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2. Die Annahme, dass die Frage, ob Gehirnmechanismen den Geist erklären können, eine empirische ist

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Die zweite Vorannahme besteht darin, dass die Frage, die ihm soviel Kopfzerbrechen bereitete – nämlich, ob die Gehirnmechanismen den Geist ausmachen, ob der Geist anhand dessen, was über das Gehirn bekannt ist, erklärt werden kann –, eine empirische Frage ist. Wie Sherrington fasste Penfield die Sache als eine Entscheidung zwischen zwei unterschiedlichen empirischen Hypothesen auf. Entweder können wir alles, was der Geist tut – denken und glauben beispielsweise, folgern, wollen und Zwecke verfolgen, Absichten haben und Entscheidungen treffen, willkürlich und intentional handeln –, mit neuralen Zuständen und Ereignissen erklären oder wir müssen den Geist als unabhängige Substanz vorstellen, die sich in unmittelbarer kausaler Interaktion mit dem Gehirn, und folglich mit dem Körper, befindet. Die Wahl soll auf die Hypothese fallen, die die stärkeren ‚Evidenzen‘ auf ihrer Seite hat und die über die größere Plausibilität und Erklärungskraft verfügt.

Beide Vorannahmen gehen in die Irre. Wie wir bereits deutlich gemacht haben, ist der Geist keine Substanz, gleich welcher Art. Die Rede vom Geist ist lediglich eine Façon de parler, eine Möglichkeit, um über menschliche Vermögen und ihre Ausübung reden zu können. Wir sagen von einem Wesen (in erster Linie vom Menschen), dass es Geist hat, wenn es über ein Spektrum von aktiven und passiven Verstandes- und Willensvermögen verfügt – insbesondere die Begriffsvermögen eines Sprachverwenders, die Selbstbewusstsein und Selbstreflexion ermöglichen. Die Redewendungen, die das Substantiv ‚Geist‘ einschließen, beziehen sich auf das Denken, das Gedächtnis und den Willen als ihre semantischen Brennpunkte. Und sie lassen sich ohne Weiteres in psychologischen Wendungen, in denen das Wort nicht vorkommt, umschreiben (wir werden diesen Fall in 3.10 etwas detaillierter erörtern).

Ein Mensch ist nicht mit seinem Geist identisch. Geist ist etwas (jedoch kein Ding), von dem man sagt, dass ein Mensch es hat, nicht, dass er es ist. Indem es Geist hat, hat ein Lebewesen (das damit auch eine Person mit Rechten und Pflichten ist) eine Reihe charakteristischer Fähigkeiten. Und es ist offenkundig beides richtig: dass ein Lebewesen nicht mit dem Spektrum an Fähigkeiten identisch sein kann und dass ein menschliches Wesen, wenn es hinreichend viele dieser charakteristischen Fähigkeiten verliert, kein Mensch mehr sein kann (und nur noch in einem ‚vegetativen Zustand‘ existiert). Der Geist ist nicht das Subjekt der psychologischen Attribute, ebenso wenig wie das Gehirn. Das lebendige menschliche Wesen ist dieses Subjekt – das Lebewesen als Ganzes, nicht eines seiner Teile oder ein Teil seiner Vermögen. Das, was sich entschließt [makes up its mind] oder entscheidet, was sich etwas ins Gedächtnis zurückruft [calls something to mind] oder wiedererinnert und was seine Ansicht zu diesem oder jenem ändert [turns its mind] und denkt, ist nicht mein Geist [not my mind] – das bin ich, diese Person. Darum ist der Geist auch kein kausaler Akteur, der durch seine Aktivitäten Veränderungen im Körper und seinen Gliedern bewirkt. Es sind vielmehr die Menschen, die Überlegungen anstellen, sich entscheiden und Handlungen vollziehen, nicht ihr Geist.

Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften

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