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7. Teil: Ein Morgen-Grauen


Volpe riss mich erbarmungslos aus den Federn. Ich maulte und meckerte, dass es nur so seine Art hatte. Insbesondere verwies ich darauf, dass die Sonne noch nicht aufgegangen sei, aber mein Freund kannte da keine Gnade. Es gelte sich zu sputen, sagte er, steckte mich kurz ins Bad, wo ich heißes und kaltes Wasser erfrischend über mich zischen ließ. Dann stapfte er mit mir Schlafmütze im Gefolge in die Frisierstube des Hotels, wo der hauseigene Friseur gähnend auf uns wartete.

Volpe schob mich in den entsprechenden Stuhl. Ich ließ mich rasieren und mir den Bart stutzen. Dann wurde die Sitzgelegenheit nach hinten gekippt, damit sich der Barbiere auch noch an meinem Haupthaar vergreifen konnte, das er in einem darunter geschobenen Becken wusch und anschließend trocken föhnte.

Aufatmend erhob ich mich und war auf dem Scheitel mit einer duftenden Essenz bestäubt, um Volpe bei derselben Prozedur zuzusehen, einmal abgesehen davon, dass er ein waschechter Paparazzo ist, keinen Bart trägt und die feurige Haarpracht dafür um so länger kultiviert; heute einmal zum seitlichen Zopf gedreht.

Darauf begaben wir uns ins Speisezimmer. Ich schmetterte unterwegs das unvermeidliche ,o sole mio‘, während die Sonne gerade ihre ersten Pfeile über der Landschaft verschoss und die fernen Berggipfel rötlich aufleuchten ließ.

Man setzte uns die verlangte Hausmannskost vor. Der Kellner meinte süffisant, es sei ein Bauernfraß. Als wir uns die Münder mit der Serviette abgewischt hatten, sagte Volpe, jetzt könne es ja endlich losgehen. Allerdings sei es gut möglich, dass unverhoffte Gäste dem zuvorkommen könnten.

Kaum hatte er das betont, als ich auch schon näher kommendes Motorenbrummen vernahm. Ein Fiat Cinquecento kam in voller Fahrt heran gerast. Die Räder hopsten nur so auf der von Schlaglöchern übersäten Straße.

Dann war das Gefährt angekommen, und unser Freund, der Priester Adolfo Grana, sprang in einem für seine Verhältnisse geradezu akrobatischen Satz aus der Kiste. Dass sich der Geistliche dabei tüchtig verschätzte und zweimal überkugelte, erfüllte meinen Freund mit unbändigem Vergnügen.

Händereibend erwartete er den eiligen Besucher, der da laut keuchend die granitenen Stufen unseres Albergo erklomm. Ohne uns lange zu grüßen, kreischte dieser himmlische Mann Gottes, kaum dass er vor uns stand: »Satan samt seinen bösen Geistern ist wieder aus den unterirdischen Gefilden hervorgebrochen und versetzt meine Gemeinde in Angst und Schrecken.«

Der Mann im schwarzen Talar verdrehte die Augäpfel dergestalt theatralisch, dass man nur noch das Weiße sehen konnte und hüpfte im Empfangsraum herum, als wären die schwarzen Gesellen mit den roten Hörnern persönlich hinter ihm her. Dabei verzerrten sich seine Züge so grässlich, dass man hätte meinen können, der Priester sei einer der hrigen geworden.

»Wozu diese Aufregung?«, fragte Volpe. »Hier ist noch ein freier Sitz für Sie. Nehmen Sie Platz. Ich hatte Sie erwartet. Wir haben Schwarzbrot samt Käse und Milch übrig. Stärken Sie sich erst einmal. Wie ich sehe, haben Sie noch nicht gefrühstückt.«

»Ein Volpe weiß eben alles«, schnaufte der Erschöpfte und ließ sich auf den Stuhl fallen. Mein Freund schob ihm einen Donnerkeil von Vollkornbrot hinüber, der fingerdick mit Weichkäse beschmiert war; dazu einen Humpen verdünnte Milch. Gierig aß und trank der Gottesmann. Als sein Wanst gefüllt war, sagte Volpe, leise vor sich hin schmunzelnd: »Nicht wahr, Ihr Untermieter – hieß er nicht Ruggiero Lupo? – ist tot; und genau das wollen Sie uns melden, oder?«

Unser Monsignore Grana stierte auf meinen Freund, als wäre er ein Gespenst. Dann fasste er sich und flüsterte heiser:

»Der Schreck hat ihn überwältigt, das Grauen hinweggerafft. Luzifer hat ihn in seine Klauen genommen. Er ist auf ebenso grausige Weise ums Leben gekommen wie seine Geschwister. Ein Fluch liegt auf dieser Familie. Ruggiero ist, äh, war notorischer Frühaufsteher. Immer wurde ich bei Morgengrauen geweckt, wenn er die hölzerne Treppe hinunter trampelte. Manchmal verfluchte ich ihn für dafür, aber ansonsten war er ja ein guter Hausgenosse.

Heute früh aber herrschte Ruhe; kein Trampeln, kein Nichts. Als ich bei Sonnenaufgang staunte, dass er immer noch in seinen Räumlichkeiten steckte, gab mir der gnädige Herrgott ein, nach ihm zu sehen. Es mochte ihm ja etwas zugestoßen sein; und da ... stieg ich zuerst zu seinem Schlafzimmer hinauf, aber das Bett war unbenutzt.

Jetzt wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, rannte die Treppe hinunter und riss seine Wohnzimmertür auf. Ein abscheulicher Verwesungsgestank wehte mir entgegen, und ... und schon entdeckte ich seine widerlich zugerichtete Leiche ... hielt die Luft an, rannte wie verrückt durch den Raum und riss den einen der beiden Fensterflügel auf ... und hatte dann, halb erstickt, wie ich war, nur noch einen Gedanken: Giuseppe Tartini muss her! Er und kein anderer! Den Carabinieri habe ich die obligatorische Mail geschickt, aber wie ich sie kenne, schlafen sie noch. Sie schlafen ja meistens.«

Volpe war inzwischen auf die Füße gesprungen, energiegeladen wie in früheren Tagen, und sagte: »Ist alles unverändert geblieben?«

»Gewiss; einmal abgesehen vom Fenster. Das ließ sich nicht vermeiden. Sonst habe ich alles so gelassen, wie ich es vorfand; und dann bin ich sofort hierher herüber gefahren.«

»Können Sie uns beide in Ihrer flotten Kiste unterbringen?«

»Ja, wenn wir beide zusammenrücken, Sie sind ja gottlob dünn, und sich der Dottore auf die Behelfssitze hinten zwängt.«

»Gut, dann wollen wir aufbrechen, ehe noch die Dilettanten vom Revier die Dinge durcheinander bringen und die Spuren verwischen. Hoffentlich kommen wir ihnen zuvor, denn wenn sie erst einmal das Oberste zuunterst gekehrt haben, gestaltet sich das Spurenlesen zur Sisyphusarbeit.«

»Ich habe sie gerade eben erst benachrichtigt.«

»Na, wunderbar, großartig; dann auf und davon!«

Der Priester nickte. Wir quetschten uns in seine kleine Kutsche und legten die Strecke im gemütlichen Tempo Dreißig zurück.

Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher

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