Читать книгу Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz - Страница 19

13. Teil: Gruppenspiel mit Damen

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Schließlich war der Abend gekommen, und Giovanni hantierte emsig mit Pfannen und Töpfen, während wir das Speisezimmer für den geheimnisvollen Besuch vorbereiteten.

Um den schweren runden Eichentisch, der schon darauf wartete, dass die Gerichte aufgetragen würden, stellten wir vier Stühle auf, zierliche, gut gepolsterte, mit Seitenlehne zum Aufstützen der Arme. Die beiden Besucher sollten getrennt durch Volpe und mich einander gegenüber sitzen. Daraus war zu schließen, dass sie einander nicht gerade freundlich gesonnen waren.

Kaum waren wir mit diesen Vorbereitungen fertig und hatten uns in ein festliches Gewand gehüllt, da riss uns schon energisches Klingeln aus den Träumen. Kurz darauf geleitete Giovanni den ersten Gast hinein. Volpe kicherte, als ich vor Staunen das Maul nicht mehr zu bekam, denn es war … es war Cornelia, die da herein tänzelte, in ein schulterfreies blaues Minikleid gehüllt, das ihr nur eine Handbreit über das Gesäß reichte; dazu silberfarbene Flipflops an den Füßen. Sie trug keinerlei Schmuck und war weder geschminkt noch parfümiert.

Herausfordernd, um nicht zu sagen unverschämt frech blickte sie erst Volpe und dann mich an, ohne etwas zu sagen und kräuselte dabei verführerisch ihre auffällig breiten Lippen. Dann hockte sie sich lässig auf die Kante des Korbstuhles und schlug die rosig aufblühenden Schenkel übereinander, um sie in voller Länge zur Schau zu stellen, ja, sogar der Ansatz ihres winzigen, an gedrehten Schnüren befestigten Slips mit dem Muster einer Schlangenhaut wurde sichtbar; welch unverschämte Bestie!

Eine heiße Woge durchbrauste mich. Ich konnte die Blicke von diesem weiblichen Adonis nicht mehr losreißen. Ich war hingerissen. Mein Freund schmunzelte wissend und schwieg. Er kannte seinen weibstollen Pappenheimer.

Erneut meldete sich melodisch die Glocke. Kurz darauf brachte der Butler unseren zweiten und letzten Gast zu seinem Sessel. Es war, wie ich nun freilich erwartet hatte, Maria Augusta, die schöne Mutter des toten Raimondo.

Sie trug ein federleichtes, tief dekolletiertes bodenlanges Kleid, das ihre weibliche Figur umschmeichelte. Es war aus dunkelgrauer, fast schwarzer Seide gefertigt und in der Taille mit einer silbernen Kordel gegürtet. Das Gewand lief in feine Ärmel aus, welche unmittelbar am Handgelenk endeten. Ihre Füße steckten in filigran geflochtenen Sandalen, so herrlich, wie sie nur Italiens Schuhmacher zustande bringen.

Maria Augusta war dezent geschminkt und verströmte den sanften Duft der Rosen. Eine Halskette aus Bernstein sowie silberne Armreifen und schlichte Ringe aus Silber an den Fingern beider Hände ergänzten das Geschmackvolle und Gepflegte ihrer damenhaften Erscheinung.

Auch Signora Tiepolo blieb auf der Kante sitzen und warf zu Stein erstarrt verächtliche, ja, hasserfüllte Blicke auf die knabenhafte Erscheinung gegenüber, der sie sichtlich die unpassende Aufmachung verübelte. Der Gegensatz dieser fast gleichaltrigen Frauen konnte nicht größer sein.

Volpe begrüßte die beiden einander in wildem Hass zugetanen Personen mit einem netten »buona sera, signore«und hieß sie, es sich bequem zu machen, denn schon schleppte Giovanni das prall gefüllte erste Tablett herein, um die Speisen auf den Tisch zu bringen. Es wurde das Feinste vom Feinsten serviert, dazu der beste Wein samt lauwarmem Wasser zum Verdünnen, und Volpe hieß seine Gäste, munter zuzulangen.

Das taten sie denn auch, und mir ward jetzt mit jähem Schreck bewusst, welch gespenstisches Essen mein Freund hier veranstaltete, nämlich das Leichenmahl für Raimondo, der sich in der letzten Nacht das Leben genommen hatte, gegeben zugleich für Mutter und Ehefrau des Verblichenen.

Beide hatten, der alten italienischen Sitte gehorchend, den gesamten Tag über kaum etwas gegessen oder getrunken. Umso gieriger griffen sie nun zu und leerten die Becher, einen nach dem anderen. Alle Anspannung, alle Hemmungen schienen gefallen, und es dauerte nicht lange, bis der Geist des Weines seine Wirkung tat, Zungen und Seelen zu lösen. Bekanntlich wird nirgendwo so viel gelacht wie auf der Leichenfeier. Volpe nahm nun, als er den Augenblick für gekommen hielt, das Wort und sagte:

»Liebe Maria Augusta, liebe Cornelia, ich habe euch hierher zu einem privaten Abendessen geladen, um des Toten auf eine angemessene Weise zu gedenken, sowie diese heikle Angelegenheit mit euch zu besprechen. Sollte das Ergebnis zu meiner Zufriedenheit ausfallen, werde ich die Sache auf sich beruhen lassen. Wenn ihr aber nicht mit mir zusammenarbeitet, muss ich leider den Tenente di Fusco einschalten und ihm berichten, was ich weiß. Kommen wir zur Sache!

