Читать книгу Fünf Jahreszeiten - Meral Kureyshi - Страница 4
ОглавлениеIch warte auf Adam, am Bahnhof, in der hohen Eingangshalle, vor dem See der vier Kantone. Die reflektierende Sonne blendet, draußen spielt ein Musiker auf seinem Akkordeon ein Lied, das mich an meine Kindheit erinnert.
Adam wurde für den Master an der Kunsthochschule angenommen, weit weg am nordatlantischen Ozean, wo die Clyde durchfließt.
Als er plötzlich auftaucht, laufe ich auf ihn zu und umarme ihn lange, sein Wachsjackett riecht tatsächlich nach Wachs, der warme Hals versteckt mein Gesicht.
Ich steige in den Bus, der zum Flughafen fährt. Er raucht draußen zu Ende, schaut auf sein Telefon und steigt auch ein.
Während der ganzen Busfahrt hält mich Adam in seinem Arm. Erst als wir ankommen, lässt er mich los.
Am Flughafen blendet die Sonne und wärmt unsere Haare.
Wir warten nicht, die Zeit vergeht einfach, während wir in der Schlange stehen, um das Gepäck aufzugeben. Alle schweigen, als wäre das Sprechen verboten.
Adam öffnet die große Ledertasche, er verstaut seine Jacke und sein Telefon darin.
Schöne Erinnerungen, sagt er, als ich das Fotoalbum heraushole und darin blättere. Tagelang habe ich unsere Fotos sortiert, eingeklebt, zu jedem Foto etwas geschrieben.
Ich fahre über die Tätowierung an der Innenseite seines linken Ringfingers, die etwas verblasst ist.
Der erste Buchstabe meines Namens.
Ich muss sie nachstechen lassen, spricht er leise, ohne dass ich etwas sage, und streicht mit dem Daumen über den Buchstaben, der aussieht wie ein fliegender Vogel.
Ich fange an zu weinen.
Was ist los?, fragt Adam.
Ich kann nicht mitkommen, sage ich und bin selbst erstaunt über die Wörter, die aus meinem Mund kommen.
Adam schaut mich erschrocken an.
Ich schweige. Wahrscheinlich wollte ich genau diese Trauer in seinem Gesicht sehen.
Was sagst du da?, fragt Adam mit zitternder Stimme.
Ich kann nicht, es fühlt sich nicht richtig an.
Dann stößt er mich von sich.
Wie kannst du mir das antun? Ich habe dir geglaubt, sagt Adam.
Ich fühle die Blicke der anderen, die mit uns in der Schlange stehen, die nur langsam vorrückt.
Ich liebe dich, sagt Adam verzweifelt, bitte, komm mit, tu mir das nicht noch einmal an.
Ich streiche die Tränen aus seinem Gesicht, drehe mich um und renne davon. Draußen warte ich eine Stunde auf das Abheben seines Flugzeugs.
Meine Tasche ist nicht schwer, doch nach einer Weile schmerzt meine Schulter.