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Wenn Anselmo nicht auf der Machamba arbeitet oder seinen Schwestern hilft, dann ist er mit seinem besten Freund Paolo zusammen.

Paolos Vater wurde vor einigen Jahren im Krieg getötet. Paolo ist der älteste von drei Geschwistern. Die anderen beiden sind Mädchen. Graça ist ungefähr sechs und Tamara ungefähr vier Jahre alt. Paolo ist ein bisschen älter als Anselmo. Er muss seiner Mutter Atisha viel helfen, weil die Schwestern noch so klein sind. Er muss auch bei Arbeiten helfen, die Männer sonst nicht machen, aber Paolo kämpft sich durch, und Anselmo schaut zu ihm auf wie zu dem großen Bruder, den er nicht hat.

Eines Abends, es ist einige Mondumläufe her, dass Anselmos Vater weggegangen ist, fragt er seine Mutter, ob er nicht bald zehn Jahre alt sei. Sie denkt eine Weile nach, dann nickt sie nachdenklich und sagt, dass es wohl so weit sei.

»Dann bin ich jetzt ein Mann«, sagt er feierlich, aber seine Mutter lacht ihn nur aus.

Als sie gegessen haben, geht er gleich zu Paolo.

»Meine Mutter sagt, dass ich jetzt zehn Jahre alt bin«, sagt er stolz.

»Dann bin ich zwölf«, sagt Paolo.

Dann machen sie ihre übliche Runde durch das Dorf, um zu sehen, was los ist.

Drüben bei Fernando sitzen wie immer einige Männer und trinken Bier. Sie sind sich offenbar uneinig über etwas, sie reden laut und ärgerlich. Die Jungen sind neugierig, und im Schutz der Dunkelheit schleichen sie sich bis ganz nahe an die Hütte, um heimlich zu lauschen.

Der Streit dreht sich natürlich um den Preis für das Bier. Da Fernandos Kunden normalerweise kein Geld haben, lässt er sie ihre Schulden auf seinen Machambas abarbeiten. Er besitzt mehrere Machambas, und einige gehören ihm nur deshalb, weil die Männer sie vertrunken haben. Im Moment sieht es besonders schlecht aus für den alten Ernesto. Die anderen haben Mitleid mit ihm.

»Wenn er seine einzige Machamba verliert, dann wird er nichts zu essen haben«, sagt einer von ihnen.

Aber Fernando ist unerbittlich und sagt, er habe Ernesto unzählige Male gewarnt. Und wenn jemand im Dorf zählen kann, dann ist es Fernando. Aber ebenso viele Male hat Ernesto ihn überredet, ihm noch eine Flasche Bier zu geben.

»Armer Ernesto«, flüstert Paolo. »Heute Abend scheint es richtig schlimm um ihn zu stehen.«

Da sieht Anselmo zwei Flaschen, die an der Palme direkt neben ihnen lehnen. Er stößt Paolo in die Seite und zeigt darauf.

»Wenn Fernando sein Bier so herumstehen lässt, ist er selber betrunken«, sagt er. »Man kann es ja einfach mitnehmen.«

»Dann nehmen wir es«, schlägt Paolo vor. »Wenn er dem alten Ernesto seine Machamba wegnimmt, dann nehmen wir ihm sein Bier weg.«

Anselmo ist einverstanden. Ernesto wird dieses Bier morgen früh dringend brauchen, wenn er aufwacht und feststellen wird, dass er seine einzige Machamba verloren hat. Dann braucht er ganz bestimmt etwas, um seine Sorgen zu ertränken.

Es dauert nur Sekunden und dann sind die beiden Flaschen und die Jungen weit weg. Sie laufen in den Busch, um sie zu verstecken.

»Dort . . . unter den Büschen da vorne . . . da verstecken wir sie«, sagt Anselmo.

Der Mond scheint nicht, aber die Jungen sind es gewohnt, sich im Dunkel unter den Sternen zurechtzufinden.

Während sie die Flaschen verstecken, fragt Paolo: »Hast du schon einmal Bier getrunken?«

Anselmo schüttelt den Kopf.

»Du?«

»Ein-, zweimal«, sagt Paolo. »Ich finde, es schmeckt ganz gut.« Seine Augen glänzen.

»Sollen wir einen Schluck trinken? Schließlich bist du zehn, und da musst du es wenigstens versucht haben.« Er sieht, dass Anselmo zögert.

»Es wird auch noch für Ernesto reichen«, sagt Paolo und holt die eine Flasche. Er zieht den Korken heraus, trinkt einen Schluck und reicht Anselmo die Flasche.

Paolo hat Recht, denkt Anselmo. Wenn man zehn ist, muss man es wenigstens versucht haben.

Er setzt die Flasche an den Mund und trinkt einen ordentlichen Schluck. Es schmeckt überhaupt nicht gut. Es schmeckt eklig. Aber laut sagt er: »Nicht übel.«

»Fernando ist zwar böse und gemein, aber er braut ein gutes Bier«, sagt Paolo und nimmt noch einen Schluck, bevor er die Flasche wieder Anselmo zurückgibt, der findet, dass es immer besser schmeckt, je mehr man davon trinkt. Außerdem genießt er diese merkwürdige, wohlige Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitet.

Ich bin zehn Jahre alt, denkt er glücklich. Ich habe versprochen, mich um die Familie zu kümmern, und das werde ich tun, da kann Mama lachen, so viel sie will.

Er muss pinkeln und steht auf. Verblüfft und nicht wenig überrascht, merkt er, wie der ganze Busch sich um ihn dreht. Er schließt die Augen und öffnet sie wieder, aber das hilft nicht.

»Ich glaube, ich bin betrunken«, stellt er sachlich fest.

»Ich auch«, sagt Paolo lachend.

»Mutter wird böse werden«, sagt er. »Sehr böse.«

»Sie ist eine Frau«, sagt Paolo. »Frauen mögen es nicht, wenn Männer trinken. Meine Mutter mag es auch nicht.« »Sie werden bestimmt miteinander sprechen, und dann werden sie noch ärgerlicher sein«, sagt Anselmo seufzend.

»Wir schlafen heute Nacht hier«, schlägt Paolo vor. »Morgen sind wir wieder nüchtern, dann denken wir uns eine gute Ausrede aus und gehen wieder nach Hause.«

»Dann können sie nicht böse werden«, sagt Anselmo.

»Wenn sie bloß wüssten, wie rücksichtsvoll wir sind«, fährt Paolo fort. »Wir sind wirklich gute Söhne, wir wollen den Schlaf unserer Mütter nicht stören.«

»Ja, sie können wirklich froh sein, dass sie uns so nicht zu sehen brauchen«, fügt Anselmo hinzu.

»Mein Vater wäre sehr stolz auf mich«, sagt Paolo.

»Meiner auch«, sagt Anselmo.

Sie denken an ihre Väter und vermissen sie. Sie sind plötzlich sehr ernst.

»Ich ziehe vielleicht auch in den Krieg«, verkündet Paolo.

»Ich auch«, schließt Anselmo sich an.

Tief ergriffen von ihren großartigen Überlegungen, holen sie die zweite Flasche hervor.

»Ich glaube, es ist wirklich nicht gut für den alten Ernesto, so viel zu trinken«, sagt Anselmo.

»Nein«, pflichtet Paolo ihm bei. »Er ist selber schuld.«

Anselmo - ein Kindersoldat in Mosambik

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