Jemand hat sich, ohne bereits um den Selbstmord des Raimondo wissen zu können, darum bemüht, ihn aus dem Gefängnis zu befreien, indem er vergangen Nacht eine fette Hure erdolchte. Sie hieß übrigens Amanda und war ein Dreckstück; dennoch: Mord bleibt Mord, obwohl das eine sinnlose Tat war.«

Cornelias Lippen verzogen sich bei diesen Worten zu einem flüchtigen Lächeln. Mit leisem Triumph sah sie zur Schwiegermutter hinüber. Volpe bemerkte dies und unterbrach seinen Vortrag für kurze Zeit. Ablenkend sagte er dann, unwillkürlich ins vertrauliche ‚Du‘ übergehend:

»Liebe Contessa Cornelia, ich kenne einige Leute von deiner Sippe der Malatesta aus Rimini, weil man mich dort vor ein paar Jahren konsultierte. Aber niemand von ihnen hatte so auffällig schöne Lippen. Deine sind fast herzförmig und breiter, als man das sonst gewohnt ist. Darf ich fragen, ob du einen Afrikaner unter deinen Vorfahren hast?«

»Ja, ja«, sagte sie, heftig errötend, »einer meiner vier Urgroßväter heiratete ein halbafrikanisches Mädchen. Er soll ganz verrückt auf die Hübsche gewesen sein. Meine Lippen, auf die ich stolz bin, könnten Erbe dieser kinderreichen Ehe sein.«

»Danke, vielen Dank«, sagte Volpe, »etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht; nun zurück zum Thema:

Der, äh, Mörder wollte ganz Venedig glauben machen, dass der inhaftierte Graf unschuldig sei, das steht fest. Eine solche Tat konnte aber nur jemand begehen, der den wahren Mörder abgöttisch liebte, nicht wahr? Oder war es nur, um einer gewissen Person, die den Conte ebenfalls über die Maßen liebte, zu zeigen, wer hier der bevorzugte Herr des eigentlichen Mörders wäre?«

Maria und Cornelia erstarrten bei diesen Worten und sahen einander, die Fäuste geballt, über den Tisch hinweg hasserfüllt an. Volpe blickte von einer zur anderen und schien fürs Erste mit der Wirkung seiner Rede zufrieden zu sein. Nach kurzer Pause sagte er dann:

»Graf Raimondo war einmal ein Kind wie jedes andere, denke ich, zumindest äußerlich, und der Sohn eines Fleischers. Nicht wahr, Maria, du hast dich geschämt, auch vor deinem Sohn geschämt, Gattin eines Metzgermeisters zu sein?«

Sie gab keine Antwort und stierte zu Boden. Auch ohne die erforderliche Antwort war sonnenklar, dass Volpe recht hatte. Er fuhr gnadenlos fort:

»Weil du es nicht ertragen konntest, hast du deinem Mann eines Tages das Leben genommen, es ihm nehmen müssen und hast ihn vergiftet. Willst du das leugnen?«

»Nein, jetzt nicht mehr. Das ist inzwischen gleichgültig und unbedeutend«, keuchte Maria, »denn ich wollte nicht, dass mein kleiner Prinz in einer stinkenden Metzgerei aufwächst. Der Gedanke war mir unerträglich.«

»Woher hattest du das Gift?«

»Aus der Drogerie; Insektenvernichtungsmittel.«

»Gut! Du warst also eine von diesen Müttern, die aus ihrem Sohn, wie man so sagt, etwas Besseres machen wollen. Deinen Sohn als den eines Metzgers am Hackklotz stehen zu sehen, muss für dich entsetzlich gewesen sein. Im Album, das ich einsehen durfte, waren jede Menge Bilder von dir und Raimondo, aber keines von deinem Mann. Das sagt schon alles. Du hast dich seiner geschämt und deinen Sohn dazu gebracht, den Vater ebenso leidenschaftlich zu verabscheuen wie dich zu lieben, das ist die Wahrheit. Gib es zu!«

Wieder schwieg Maria Augusta verbissen.

»Warum sich aber der Sohn, den du umhegtest wie ein zartes Pflänzchen, das ständiger Pflege bedarf, nicht gegen dich aufgelehnt hat, wie das andere junge Männer an seiner Stelle getan hätten, ist leicht zu erklären: Er ist, äh, war ein elender Schwächling und Feigling, dazu ein Schwuler, nicht wahr?«

Maria warf Volpe einen Blick zu, der töten sollte.

