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Anselmo und Lucinda werden getrennt, und sie wagen nicht zu protestieren. Lucinda wird zu einer Hütte gebracht, wo noch andere Mädchen und Frauen sind. Anselmo wird von Wilson geholt, einem großen, schlaksigen Jungen von ungefähr fünfzehn Jahren. Er hat eine große, hässliche Narbe über der einen Wange und einen kalten, durchdringenden Blick. Auch er hat eine Pistole im Hosenbund. Anselmo kann ihn vom ersten Moment an nicht leiden, und er weiß, dass es auf Gegenseitigkeit beruht. Er weiß eigentlich nicht, warum. Sie kennen sich ja noch gar nicht.

Wilson nimmt ihn zu einer Hütte neben der der Männer, hier warten weitere fünf Jungen. Drei sind in Anselmos Alter. Die anderen scheinen etwas älter, vielleicht dreizehn, vierzehn zu sein. Die älteren und einer der jüngeren haben Maschinenpistolen und Macheten. Die anderen haben nur Macheten. Niemand sagt etwas. Es werden keine Fragen gestellt, sie warten.

Warten worauf, denkt Anselmo und setzt sich zu den anderen.

Bis der Befehl zum Aufbruch kommt, da versteht er alles. Und er kann nicht verhindern, dass er denkt, wenn er und Lucinda nur ein wenig später in das Dorf gekommen wären, dann wären die Banditen schon weg gewesen und er und seine Schwester wären nicht gefangen genommen worden.

Anselmo war der Meinung, dass er und Lucinda in den letzten Tagen schnell vorwärts gekommen waren, aber das war nichts gegen das Tempo, das sie jetzt mithalten müssen. Er sieht seine Schwester weiter vorne. Hoffentlich schafft sie es. Als er einmal zufällig auf gleiche Höhe mit einem der Mädchen kommt, fragt er vorsichtig: »Wohin gehen wir?«

Sie antwortet ihm nicht. Vielleicht hat sie sein Flüstern nicht gehört. Er setzt an sie noch einmal zu fragen, aber da knallt es auf seinem Kopf, dass er zu Boden fällt. Wilson hat ihn mit dem Pistolenkolben geschlagen.

»Niemand redet, ohne gefragt zu werden«, sagt er.

Anselmo steht auf und geht ohne ein Wort weiter. Der Schmerz droht ihn zu zersprengen, aber er beißt die Zähne zusammen. Die anderen sind nicht einmal stehen geblieben. Sie sind offensichtlich an Derartiges gewöhnt. Jetzt muss er am Schluss gehen, nur Wilson geht noch hinter ihm.

Sie halten erst in der Dämmerung an. Die Männer essen die Mandioka aus Lucindas Bündel, sie trinken auch fast das ganze Wasser. Die Kinder und die Frauen bekommen nur einen kleinen Schluck. Nach einer kurzen Pause bekommen sie den Befehl weiterzugehen.

Sie gehen die ganze Nacht. Es ist eine dunkle Nacht. Klebrig warm und gewitterschwer. Anselmo wird immer müder, aber er macht sich vor allem Sorgen um Lucinda. Er sieht sie nicht in der Dunkelheit und ist selbst vollauf damit beschäftigt, nicht über eine Wurzel oder einen Stein zu fallen.

Die Männer und die meisten Kinder scheinen ans Marschieren gewöhnt zu sein. Außer einigen Mädchen und den beiden kleineren Jungen mit den Macheten. Er hört sie schwer und angestrengt atmen.

Sie sind noch nicht so lange dabei wie die anderen, denkt er. Wo sie wohl herkommen und wie sie wohl zum Mitkommen gezwungen worden sind? Sind sie bei einem Überfall entführt worden wie Emilio? Oder hat man sie wie ihn und Lucinda zum Mitkommen gezwungen?

In der Morgendämmerung kommen ihnen von der Anhöhe, die sie gerade passieren, zwei fremde Jungen entgegen.

Wachen oder Späher, denkt Anselmo.

Sie verschwinden wieder, nachdem sie mit Kapitän Manuel, dem Anführer, gesprochen haben, und endlich kommt der Bescheid, dass man ein Lager zum Ausruhen aufschlagen wird.

Da sie nichts zu essen haben, trinken sie den Rest des Wassers und legen sich sofort zum Schlafen hin. Alle, außer denen, die zum Wachen eingeteilt sind. Anselmo versucht, so nahe wie möglich an Lucinda heranzukommen, aber er traut sich nicht bis ganz zu ihr. Was er auch tut, er hat das Gefühl, von Wilsons Augen durchbohrt zu werden.

Als er aufwacht, sieht er, dass Wilson mit einigen Männern spricht. Sie sitzen mit dem Rücken zu ihm. Er robbt sich so vorsichtig wie möglich in Richtung der Mädchen. Aber Lucinda schläft noch, und er will sie nicht wecken. Das Mädchen daneben hat ihn gesehen.

»Ist sie deine Schwester?«, flüstert sie.

Er nickt.

»Sie schafft es bestimmt, sie ist stark.«

»Was passiert, wenn jemand nicht mehr kann?«

»Ein Mädchen aus meinem Dorf war so müde, dass sie hinfiel und sich so sehr den Fuß verletzte, dass sie nicht weitergehen konnte. Sie zwangen uns, sie zurückzulassen. Wir baten, dass eine von uns bei ihr bleiben durfte, aber da sagte Kapitän Manuel, dass er alle, die nicht sofort weitergehen würden, eigenhändig erschießen werde. Ich muss die ganze Zeit an sie denken. Sie hatte doch weder Wasser noch etwas zu essen . . . sie war meine beste Freundin.«

»Vielleicht ist jemand vorbeigekommen und hat ihr geholfen«, sagt Anselmo.

»Nein, bestimmt nicht, da war kein Dorf in der Nähe.«

Die Männer und Wilson stehen auf.

Anselmo und das Mädchen legen sich mit den Rücken gegeneinander und tun so, als schliefen sie.

Anselmo - ein Kindersoldat in Mosambik

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