Читать книгу Promise - Maya Shepherd - Страница 5
Prolog
ОглавлениеKennt ihr das Gefühl, wenn man spürt, dass etwas Schreckliches passieren wird? Aber anstatt auszuflippen, fühlt man sich leer und wie innerlich erfroren. Einfach weil man weiß, dass man es nicht ändern kann. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als machtlos dazustehen und dem Unheil entgegenzublicken. Zudem ist da die Hoffnung, dass alles doch nicht so schlimm werden wird. Der Wunsch nach einer Rettung in letzter Sekunde.
Wir sind alle betroffen, egal ob alt oder jung, dick oder dünn, schwarz oder weiß. Die Seuche macht keine Unterschiede. Es kann jeden treffen.
Es werden Menschen sterben, die wir nicht einmal kennen, und mit ihnen sterben der Strom, das Licht, die Wasserversorgung, die Nahrungsmittelproduktion und alles, was man sonst noch zum Leben im einundzwanzigsten Jahrhundert braucht. Das alles wegen einer Krankheit, die mit einem kleinen Schnupfen beginnt und mit hohem Fieber, Haarausfall und Hautausschlag am ganzen Körper endet. Solange, bis einem nichts mehr übrig bleibt, als auf den eigenen Tod zu hoffen.
Die Nachrichten überschlagen sich mit Theorien zu der Seuche. Die Presse hat sie Polyora getauft. Poly steht für die vielen Menschen, die ihr bereits zum Opfer gefallen sind und Ora bedeutet das Ende.
Die Erwachsenen haben kein anderes Gesprächsthema mehr. Egal, wohin man geht, überall trifft man Menschen, in deren Bekanntenkreis bereits jemand an dem Virus gestorben ist. Jeden Abend werden im Fernsehen Statistiken eingeblendet, die zeigen, wie viel Prozent der Welt-bevölkerung der Seuche bereits zum Opfer gefallen sind. Gleichzeitig werden die Forscher aber nicht müde zu betonen, dass sie an einem Gegenmittel arbeiten. Es hat selbstverständlich höchste Priorität und alle anderen Forschungen wurden eingestellt. Jeder, der auch nur ein wenig Ahnung von dem Thema hat, beschäftigt sich Tag und Nacht nur noch mit der Suche nach dem dringend benötigten Impfstoff. Es ist die größte Katastrophe in der Geschichte der Menschheit. Nicht einmal der Pest fielen so viele Menschen zum Opfer und doch muss es einen Weg zur Heilung geben. Die Lösung muss zum Greifen nahe sein. Denn anders wäre es nicht zu erklären, weswegen manche Menschen verschont bleiben.
Bei all der Panik bilden sich viele Sekten und neue Glaubensgemeinschaften, die die Verschonten damit erklären, dass sie ohne Schuld seien. Alles sei der Wille Gottes, der die Welt reinwaschen wolle. Doch daran glauben weder meine Eltern noch ich. Wir waren nie besonders gläubig, sind nie in die Kirche gegangen. Nicht einmal ein Tischgebet haben wir gesprochen. Warum sollten wir dann jetzt damit anfangen? Doch trotzdem erwische ich meine Mutter immer häufiger dabei, wie sie in einem ruhigen und scheinbar unbeobachteten Moment die Hände faltet und still vor sich hin betet. Sie hat große Angst, das sehe ich ihr an. Ihre Augen sind oft vom Weinen gerötet und geschwollen.
Als ich zwölf Jahre alt war, hatten meine Eltern aufgehört, abends an mein Bett zu treten, mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben und mir schöne Träume zu wünschen. Es war mir peinlich und ich habe ihnen erklärt, dass man so etwas bei großen Kindern nicht mehr macht. Doch seit vier Wochen kommen sie wieder jeden Abend zu mir. Sie setzen sich auf meine Bettkante und blicken mich voller Sorge an. Sie erzählen mir dann, dass ich mich nicht fürchten solle, dass alles sich schon irgendwie regeln würde. Egal was passieren wird, das Leben würde für mich weitergehen und es würde alles wieder gut werden. Ich weiß nicht, wovor sie sich mehr fürchten: Dass ich die Seuche bekomme und vor ihnen sterbe oder dass sie sterben und mich alleine zurücklassen müssen?
Oft liege ich die ganze Nacht lang wach in meinem Bett und versuche mir wirklich ernsthaft vorzustellen, wie die Welt ohne meine Eltern sein wird, ohne Strom und all die Dinge, die für mich zum Alltag dazugehören. Doch es gelingt mir nicht.
Vor einigen Tagen habe ich in unserem Garten versucht, mit zwei Stöcken ein Feuer zu entfachen. Aber anstatt Funken zu produzieren, habe ich mich nur mit einem der beiden Stöcke in den Arm geritzt, sodass es blutete. Wie soll ich in dieser veränderten Welt jemals überleben? Ich werde in einer Welt ohne Strom nicht einmal ein Licht in der Dunkelheit haben.
Natürlich könnte ich mich mit anderen Überlebenden zusammentun, aber ich hatte noch nie viele Freunde. Schon immer war ich eher eine Einzelgängerin, weil ich mich nicht gerne auf andere verlasse.
Neben meinen Eltern gibt es nur einen Menschen, für den ich bedingungslos alles tun würde: Miro. Er ist mein bester Freund. Mehr als das, er ist der Bruder, den ich nie hatte. Mit ihm teile ich meine Wünsche und Träume ebenso wie meine Sorgen und Ängste. Wann immer ich traurig bin, zaubert er mir ein Lächeln ins Gesicht.
Wenn die Welt untergeht, wird er meine Hand halten und mit mir auf den Trümmern tanzen.