»Ja, das war bequem. Was immer ihm zustoßen mochte, die Mama war ja da. So konnte sich Raimondo so gut wie alles erlauben, aber das hatte seinen Preis: hündische Ergebenheit und Unterwürfigkeit gegenüber der Mutter! Es war ihm nicht und nie vergönnt, ein Mann zu werden.

Und um dies endgültig zu verhindern, liebe Maria, hast du ihn als Neunzehnjährigen verheiratet. Die erwählte Frau entsprach, wie es schien, deinen Vorstellungen: eine alternde Jungfer, weit über zehn Jahre älter als dein Sohn, halb Mann, halb Frau; eine Androgyne. Mit dieser dachte du nach Belieben schalten und walten zu könne. Du hast gestern gelogen, als du sagtest, Raimondo und dir sei es völlig unbekannt gewesen, dass Cornelia den Oberkörper eines Mannes besaß. Gib es doch endlich zu! Sag‘ endlich, woher du wusstest, wie sie ohne Hemd und Hose aussah!

Gewiss hat sie Raimondo beim Baden am Lido beobachtet und dir davon berichtet. Wie ich herausfand, flanierte sie dort nur in Badeshorts der Männer und sonst nichts am Leib. Niemand konnte damals mit letzter Gewissheit sagen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Du hörtest das mit Behagen und plantest, ihn mit dieser, äh, Frau zu verheiraten, die dir vor lauter Glück, endlich noch unter die Haube gekommen zu sein, aus der Hand fressen würde, nicht wahr?«

»Nein«, sagte Maria, »er hat Cornelia zuerst bei den Amateurboxerinnen gesehen, als es um die Meisterschaft im Veneto ging. In der dritten Runde wurde sie k.o. geschlagen. Sie hatte sich ein sieben Zentimeter breites gesmoktes, mit Gummifäden durchzogenes Band um die Brust geschlungen, auf das sie gut und gerne hätte verzichten können. Raimondo ging nach dem Kampf in ihre Kabine, um sie zu trösten. Von da an trafen sie sich immer mal wieder am Lido. Erst als ich davon erfuhr, schaltete ich mich ein und brachte die Ehe der beiden zustande.«

Volpe schlug sich vor die Stirne und murmelte:

»Und ich habe mich schon die gesamte Zeit über gefragt, woher ich sie denn kenne; natürlich! Gelegentlich habe ich mir so einen Boxkampf angesehen, vor vielen Jahren, als es einen Mordfall in der Boxschule gab. Der Trainer war umgebracht worden.«

»Du hast in der ersten Reihe gesessen«, entgegnete Cornelia süffisant lächelnd, »und ich war in dich verliebt. Du warst ein hübscher Jüngling. Wer kann so rote Haare wie die deinigen vergessen? Wer kann ihnen widerstehen? Wir Boxerinnen liebten dich samt und sonders, auch Laura, die damals den Trainer ermordet hatte, wie du ja weißt. Ohne deinen Verstand wäre die Tat nicht aufgeklärt worden.«

Volpe errötete. So nüchtern er sonst auch ist, bricht dennoch gelegentlich ein Anflug von Eitelkeit aus ihm hervor. Er sagte:

»Vielen Dank für die netten Worte, Cornelia.«

»Es wäre besser gewesen, Volpe, du hättest Cornelia seit damals nie wieder gesehen. Ohne deine Einmischung lebte mein Sohn noch«, keifte Maria und warf ihm einen mörderischen Blick zu.

»…aber dein reizendes Söhnchen murkste dann weiterhin eine Frau nach der anderen ab«, ergänzte ich grimmig.

»Falls er der Mörder war. Meiner Meinung nach ist nichts bewiesen«, sagte Maria kalt. Volpe nahm jetzt wieder das Wort und fand den Weg zur Sachlichkeit zurück:

»Zunächst einmal, so meine Ermittlungen, gabst du dem Pärchen die freie Wohnung über der verpachteten Metzgerei, naturgemäß, um den Sohn nicht aus den Krallen zu lassen. Aber Cornelia, dieses vermeintlich fügsame Gänslein, entwickelte einen unerwarteten Besitzerstolz und bugsierte den Ehemann in eben die Behausung, wo sie bis zuletzt zusammen lebten, als Graf und Gräfin. Sie hatte das dazu erforderliche Vermögen eingebracht.

So brach denn zwischen Raimondos Mutter und Raimondos Gattin ein unerbittliches Ringen um seine Seele aus, in dem er bald zur einen, bald zur anderen, bald zu keiner, insgeheim aber stets zu sich selbst hielt, denn dieser Feigling wagte es genauso wenig, sich gegen die Ehefrau wie die Mutter aufzulehnen.

