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Als sie am nächsten Morgen wieder ins Dorf zurückkommen, war die Nacht über alles ruhig gewesen. Rosa und Lucinda kochen Maisbrei, holen eine Bastmatte aus der Hütte und legen sie davor auf die Erde. Sie setzen sich, um zu essen. Sie haben noch nicht miteinander gesprochen, seit sie aufgewacht sind, aber jetzt bricht Rosa das Schweigen.

»Josinas Familie geht heute«, sagt sie. »Sie meinen zu wissen, wo der nächste Regierungsstützpunkt ist, und wollen versuchen, dorthin zu gelangen. Ich finde, das klingt vernünftig.«

Josina ist Rosas beste Freundin.

»Wenn es hier noch einen Stützpunkt gäbe, dann hätten wir Soldaten in der Gegend sehen müssen, aber das hat seit langem niemand mehr getan. Sie haben sie vielleicht verlegt«, sagt Anselmo und fügt hinzu: »Ich glaube, es ist besser, in die Stadt zu gehen.«

Eigentlich weiß er überhaupt nicht so genau, was besser ist. Das meiste kommt ihm falsch vor.

Zu bleiben ist zu gefährlich. In die Stadt zu gehen, ohne zu wissen, ob Onkel Miguel noch da ist, scheint zu unsicher. Einen Regierungsstützpunkt zu suchen, den es vielleicht nicht mehr gibt, scheint nicht viel klüger zu sein.

Und doch sind das genau ihre Wahlmöglichkeiten.

Sie hören wieder dem alten Alfredo zu, aber er kann auch keine Ratschläge geben, denn was immer er rät, kann falsch sein, sagt er. Er selbst wird jedoch im Dorf bleiben. Er ist zu alt zum Fliehen.

Das überzeugt auch Anselmos Großeltern.

»Wir wollen lieber hier sterben, wo wir zu Hause sind, als auf dem Weg zu einem unbekannten Ort, über den wir nichts wissen«, sagt der Großvater.

Jemand fragt den alten Alfredo nach dem Regierungsstützpunkt.

»Es hat einen gegeben«, antwortet er. »Aber ihr müsst damit rechnen, dass er nicht mehr da ist. Ihr müsst in den Dörfern fragen, an denen ihr vorüberkommt. Da weiß man vielleicht mehr.«

Anselmo geht mit Rosa, um mit Josina und ihrer Familie zu sprechen.

»Ich weiß, dass es ein Risiko ist«, sagt Josinas Mutter. »Aber was sollen wir machen?«

Anselmo erzählt von dem Versprechen, das er dem Vater gegeben hat.

»Wenn es den Stützpunkt noch gibt, dann liegt er in der gleichen Richtung, die ihr gehen müsst, um in die Stadt zu kommen«, sagt Josinas Bruder Isak.

Das ist entscheidend für Anselmos Beschluss. Sie werden zusammen mit Josinas Familie fliehen.

Paolo und seine Mutter Atisha entscheiden sich fürs Bleiben. Sie glauben, dass sie es schaffen, wenn sie im Busch schlafen.

»Wir werden Wachen aufstellen«, sagt Paolo.

Anselmo bittet ihn, sich um die Großeltern zu kümmern. Rosa richtet ein Bündel mit Mandiokawurzeln, Mais und Kokosnüssen. Lucinda muss den Wasserkanister tragen. Anselmo nimmt seine Machete mit.

Sie machen sich am Nachmittag auf den Weg, die Sonne steht noch hoch und sie beschließen zu gehen, bis es dunkel wird, dann wollen sie Schutz suchen und sich ausruhen.

Noch eine Familie schließt sich ihnen an und dann noch weitere.

Anselmo macht sich Sorgen, dass es so viele sind. Man kann sie bestimmt im weiten Umkreis hören.

Zuerst gehen sie alle schweigend, aber allmählich fangen die Frauen an, miteinander zu flüstern. Das Flüstern wird zum Sprechen und Rufen, bis Isak stehen bleibt und sich zu ihnen umdreht.

»Seid still!«, ruft er ärgerlich. »Wir gehen nicht in die Machamba!«

Anselmo ist ganz seiner Meinung, aber manche sind auch verärgert.

Kurz bevor es dunkel wird, schlagen sie sich in das mannshohe Gras. Die meisten fallen um vor Müdigkeit. Anselmo liegt bei seinen Schwestern und dem kleinen Julio, als plötzlich eine der Frauen vor ihm steht.

»Lucindas Bluse ist viel zu hell«, sagt sie. »Man kann sie von weitem sehen. Sie kann uns verraten.«

Anselmo nickt. Die Frau hat Recht. Rosa angelt einen zerschlissenen Pullover aus ihrem Bündel und reicht ihn Lucinda.

Man stellt Wachen auf und beschließt sich während der Nacht abzuwechseln, sodass alle wenigstens ein paar Stunden Schlaf bekommen. Anselmo muss von Mitternacht bis zum Morgengrauen wachen.

Isak weckt ihn. Die Geschwister schlafen dicht beieinander, und Isak tritt aus Versehen auf die Hand des kleinen Julio. Sein Schrei schneidet durch die Nacht. Rosa gelingt es nicht, ihn zu beruhigen, und bald sind alle wach. »Wenn du ihn nicht still bekommst, musst du weggehen«, sagt jemand.

Rosa steht auf, wickelt Julio in die Capulana ein, in der sie ihn trägt, und verschwindet mit ihm. Anselmo und Lucinda folgen ihr. Aber Isak holt sie schnell ein.

»Du hast versprochen, mich abzulösen«, sagt er. »Das hatten wir so beschlossen.«

Rosa bleibt stehen.

»Das stimmt«, sagt sie. »Du wirst hier gebraucht, und ich will, dass Lucinda bei dir bleibt. Es ist besser, wenn ich alleine gehe. Ich komme zurück, wenn er sich beruhigt hat. Ansonsten komme ich, wenn der Morgen dämmert.«

»Das gefällt mir nicht«, sagt Anselmo, aber er versteht, dass Julios wütendes Geschrei sie alle verraten kann.

»Ich gehe ein Stück in diese Richtung«, sagt Rosa und zeigt in die Richtung, wo die Sonne sich bald zeigen würde. »Hab keine Angst. Er beruhigt sich bestimmt gleich.«

Lucinda nimmt Anselmos Hand. Sie bleiben zusammen stehen und hören Julios Geschrei immer schwächer werden, bis die Nacht um sie herum wieder still ist . . . abgesehen von den Grillen.

Anselmo späht ins Dunkel. Lucinda bleibt neben ihm. Nach einer Weile sagt er ihr, sie solle sich hinlegen und versuchen, noch ein bisschen zu schlafen.

Sie kann sonst nicht morgen den ganzen Tag laufen, denkt er.

Er versteht natürlich, dass sie Angst hat. Sie ist ja erst acht Jahre alt.

Anselmo - ein Kindersoldat in Mosambik

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