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Kapitel 5 - Medea

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Medea hatte sich mit ihrem Vogelkäfig in eine ruhige Ecke zurückgezogen. Sie lauschte auf die Atmung der anderen und erst als sie sich sicher war, dass alle schliefen, sprach sie leise den kleinen Vogel an: »Liebe Lerche, ich sehne mich in diesen dunklen Stunden nach deiner tröstenden Stimme.«

»Schöne Medea, deine liebliche Stimme würde jede Nacht erhellen«, flötete der Vogel sogleich zurück.

Medea war darüber so erleichtert, dass sie leise kicherte.

Nachdem die Lerche sich vor Heera geweigert hatte, mit ihr zu sprechen, hatte sie schon gefürchtet, dass sie nie wieder ihre Stimme hören würde. »Wie bin ich froh, dass du wieder mit mir sprichst! Aber sag mir, liebste Lerche, warum hast du mir nicht vor meiner Schwester geantwortet? Sie muss nun glauben, ich wäre dem Wahnsinn endgültig verfallen.«

»Verzeih mir, dass ich dir nicht helfen konnte«, piepste der Vogel bedauernd. »Unsere Verbindung ist eine ganz besondere und deshalb bist du der einzige Mensch, mit dem es mir erlaubt ist zu sprechen.«

»Erlaubt?«, wiederholte Medea irritiert. »Aber wer sollte dir verbieten, mit jemand anderem als mir zu sprechen?«

»Mein Herz«, zwitscherte die Lerche. »Es gehört dir ganz und gar.«

Die Worte des kleinen Vogels waren so süß, dass Medea verlegen den Kopf senkte.

Nie zuvor hatte ihr jemand etwas Liebevolleres gesagt. Es waren die Worte, von denen sie geträumt hatte, sie irgendwann aus Prinz Leans Mund zu vernehmen. Zwar verstand sie nicht deren tiefere Bedeutung, aber sie wollte nicht länger darauf herumreiten.

»Nun schlaf, Medea«, forderte die Lerche sie zärtlich auf. »Die Tage sind lang und die Nächte kurz. Du wirst deine Kraft brauchen.«

»Der Schlaf will nicht kommen«, klagte Medea. »Meine Sorgen sind zu groß. Ich kann nicht aufhören, an meine lieben Eltern, meine kleine Schwester und den Prinzen zu denken. Glaubst du, es geht ihnen gut, dort, wo sie jetzt sind?«

»Zumindest sind sie zusammen. Ist das nicht ein gutes Zeichen?«

Medea nickte. »Vater würde niemals zulassen, dass ihnen etwas geschieht, und Lean wird für alle sorgen. Er wird einmal ein guter König. Wie sehr wünschte ich mir dann, die Frau an seiner Seite zu sein.«

»Das wirst du gewiss«, versicherte der Vogel zuversichtlich. »Nun schließ die Augen und träume von deinem Prinzen. Vielleicht kann er dort, wo er ist, spüren, wie sehr du an ihn denkst, und aus deiner Liebe Kraft schöpfen.«

Medea schlang sich die raue Wolldecke enger um den Körper und rollte sich in der Ecke zwischen den leeren Kartoffelsäcken zusammen.

Bereits jetzt war ihr Kleid erneut von einer Staubschicht bedeckt, aber daran würde sie sich gewöhnen müssen, denn so bald würden sie keinen Bach finden, an dem sie sich waschen könnte. Unter diesen Umständen war es vielleicht sogar besser, dass der Prinz sie nicht sehen konnte.

»Liebste Lerche, würdest du für mich singen, bis ich eingeschlafen bin?«, bat sie vertraut.

»Nichts lieber als das«, zwitscherte der treue Vogel und begann sogleich eine zarte Melodie anzustimmen.

Sollten die anderen davon aufwachen, würden sie nur einen singenden Vogel hören und keinen Verdacht schöpfen.

Sosehr sich Medea auch gewünscht hatte, Heera würde ihr glauben, dass der Vogel sprechen konnte, genoss sie es auch, ein Geheimnis vor den anderen Mädchen zu haben. Es machte sie zumindest ein klein wenig zu etwas Besonderem.

Verhalte dich so,

wie du von anderen wahrgenommen werden möchtest.

Nur wer uneigennützig handelt,

wird auf Gegenliebe stoßen.

Märchenhaft-Trilogie (Band 2): Märchenhaft erlöst

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