Im Grunde war ihm seine für einen Mann erniedrigende Lage recht. Er hatte nun einmal keinen Mut zum Widerstand. Die Natur hat es ihm versagt, und er schwelgte in der doppelten ihm entgegen gebrachten Fürsorge, Nachsicht und Bewunderung seiner beiden Frauen, ohne zu bemerken, wie sehr er sich selber dadurch demütigte, nicht wahr, cara Cornelia?«

Volpe blickte herausfordernd zu ihr hinüber. Sie hatte sich jetzt aufgerichtet, die Beine im Schneidersitz angewinkelt, die Hände um die Knie geschlungen. Auf diese Weise hinter den Schenkeln wie einer doppeltürmigen Festung verschanzt, erwiderte sie den stechenden Blick meines Freundes mit frech und trotzig ihm entgegen gewölbten, leicht geöffneten üppigen Lippen.

Volpe erhob sich, wischte sich die roten Haare aus den Augen und ging ans Fenster, um frische Luft zu schnappen. Mit einer weißen Serviette wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Sein Gesicht hatte den gespannten Ausdruck eines Mannes angenommen, der auf die Entscheidung aus ist und sich kurz vor dem Ziel sieht. Dann ließ er sich in den Korbsessel fallen, schlürfte einen ganzen Humpen leer, seufzte und sagte:

»In dieser Lage, meine Damen, war also ihr Goldstück und wusste um seine Laschheit, wusste um das jämmerliche Dasein, zu dem ihn seine beiden Frauen, oder soll ich etwa sagen: Ehefrauen? verdammt hatten. Wie oft hatte er das Verlangen verspürt, beide auf einmal umzubringen! Wie sehr musste er den römischen Kaiser Nero beneidet haben, der den Mut fand, Gattin und Mutter zugleich zu ermorden!?

Ich denke, Raimondo hasste seine Mutter schon als Junge bis auf den Tod und später dich, cara Cornelia, auf gleich mörderische Art und Weise. Dieser Hass hat sich in seine Seele gefressen, wie das gurgelnde Wildwasser, dessen hinter einem Damm aufgestaute Wogen bereits an die Deichkrone schlagen. Ihr beide habt dieses Spiel geliebt und den Nervenkitzel genossen.

Doch eines Tages kam es zu einem furchtbaren Schlag gegen den Rest seines Selbstbewusstseins, der dazu führte, dass er ausrastete und kein lahmes Lämmchen mehr war. Wie ihr das zuwege gebracht habt, dass dieser Feigling seinen Überlebenswillen in wilder Tat zu bestätigen suchte, mag euer Geheimnis bleiben, aber es war so, nicht wahr?«

Maria und Cornelia warfen sich böse Blicke zu. Ich dachte, man müsste ihnen jetzt nur noch ein Messer in die Hand drücken, und sie fielen mörderisch übereinander her. Cornelia federte aus dem Sessel, schob das bis zur Hüfte empor gewanderte Kleid nach unten, knirschte mit den Zähnen und knurrte bitterböse:

»Warum soll ich es dir auch nicht sagen, Volpe? Jetzt ist alles gleichgültig. Raimondo fing an, sich heimlich mit einem Mann zu treffen. Er betrog mich mit einem Freund im Alter von siebzehn Jahren. Maria hat es herausgefunden. Sie kannte ihn besser. Sie hat es ihm angesehen und auf den Kopf zu gesagt. Er hat alles gestanden, und sie hat es mir dann verraten. Genüsslich hat sie es ausposaunt, um mich fertig zu machen.«

Dann nahm sie wieder Platz.

»Das war, um es genau zu sagen, vor zehn Tagen«, sagte Volpe kalt, »und vor zehn Tagen bist du dann auch wildentschlossen zur Tat geschritten, nicht wahr?«

»So ist es«, zischte Cornelia, »es war in der Nacht vor zehn Tagen, als es geschah. Aber in einem irrst du, caro mio Giuseppe, nicht ich, wir beide, Maria Antonia und ich, wir sind gemeinsam zur mörderischen Tat geschritten.«

»Ach, da sieh‘ mal einer an«, sagte Volpe verhalten kichernd, »ihr wart euch ausnahmsweise einmal einig; na so was!«

»Jetzt reicht es mir aber«, brüllte ich wie ein Stier, »ich lasse mich nicht länger für blöd verkaufen. Hier weiß offenbar jeder Bescheid, nur ich nicht. Ich verlange Aufklärung.«

Volpe rieb sich die Hände und sagte schmunzelnd:

»Mein Lieber, wie schwach ist doch dein Gedächtnis! Worüber haben wir denn vor neun Tagen diskutiert?«

»Ach so«, sagte ich, »jetzt erinnere ich mich wieder. Spaziergänger fanden draußen am Lido einen ertrunkenen jungen Mann. Er war an den Strand gespült worden. Ambrosio ließ ihn untersuchen. Die Ärzte fanden keine Spur von Gewaltanwendung. Er war eben ertrunken, wie das hierzulande hin und wieder vorkommt, wenn sich die Schwimmer überschätzen.«

»Und ich hatte dir gesagt, dass Ambrosio gut daran getan hätte, mich hinzu zu ziehen. Er hat wieder einmal alle Details, die auf eine andere Erklärung hinwiesen, übersehen. Beispielsweise war der Jüngling vollkommen bekleidet, und darum ist die gegebene Erklärung hirnrissig. Entweder hatte er Selbstmord begangen, da solche Leute gewöhnlich nicht nackt aufgefunden werden möchten, oder es lag ein Gewaltverbrechen vor. Ich tippte damals bekanntlich auf die zweite Möglichkeit. Nun, meine Damen, wäre es an der Zeit, uns reinen Wein einzuschenken!«

