Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!" - Meinhard Saremba - Страница 21

Meriten, Musik und Merkantiles

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Empfehlungsschreiben führten Brahms in Kreise, die auch die Schumanns für ihre Arbeit benötigten: Ausübende Musiker, um sich über die Kunst auszutauschen; wohlhabende Kulturfreunde, die Projekte förderten, und Institutionen, die Aufführungen realisieren konnten.

Der Mendelssohn-Schüler und spätere Schumann-Biograf Wilhelm Joseph von Wasielewski, mittlerweile Chorleiter in Bonn, freute sich im September 1853 über »den Besuch eines schmucken, blondhaarigen Jünglings« und erinnerte sich, dass er ihm »eine Visitenkarte Joachims überbrachte, auf deren Rückseite sich das humoristisch abgefaßte Signalement des jungen Ankömmlings befand«. Er nahm Johannes für einige Tage bei sich auf, dessen »frisches, natürlich ungezwungenes Wesen« ihm gefiel. Als aufgeschlossener Künstler nahm er keinen Anstoß daran, dass der hochtalentierte Musiker »den Wanderstab in der Hand, ein Ränzel auf dem Rücken tragend« bei ihm aufkreuzte.101

Allerdings hätte Johannes so verschwitzt und abgerissen kaum den Schumanns unter die Augen treten können. Den nötigen Schliff bekam er in Mehlem im kultur- und gastfreundlichen Hause des Kommerzienrates Wilhelm Ludwig Deichmann. Dieser war in Köln Leiter und Teilhaber des Handels- und Bankhauses A. Schaaffhausen’scher Bankverein und gründete vier Jahre später analog zu der Amsterdamer Bank seines Bruders in Köln das Bankhaus Deichmann & Co. Er habe Beziehungen bis in die höchsten Zirkel, hieß es, ja, bis hinauf zum preußischen Thron. Sein Landgut auf der Mehlemer Au am linken Rheinufer gegenüber von Königswinter strahlte etwas Aristokratisches aus. Innerhalb der Mauern seines Sommersitzes musizierten die angesehensten Künstler der Region, in deren Kreis Brahms rasch akzeptiert wurde. Der Pianist und Dirigent Franz Wüllner beschrieb Brahms als jemanden, dem »Energie und Geist aus den Augen blitzten«. Von dessen Kompositionen – darunter die frühen Klaviersonaten und Lieder – waren Wüllner und andere junge Musiker »sofort entzückt und begeistert«.102

Johannes entflammte für die Bibliothek der Deichmanns, die prall gefüllt war mit literarischen und wissenschaftlichen Publikationen. Zudem lernte er auch etliche Werke von Robert Schumann kennen, wobei er sich eingestehen musste, dass die Vorbehalte seines Lehrers Marxsen unbegründet waren und Louise Japha mit ihrer Schwärmerei für diese Musik doch recht hatte. Sie studierte mittlerweile bei Clara Schumann. Wenn sie akzeptiert worden war, warum sollte er diesmal abgewiesen werden? Immerhin hatte er mittlerweile viel an Erfahrung hinzugewonnen.

Johannes sah sich gezwungen, allen Mut zusammenzunehmen und es direkt bei den Schumanns zu versuchen. Er ahnte nicht, wie schwer die Prüfung war, die ihm bevorstand. Selbst als sie Joseph Joachim schon einige Jahre kannte, hegte die überaus kritische Clara Schumann noch immer Zweifel, denn »so entzückt aber alle von ihm sind, so will er uns doch gar nicht erwärmen«. Wie seinerzeit üblich, hatte man im privaten Kreis eines Abends in Leipzig gemeinsam musiziert: Clara spielte eine Sonate von Bach und Joachim trug Mendelssohns Violinkonzert vor, wobei am Klavier der Orchesterpart simuliert wurde. »Sein Spiel ist vollendet, alles schön, das feinste Pianissimo, die höchste Bravour, völlige Beherrschung des Instrumentes, doch das, was einen packt, wo es einem kalt und heiß wird, das fehlt«, notierte sie im Tagebuch über den 19-jährigen Geiger, denn »es ist weder Gemüt noch Feuer in ihm, und das ist schlimm, denn ihm steht keine schöne künstlerische Zukunft bevor, technisch ist er vollkommen fertig, das andre, wer weiß, ob das noch kommt?! – Er ist übrigens ein lieber, bescheidener Mensch, und eben deshalb tut mir’s doppelt leid, daß ich von ihm als Künstler nicht mehr entzückt sein kann.«103 Johannes ahnte gar nicht, wie hoch die Messlatte erst für unbekannte Klavierspieler lag.



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