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3.2 Normalisierungsprinzip
ОглавлениеDas Normalisierungsprinzip wurde durch Nirje (1969, 1972) und Bank-Mikkelsen (1980) in Skandinavien eingeführt und fand durch Wolfensberger (1972) in den USA große Verbreitung. Das Streben nach Normalisierung präsentierte sich in Form einer Bürgerrechtsbewegung, als eine Reaktion gegen große Einrichtungen, in denen seit dem 19. Jahrhundert Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Störungen abgeschirmt von der Gesellschaft in oft erbärmlichen Zuständen lebten. Die Lebensbedingungen waren für diese Bewohner nicht nur inhuman, sondern auch nicht »normal« im Vergleich mit dem Leben außerhalb dieser Einrichtungen. Nirje betonte die Relevanz, den Menschen mit geistiger Behinderung einen »normalen Lebensrhythmus« zu ermöglichen und bedeutungsvolle Aspekte, wie Wohnen, Freizeit und Arbeit, als separate Lebensbereiche zu gestalten. In seinem späteren Werk arbeitet Nirje (1994) diese Gedanken weiter aus und formuliert das Recht des Menschen mit geistiger Behinderung auf einen normalen Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus, auf normale Entwicklungserfahrungen während der Lebensspanne, auf die Respektierung von Wahlmöglichkeiten, Wünschen und Bedürfnissen, auf eine zweigeschlechtliche Lebenswelt, auf ein Leben unter normalen ökonomischen Standards und auf Wohnen in einer normalen Wohnung und Nachbarschaft.
Diese Forderungen führten in vielen europäischen Ländern und in Nordamerika zu einer progressiven Politik der Enthospitalisierung und Deinstitutionalisierung. Wolfensberger und Thomas (1980) haben in den USA das Normalisierungsprinzip modifiziert und als Social Role Valorization Theory konzipiert. Bei dieser Theorie liegt der Fokus auf dem Gebrauch von kulturell positiv bewerteten Mitteln (Gesetzgebung, mediale Darstellung, usw.), wodurch es für Menschen mit Behinderungen möglich wird, als respektierter Bürger zu leben und nicht in einer sozialen Umwelt mit negativen Rollenerwartungen aufzuwachsen. Eine Strategie, zur Erreichung dieses Ziels, ist das Vermindern von Stigmata. Die andere Strategie besteht in der Veränderung von Auffassungen und Attitüden in der Bevölkerung durch die positive Bewertung von bisher eher negativ bewerteten Menschen mit Behinderungen (revaluing of »devalued« people).