Читать книгу Fünf Jahreszeiten - Meral Kureyshi - Страница 11
ОглавлениеEin Tag nach Weihnachten kam Adam, als ich das Museum verließ. Zuerst erkannte ich ihn nicht von weitem. Ein Punkt, ein Strich, ein Mensch, ein Mann, Adam stand vor mir. Seine Hände steckten im dunklen Mantel, dessen Kragen nach oben gerichtet war.
Wer ist das?, fragte Nikola, als wir vor dem Museum standen, so nervös habe ich dich noch nie gesehen.
Der von gestern, ich wusste nicht, dass er kommt, sagte ich.
Ich habe ihn mir anders vorgestellt, als du von ihm erzählt hast, der sieht total langweilig aus, schau wie er geht, wie in einer Slo-Mo-Einstellung, sagte Nikola, bevor er ging.
Du hast mich fast verpasst, sagte ich, als Adam vor mir stand.
Er streckte seinen Finger aus und zeigte mir einen Schneekristall. Ich schob seine Hand etwas weg, da ich die Augen so nah nicht fokussieren konnte.
Ob es nicht beeindruckend sei, fragte ich, dass in den Wolken ein sechseckiger Kristall entstehe, der sich immer wieder umformt, sich weiterentwickelt.
Und je feuchter die Luft, desto lockiger meine Haare, sagte ich.
Vor der ehemaligen Schule drang laute Musik aus der alten Turnhalle, drinnen tanzten Menschen. Er schlug sich die Nase an der Scheibe, ich lachte laut. Es war ihm unangenehm, das brachte mich noch mehr zum Lachen.
Am Kalkbrunnen vorbei, über den leergefegten Platz, wo sich immer an derselben Stelle eine Pfütze bildet, wenn der Schnee schmilzt, am Theater im Turm vorbei zum mittelalterlichen Wehrturm, der nicht mehr beschützt, nur noch die Zeit anzeigt. Der goldene Glockenspieler schlägt die Uhr zu jeder Stunde, wo er von den Touristen fotografiert wird, die vom vorbeifahrenden Bus überrascht werden. Die Touristen bewegen sich erst wieder weg, wenn das Spiel ein Ende nimmt, dann verteilen sie sich in der Stadt.
Ein Tag nach Weihnachten waren die Straßen menschenleer, es war Sonntag an einem Dienstag.
Die Bären schliefen schon länger.
In der Junkernbar kaufte er sich Zigaretten, wir tranken Wein neben der Musikbox, in die wir unser ganzes Kleingeld warfen und laut mitsangen. Langsam leerte sich die Bar.
Ich schaute mir die verschiedenen Krankheiten auf den Zigarettenpackungen an, die verfaulten Zähne, schwarzen Lungen, Missbildungen bei Ungeborenen.
Seine Eltern waren Bauern, dort geboren, wo sie heute noch leben, im selben Dorf, im Haus der Großeltern, das sie geerbt hatten. Die Berge seien nah, ein Bach fließe in die Aare, erzählte Adam, als ich ihn nach seiner Familie fragte.
Ich habe einen Bruder, auch eine Schwester, wir sehen uns sehr selten, sagte ich, seit mein Vater tot ist und meine Mutter zurück dahin, wo die Bistrica durch die Stadt fließt, wo Baba begraben liegt.
Manuel hatte versucht, mich zu erreichen. Acht Stunden waren vergangen, seit Adam vor dem Museum aufgetaucht war und wir nur ein paar Schritte gehen wollten.
Plötzlich stand Manuel in der Bar, er hatte mich in der ganzen Stadt gesucht, sich Sorgen gemacht, mich zu Hause erwartet, für uns gekocht.
Wer ist das?, was machst du hier?, wollte er wissen. Manuel zog mich wütend am Arm aus der Bar.
Willst du mich verarschen?, fragte Manuel, wer ist dieser Typ?
Er arbeitet mit mir, log ich in der Not.
Mach jetzt bitte keinen Aufstand, das ist so peinlich, sagte ich wütend.
Als ich in der Bar meine Jacke holte, entschuldigte ich mich bei Adam, das war mein Freund, sagte ich, ich muss jetzt gehen, es war schön mit dir, aber wir können uns nicht wiedersehen. Er hielt meine Hand und sagte, dass er sich in mich verliebt habe, ich erstarrte für einen kurzen Moment.
Adam blieb sitzen mit unseren halbvollen Gläsern und meinem Namen, den ich auf den Rand eines Zuckerbeutels geschrieben hatte.