicht, und das tritt während solcher epileptischer Anfallsphasen klar und deutlich zutage.

Dass dieser höchste, weitestgehend mit dem Geist verbundene Mechanismus eine wirkliche Funktionseinheit darstellt, wird durch die Tatsache belegt, dass die epileptische Entladung in die graue Substanz, die einen Teil seiner Verschaltungen umfasst, mit seiner selektiven Tätigkeit in Konflikt gerät. Während der epileptischen Beeinträchtigung der Funktion dieser grauen Substanz […] verflüchtigt sich das Bewusstsein, und mit ihm geht die Verhaltensregie und -planung. Das heißt, der Geist hört auf, tätig zu sein und in den normalen Funktionsablauf dieses Mechanismus einzugreifen.

Der menschliche Automat, der an die Stelle des Menschen tritt, wenn der höchste Gehirnmechanismus außer Kraft gesetzt wurde, ermangelt der Fähigkeit, vollständig neue Entscheidungen zu treffen. Es ist ein der Fähigkeit, neue Gedächtnisarchive anzulegen, beraubtes Ding, das nicht mehr über jene undefinierbare Eigenschaft verfügt, den Sinn für Humor. Der Automat ist nicht in der Lage, sich von einem Sonnenuntergang ergreifen zu lassen oder Zufriedenheit, Glück, Liebe und Mitleid zu erfahren. Denn hierbei handelt es sich, wie bei allem Bewusstsein, um Funktionen des Geistes. Der Automat ist ein Ding, das Reflexe und Fertigkeiten offenbart, angeborene und erworbene, bei denen wir es mit den typischen Merkmalen eines Computers zu tun haben. (MM 47)

Obwohl Penfield keine nachprüfbare Hypothese dazu riskiert, wie diese Interaktion vonstattengeht, behauptet er, dass der höchste Gehirnmechanismus gleichsam das ausführende Organ des Geistes ist. Er empfängt vom Geist Anweisungen und leitet sie zu den verschiedenen Gehirnmechanismen weiter (MM 84). Der Geist steuert das aktive Gehirn. Er verfügt über kein eigenes Gedächtnis. Die Inhalte des Bewusstseinsstroms werden jedoch im Gehirn aufgezeichnet (das unwillkürliche Wiederfinden verloren geglaubter Inhalte während der kortikalen Stimulation des Gehirns im Laufe von Operationen scheint dies zu belegen). Wenn also der Geist einen Gedächtnisinhalt wiederfinden muss, öffnet er blitzartig die ‚Gedächtnisdateien‘ des Gehirns mit Hilfe des höchsten Gehirnmechanismus (MM 49).

Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften

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