Maria Antonia nickte und nahm das Wort:

»Ich lud den kleinen Liebhaber als Raimondos Mama zu einem spätabendlichen Spaziergang am Lido ein, indem ich sagte, ich wolle ihn kennen lernen. Cornelia war mit von der Partie. Wir unterhielten uns längere Zeit mit ihm, bis es allmählich dunkel wurde. Jetzt gaben wir ihm etwas zu trinken. Ich hatte noch ein Wenig vom Gift übrig, mit dem ich meinem Mann Nachhilfe im Sterben gegeben hatte.

Da wurde ihm schlecht. Er hockte sich auf den Sand und jammerte. Der Ärmste hatte teuflische Leibschmerzen. Als er schließlich bewusstlos wurde, schoben wir ihn vorsichtig ins Wasser und tauchten seinen Kopf unter. Es war alles ganz einfach.

Wir nahmen dann auf der Venedig zugewandten Seite der Insel ein Wassertaxi, fuhren damit das beträchtliche Stück Richtung Dogenpalast, von dort aus den Canal Grande hinunter und kurz hinter der ‚Cá d‘ Oro‘ in den ‚Rio di San Felice‘ hinein, um uns an der Anlegestelle des ‚Palazzo Papafava‘ absetzen zu lassen. Wir gingen hinein und feierten den Sieg bis nach Mitternacht. Raimondo hatte keine Ahnung. Er steckte im Atelier und malte.«

Maria schwieg. Cornelia nahm das Wort:

»Und dann brach er hervor und kam zu uns ins Speisezimmer, bekleckert von oben bis unten. Ich triumphierte über ihn wie noch nie zuvor. In allen Einzelheiten schilderte ich, was wir getan hatten. Er heulte wie ein Mädchen. Ich gab ihm den guten Rat, Mutter und Ehefrau bei den Carabinieri anzuzeigen, aber er wagte es nicht. Man hätte ihm wahrscheinlich keinen Glauben geschenkt, und die Wasserleiche war längst eingeäschert.«

Volpe freute sich über so viel Offenheit; er sagte:

»An diesem Tag also überkam es Raimondo, sich als Mann zu betätigen. Es musste eine Tat sein, mit der er sich über die Heerscharen der gewöhnlichen Männer stellte. Dabei kam ihm zuerst der Gedanke, seine beiden Frauen zu ermorden. Das wäre ihm am liebsten gewesen und hätte ihm die größte Genugtuung verschafft. Doch diesen Plan verwarf er wieder, da er zu gefährlich war, zumal er damit rechnen musste, dass sie auf der Hut waren. Also tat er so, als ob sein Zorn verrauscht wäre und benahm sich wieder wie das allerliebste und allergehorsamste Kind.

Selbst ein biederer Wachmann wie Ambrosio hätte nämlich solch einen Fall gelöst. Ferner dürfte von nun an niemand mehr dagewesen sein, ihm zu helfen und ihn zu trösten. Der Gedanke, ohne Mutter und Frau, die ihm Mut und Zuversicht predigten, auf Leben und Tod vor Gericht zu stehen, war ihm unerträglich, selbst wenn sie ihm den Geliebten genommen hatten.

Da verstand er es denn, den Hass auf die beiden Damen in blinden Abscheu auf alle Frauen übertragen, und seine Wut richtete sich vor genau fünf Nächten gegen eine Passantin, die ihm hätte gleichgültig sein müssen.

Ihre Ermordung erfüllte ihn mit Selbstbewusstsein und Genugtuung, denn er hatte in Wirklichkeit die Mutter oder Ehefrau getötet. Jetzt sah er, wie die Carabinieri im Dunklen tappten, da es ja kein erkennbares Motiv zu entdecken gab. Das eröffnete ihm den Weg zu drei weiteren Frauenmorden, denn mit lähmendem Entsetzen musste er begreifen, dass die Erleichterung, die er sich mit jeder Gräueltat verschaffte, nur von kurzer, immer kürzerer Dauer war. Eines Tages, das begriff er, würde er die beiden ihn beherrschenden Frauen doch noch töten müssen.«

Volpe blickte erst Cornelia, dann Maria fest in die Augen. Sie zeigten keine Regung und schwiegen verbissen.

»Raimondo mordete, wie er lebte, als Feigling. Er wählte den mörderischsten Dolch aus, den es gibt und überfiel hilflose Frauen im Halbdunkel der Gassen, wo er sich so gut auskannte, dass er jedes Mal entkommen und bei seiner Mama Unterschlupf finden konnte. Habe ich Recht, Maria Augusta?«

Sie verzog keine Miene und starrte auf ihre Hände.

