Читать книгу Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher - Meinhard-Wilhelm Schulz - Страница 10

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1. Teil: Vorwort des Dr. med. Sergiu Petrescu


Über alles geliebte und geschätzte Leserschaft, mein wunderbarer Freund Giuseppe Tartini, der pfiffige Privatdetektiv, den man hier in Venedig ob seines feurigen Haarschopfes hübsch doppeldeutig »Volpe« (Fuchs und Schlaumeier) nennt, sollte Dir aus meinen früheren Werken bereits bekannt sein.

Er ist und bleibt er einer der gebildetsten und feinsten Männer Italiens. Neben Italienisch spricht er Deutsch und Englisch akzentfrei, hat sich dank meiner Herkunft mühelos ins Rumänische eingearbeitet, und auch das Französische ist ihm durchaus nicht fremd. In der Literatur all dieser Völker ist bewandert. Sein Wissensdurst ist unstillbar.

Andererseits ist er ein hochmusikalischer Mensch. Er streicht die innig geliebte Stradivari, die er für ein Vermögen erworben hat, meisterhaft und hat eine Monographie über Bachs Solosonaten für Violine publiziert, die ihm, soeben beim Verlag Athesia in Bozen publiziert, in der Fachwelt Beifall einträgt, insbesondere, weil er die mathematischen Strukturen der Bach‘schen Musik glänzend herausgearbeitet hat.

Anlässlich der Vorstellung dieses Buches spielte er einige der Partiten einem begeisterten Publikum in der seinem Palazzo am Ende des Calle di Cavallo (Pferdegasse) gegenüber liegenden Chiesa dei Santi Paolo e Giovanni persönlich vor und erläuterte sie fachkundig.

Wenn es nämlich ums logische Denken geht oder darum, die Abgründe der Seele eines Verbrechers auszuloten, ist er einerseits von unerreichbarer Größe, andererseits von fast unglaublichem Verständnis für deren Taten. Wie sein heimliches Vorbild, der detektivische britische Pater Brown, so er des Öfteren, kann er den Gedanken der Verbrecher nur deshalb so gut folgen, weil er alle Teufel auch in sich beherbergt.

Er selbst nämlich, das bekannte er oft, könne so tief mit ihnen fühlen, weil er den Hang dazu verspüre, einer der Ihren zu sein. Er habe sich einst zwischen der Laufbahn des professionellen Geigers, eines Verbrechers und der des Detektivs entscheiden müssen, und bis heute falle es ihm schwer, den Täter zu verurteilen. Gott allein, dem wir unser Dasein verdankten, wüsste, was sie zu ihrem Tun bewogen habe. Volpe hat noch nie den Stab über einen Verbrecher gebrochen.

Was Frauen anbetrifft, ist er von seltener Schüchternheit und Zurückhaltung. Insgesamt betrachtet, ist sein Hang, sich von ausgeflippten Signorine, die ein paar Jahre älter als er sein dürfen, angezogen und bezaubert zu werden, erstaunlich.

Sein Schönheitsideal widerspricht dabei all dem, was uns Hollywood als maßgeblich anpreist, heftig. Warum er ganz im Gegensatz zu mir keine sommersprossigen Donne mag, konnte ich bislang noch nicht herausfinden.

Nicht zuletzt ist er ein begeisterter Anhänger der Commedia del Arte und liebt die Gestalt des Pulcinella (ital. Kasperle oder Hanswurst) so sehr, dass er im berühmten venezianischen Karneval stets als Pulcinella verkleidet durch die Calli streift. (Dieses Mal hat man unseren Karneval wegen des Corona-Virus abgesagt, eine reine Panikreaktion.)

Links und rechts neben dem Portal seines Palazzos hat Volpe zwei ungefähr 40 Zentimeter große bunte Kacheln angebracht. Jede ziert ein Pulcinella, das Gesicht unter der typischen Maske verborgen und mit der Mandoline im Arm. Auf der linken steht:

‚La invidia vostra è mia forza – euer Neid ist meine Stärke.‘

Rechts vom Eingang ist zu lesen:

‚Quando entrate, salutate! Quando uscite, fatevi i cazzi vostri!‘ – ,Wenn ihr eintretet, grüßt! Wenn ihr hinaus geht, packt eure Sachen (macht euch davon)!‘

Nachdem mein Freund den Fall der mörderischen Brüder, welche ich Kain und Abel nannte (s. gleichnamiger Band), gelöst und einige weitere nicht so bedeutende abgeschlossen hatte, war der Frühsommer des Jahres 2021 gekommen, und er versank er in den tiefsten Depressionen, die ich jemals bei ihm erlebt hatte.

Angesichts schwerster Arbeit hatte er solchen Raubbau mit seinen Kräften getrieben, dass zu größter Besorgnis Anlass war. Er lebte nämlich, wenn er auf der Jagd war, nur noch von Wasser und Luft, magerte ab und äußerte den Gedanken, diese Welt für immer zu verlassen. Wenn er an den alltäglichen Mord und Totschlag in der Welt denke, sehe er es als sinnlos an, hin und wieder einen venezianischen Mörder zu stellen.

Mich brachte er damit an den Rand der Verzweiflung. Nicht einmal die gelegentliche Dosis Cannabis, die ich ihm verschrieb, konnte ihn aufheitern, und als Medico hütete ich mich davor, es ihm zur Gewohnheit werden zu lassen.

Schließlich, als er nur noch ein Schatten seiner selbst war, und aufgrund der Tatsache, dass er überhaupt keinen Rat mehr annahm, holte ich ihm einen Kollegen ins Haus. Nach einigem Hin und Her ließ sich Volpe endlich untersuchen.

Dr. med. Andreas Melas (Schwarz), ein Grieche, verordnete ihm Tapetenwechsel. Täglich solle er in der Frische und Einsamkeit der Berge lustwandeln, bis ihm die Lebenslust wiederkehrte. Folge er seiner Anordnung nicht, werde er seinen Beruf kaum jemals wieder ausüben können.

Sobald Dottore Melas gegangen war, unternahm ich das Erforderliche. Ein Reisebüro am Rande des Campo dei Santi Giovanni e Paolo hatte alles in Angebot, was nötig war. Als der nächste Abend gekommen war, sagte ich:

»Mein lieber guter Freund, die ersten Boten des Sommers lassen ihre Stimmen ertönen. Warme Lüfte säuseln übers Land. Lasse den Dunst der Stadt zurück und dir frische Luft um die Nase wehen! Ich habe da ein hübsches Gasthaus in der dörflichen Einsamkeit des Alpago ausgemacht. Lass uns in die liebliche Gegend reisen und daselbst aufhalten, bis dir die Lebensgeister wiederkehren. Die Zimmer sind schon gebucht. Als Arzt befehle ich dir, Venedig an meiner Seite zu verlassen.«

Volpe grunzte beifällig und räkelte sich im geliebten Korbsessel. Ich gab Giovanni den Befehl, unsere Siebensachen zu packen, und der Butler machte sich unverdrossen an die Arbeit.

Es war noch frischer Morgen, als wir uns auf den Weg machten, zuerst vom Haltepunkt Ospedale aus mit dem Vaporetto zur Stazione Ferroviari Santa Lucia (Venedigs Bahnhof) und dann mit dem Zug nach Mestre.

Dort hatte ich unseren Fiat Cinquecento Cabrio untergestellt. Wir stiegen ein, und los ging es mit offenem Verdeck, immer stracks nach Norden und der herrlichen Welt der Berge entgegen. Ich saß am Steuer der sanft brummenden Asphaltwanze, Volpe neben mir, mit dem Einschlafen kämpfend.

Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher

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