»Jedes Mal, wenn er ein Opfer schlachtete, fühlte Raimondo auch eine körperliche Befriedigung. Er war endlich zum Mann geworden, dem sich die Frauen hingeben mussten, dachte er, obwohl er nicht in der Lage war, sie zu schänden, wie das andere Verbrecher seiner Art stets tun.

Er beschränkte sich vielmehr darauf, ihnen das Kleid aufzuschlitzen, um sie in obszöner Haltung liegen zu lassen. Wäre er wirklich ein Mann gewesen, ein abscheulicher, so hätte er ihnen an anderem Orte aufgelauert, ihnen das Messer an die Kehle gesetzt und sie vergewaltigt, bevor er ihnen den Rest gab.«

Volpe war jetzt wieder aufgesprungen und lief außer sich vor Erregung im Zimmer auf und ab. Ich sah, wie Maria Augusta mehrfach den Mund öffnete, um ihn stumm wieder zu schließen. Cornelia bleckte die Zähne. Ihre wulstigen Lippen zuckten. Volpe stützte sich nun auf den schweren Tisch, auf dem vorhin noch die Speisen gestanden waren und starrte abwechselnd auf die bleich in sich gekehrten Frauen:

»Ich will euch gar nichts vormachen«, zischte er, »Raimondo hat kein Geständnis abgelegt. Er hat alles abgestritten. All das, was ich eben gesagt habe, entspringt meiner Intuition, und dennoch: Er hat vier Frauen getötet, das kann weder seine Frau noch seine Mutter leugnen. Ihr kennt seine Motive vielleicht besser, als ich es zu schildern vermochte, aber dann …«

Ich sah Volpe ins Gesicht. Er hatte den fuchsigen Ausdruck des Spielers angenommen, der den entscheidenden Schachzug tut, um den Gegner matt zu setzen. Auch die beiden Frauen starrten wie gebannt auf ihn:

»…und dann hat sich eine von euch beiden eingebildet, es könne ihr mit einem vergleichbaren Mord gelingen, den Untertan aus dem Gefängnis loszueisen, um ihn diesmal ganz allein in ihre persönliche Gewalt zu bekommen. Sie hat ihn entweder dergestalt geliebt oder war in ihrem Besitzerstolz so unermesslich verletzt, dass sie sogar zum Mord bereit war.«

Ich sah, wie Maria der Schwiegertochter einen tödlichen Blick zuschleuderte. Noch nie hatte ich in einem menschlichen Antlitz solchen Hass lodern sehen. Cornelia hingegen war noch ein Wenig mehr in sich zusammen gesunken und ließ die Unterschenkel jetzt vor dem Korbstuhl herab baumeln. Die Augen richtete sie starr, wie in Hypnose, auf Volpe. Der Mund war leicht geöffnet. Die Oberschenkel verwuchsen waagerecht mit dem Polster und klebten fest aneinander. Ihre Arme ruhten auf der Lehne. Volpe schüttelte die rote Löwenmähne und brüllte:

»Graf Raimondo ist tot. Er hat sich selbst gerichtet. Jetzt aber ist der fünfte Mord geschehen, und eine von euch beiden war es, das könnt ihr vor einem Volpe nicht leugnen. Wenn ich den Fall aus den Händen gebe und die Sache Marcello überlasse, dann weiß die Mörderin, was auf sie zukommt.

Diesmal wird man sie, aus Raimondos Suizid klug geworden, ununterbrochen bewachen, Tag und Nacht, damit sie sich nichts antun kann, denn der lüsterne Pöbel dürstet nach Rache und will sie auf immer und ewig hinter Gittern sehen. Und das alles hat sie nur getan, um einem Verbrecher und Mörder, den sie für ihr Eigentum hielt, Leben und, äh, Freiheit zu retten.«

Volpe schwieg und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Welche von beiden würde sich zur Tat bekennen?

»Es macht mir nicht das Geringste aus, für meinen Sohn ins Zuchthaus zu gehen«, flüsterte jetzt Maria Augusta, »er war mein Kind, mein einziges, mein Ein und Alles. Ich stand zu ihm, ganz gleich, was er tat, und um die dreckigen Huren, die er umbrachte, ist es nicht schade.«

»Du allmächtiger Gott!«, rief ich, »du also hast die ‚Formica‘, diese stadtbekannte Prostituierte erdolcht?!«

»Ich denke, ja, aber ihren Namen höre ich zum ersten Mal.«

»Aha«, sagte Volpe trocken, »du warst also die Bestie, die unmittelbar vor der Einmündung der ‚Calle Forno‘ das abscheuliche Blutbad veranstaltete, oder?«

»Ja, ich war‘s«, sagte sie zögerlich.

»Dann wirst du ja auch wissen, welche Farbe das Kleid der grausig Hingeschlachteten hatte, nicht wahr?«

»Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen.«

»Hihihi«, kicherte Volpe böse, »von wegen zu dunkel! Wir hatten nachweislich Vollmond. Außerdem war die Gasse an besagter Stelle durch eine Laterne beleuchtet. Jaja, wie heißt es doch im alten Song? ‚Dunkel war’s, der Mond schien helle‘, hihihi.«

Stille, gespenstische Stille begleitete das unaufhörliche unheimliche sardonische Kichern meines Freundes. Da erhob sich Cornelia. Langsam und leise und wie gelähmt glitt sie vom Korbsessel herunter, ließ ihre Füße in die Flipflops gleiten, zog das erneut hochgerutschte Gewand, feuerrot anlaufend, weiter nach unten, strich sie über den Oberschenkeln glatt, schwankte wie ein Schilfrohr im Wind, seufzte kurz und lächelte dann so versonnen, als wäre sie von einer anderen Welt. Schließlich flüsterte oder murmelte sie mit ersterbender Stimme:

»Es war giftgrün; ein mehr als tief ausgeschnittenes Minikleid mit weißem Ledergürtel. Dazu trug sie schwarze Schaftstiefel, die bis in die Kniekehle hinauf geschnürt waren.«

Nach diesen Worten warf sie den Kopf in den Nacken, bleckte die Zähne und sah herausfordernd, ja sogar triumphierend zur vor ohnmächtiger Wut zitternden Schwiegermutter hinüber, ganz so, als wollte sie ihr sagen:

»Gib dich geschlagen! Ich habe das Spiel gewonnen.«

»Ja«, stöhnte Volpe, »es war giftgrün und frivol. Die Nachrichten hielten solche Dinge nicht für erwähnenswert.«

Maria war mittlerweile in sich zusammen gesunken, schlug sich die Hände vor das Gesicht und sah plötzlich wie eine alte Frau aus, der man den Sinn des Lebens geraubt hat. Dann begann sie, hemmungslos zu schluchzen.

Volpe lächelte jetzt seltsam schief, legte die Fingerspitzen fest aufeinander und sagte:

»So, das war’s dann, Kinderchen, der Fall ist gelöst, endgültig. Es gibt nichts mehr zu ergänzen.«

»Und was soll nun geschehen?«, fragte ich.

»Was soll schon geschehen?«, sagte Volpe leichthin, »die Sache ist abgeschlossen. Ich werde mich ab morgen mit interessanteren Dingen zu befassen haben. Es war im Grunde eine simple Angelegenheit, nichts Besonderes.«

»A-aber«, stotterte ich, »wirst du nicht, äh, musst du nicht alles Ambrosio … damit die Carabinieri …?«

»Wozu sollte ich mich in Ambrosios Sachen einmischen?«, fragte Volpe und tat erstaunt, »er hat bekanntlich andere Methoden als wir. Habe ich ihm nicht gesagt, dass es von nun an keinen dieser Morde mehr geben wird? Nicht wahr, signore bellissime, es wird keine mehr geben? Tenente di Fusco wird den Fall in einem Monat zu den Akten legen. Ohne meine Hilfe wäre er ja nicht einmal Raimondo auf die Schliche gekommen; ach übrigens:

Die ‚Formica‘ war ein übles Luder und verstand es, ihre Kunden mit gewissen Essenzen einzunebeln und auszuplündern. Ich war schon einmal auf sie angesetzt, aber man konnte ihr seinerzeit nichts nachweisen. Jahrelang hat sie ihr fieses Geschäft unter der Nase der Stadtwache dieses betrieben, bis sich ein lobenswerter Mörder der Sache angenommen hat.«

»Und was sollen wir jetzt noch tun? Soll der Mord an ihr etwa unaufgeklärt bleiben?«, fragte ich verblüfft.

»Wir müssen die beiden Hübschen jetzt nach Hause bringen, denn es ist Nacht geworden und in den Schluchten Venedigs ist es zurzeit nicht recht geheuer«, sagte Volpe süffisant und verweigerte mir eine unmittelbare Antwort auf die heikle Frage, »denn Frauen ohne Begleitung sollen hier im Weichbild der Stadt ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Ich denke, ich übernehme Maria Augusta und du, Dottore, kümmerst dich um Cornelia. Nicht wahr, mein Freund, das ist dir doch lieber als umgekehrt?!«

So geschah es denn auch, und gegen Mitternacht waren Volpe und ich endlich wieder zu Hause, um uns in Morpheus‘ Arme zu werfen. Wir hatten es bitter nötig und schliefen wie die Murmeltiere. Mein Kumpel hatte mir eben noch prophezeit, dass sich Ambrosio uneingeladen zum Frühstück einfinden werde, um uns mit Fragen zu löchern. Ich war fest davon überzeugt, dass er damit Recht haben werde. Giovanni war schon im Bilde, dass es wieder einmal eine Colazione für drei gegen werde.

Ach übrigens: Dem Leser sei hier noch eben verraten, dass ich die Mörderin auf der finsteren Gasse vor ihrem Haus gründlich abküsste, ihre wulstigen Lippen samt unruhiger Zunge genießend. Dabei hatte es keineswegs sein Bewenden, denn das Minikleid leistete meinen von den Knien aufwärts an ihrem Leib sich empor tastenden Händen nur geringen Widerstand. Die Entzückende freudigen Herzens abtastend, hatte ich freilich das Gefühl, eher eine muskelstrotzende Riesenschlange denn ein goldiges Mädchen in Armen zu halten. Während wir schmusten, fiel mir ein, dass sich ihr Mann ja letzte Nacht erhängt hatte.

»Hast du Raimondo denn gar nicht geliebt?«

Sie antwortete zögerlich:

»Äh, nur zu Beginn. Da ahnte ich noch nicht, welcher Charakter sich hinter der Fassade des feinen Herrn verberge. Danach sah ich mich gezwungen, den Kampf gegen die Schwiegermutter aufzunehmen. Ich hatte keine andere Wahl, und eines kannst du mir unbesehen glauben: Er hätte nicht mehr lange zu leben gehabt. Meine Pläne, ihn und seine Mutter umzubringen, hatten bereits Gestalt angenommen, als er plötzlich ausflippte und mordend durch die Gassen zog.«

»Du bist eine außergewöhnliche Frau, cara Cornelia«, sagte ich, küsste sie erneut auf den Mund und schob ihr das Kleid bis in die Achselhöhlen empor, »und ich liebe außergewöhnliche Frauen. Willst du mich heiraten?«

Jetzt musste sie doch schallend lachen. Als sie endlich wieder zu Atem kam, sagte sie kichernd:

»Caro Dottore, ich wäre ja schon deine dritte Frau, ganz abgesehen von der stürmischen Romanze, die du mit der versoffenen Fabiola hattest, hihihi. Du solltest ein Buch drüber schreiben. Mir machst du nichts vor, alter Schwerenöter.«

»Na, du scheinst ja alles von mir zu wissen. Wirklich schade, dass du mir einen Korb gibst«, sagte ich verlogen, denn der Gedanke, solch ein mörderisches Biest im Ehebett liegen zu sehen, ließ mir in Gedanken die Haare zu Berge stehen.

»Lass uns lieber Freunde werden und für immer bleiben. Casa mia è aperta (meine Hütte steht dir offen)«, sagte sie glucksend und richtete das Gewand wieder her:

»Du wirst dann mein niedlicher kleiner Freund sein, während ich deine große Freundin bin.«

Ich ärgerte mich tierisch darüber, dass sie meine geringe Körpergröße erwähnt hatte, schwieg jetzt, schluckte den Zorn hinunter und stieg wieder ins Spiel der Lippen und Zungen ein. Was wollte ich mehr. Nach der Durststrecke, die ich seit dem Verlust meiner Fabiola hinter mir hatte, eröffneten sich für mich neue Möglichkeiten, und sei es ein Verhältnis mit dieser Adonis-Frau.

Ja, das alles und nicht mehr geschah übrigens, bevor sie sich aus meinen Armen befreite und in ihre Wohnung begab, mich draußen stehen lassend. Der schon oben erwähnte Portier des Hauses schlug mir die Tür dermaßen krachend vor der Nase zu, dass es von den Mauern des schlafenden Venedigs widerhallte.

Zuvor hatten wir noch vereinbart, uns von nun an regelmäßig zu treffen, ganz gleich, wo, und es geschah denn auch so, etwa einen Monat lang. Dabei konnte ich mir noch so viel Mühe geben, über das schon in der obigen Nacht eingeübte Küssen kam ich nie hinaus. So ging das eine Zeitlang, bis ich die Schnauze voll davon hatte, und wir endlich wieder voneinander ließen.

Volpe, der mich ja kennen sollte, hatte Dergleichen vorhergesehen und aus diesem Grunde lieber die Frau Mama nach Hause geleitet, um sie nie wieder sehen zu wollen. Als er mich nach geraumer Zeit mit hängendem Kopf bei sich einschleichen sah, tröstete er mich hingebungsvoll und meinte, mit dieser Schlange, die nur in der unteren Hälfte eine Frau, im Kopf aber härter als ein Diamant sei, wäre es mir auf Dauer übel ergangen.

Ich lud ihn zur Abwechslung ein, mein Ross Diavolo kennen zu lernen, denn er hatte sich gerühmt, als Junge ein guter Reiter gewesen zu sein. Mit dem Vaporetto fuhren wir ein paar Tage darauf nach Punta Sabbioni hinüber und nahmen dann den Bus Richtung Jesolo, stiegen aber bereits im Dörfchen Cavallino aus, wo mein Gaul steht. Volpe meinte trocken, der Name des Ortes sei ja selbstredend (cavallino = Pferdchen) und schwang sich, nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, kühn in den Sattel. Diavolo machte seinem Namen alle Ehre, stob auf und davon und brauste eine volle Stunde wie der Wind daher.

Halbtot lag Volpe anschließend bei mir auf dem Diwan und hatte fürchterlichen Durst. Die halbe Nacht zechten wir und schwelgten in der Vergangenheit. Als er sich aber am nächsten Morgen vom Lager erhob, konnte er vor Muskelkater kaum laufen. Doch zurück zum Morgen nach dem obigen Drama!


Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis

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