Читать книгу Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend - Michael Borgolte - Страница 14

Verwaltung und Geistlichkeit

Оглавление

In den aus Makuria stammenden Texten findet sich eine Vielzahl von Titeln sowohl aus der politischen als auch aus der kirchlichen Hierarchie. Die bloße Menge zeigt, dass das Königreich sich als eine hoch-organisierte und hierarchische Entität konstruierte, die dem byzantinischen Reich zu entsprechen suchte. Dabei kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Übernahme eines byzantinischen Titels mit der Übernahme einer Funktion einherging. Man beschränkte sich auch nicht auf die bloße Imitation byzantinischer Hierarchien. Vielmehr zeigt sich in den Titeln der Versuch, eine komplexe oder hybride Identität zu konstruieren bzw. zu demonstrieren. So finden sich in den Texten byzantinische Titel wie eparchos, domestikos, architriklinos aus der politischen Hierarchie oder archidiakon, papas und episkopos aus der kirchlichen Hierarchie, die in ein und demselben Text auch in ihrer nubischen Übersetzung erscheinen: architriklinos „Hofmarschall, Zeremonienmeister“ wird im Nubischen als odol dauul wiedergegeben, was wörtlich übersetzt „Großer Werfer“ bedeutet. Dem byzantinischen oeconomus entspricht der Nubische ok idil, der „Hüter des Hauses“. Der König wird zwar meist mit dem nubischen uru bezeichnet, kann aber auch als griechischer basileos in den Texten erscheinen.12

Daneben gibt es rein nubische Titel, die nur zum Teil übersetzt oder verstanden werden können. So ist der ∫u ein „Verwalter der Getreidespeicher“, der ein bedeutendes Amt in der Hierarchie darstellte. Was aber die Funktion eines igla mosil, was so viel wie „der Opferer im Feuer“ bedeutet, in der Kirchenhierarchie war, bleibt im Dunkeln. Möglicherweise wurden hier vorchristliche oder nicht-nubische Praktiken mit einbezogen.

Unter dem Aspekt der Hybridisierung besonders interessant ist das Amt des eparchos von Nobatia, der nördlichsten Provinz des nubischen Königreichs. Der Eparch von Nobatia war ein hoher Beamter und Stellvertreter des Königs, der seit dem 7. Jahrhundert vor allem die Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und Makuria zu kontrollieren hatte. Dem griechischen eparchos, das in der byzantinischen Hiercharchie einen Stadtpräfekten oder Statthalter bezeichnet, entspricht das nubische mourtin nodil „Herr der Pferde“ oder sooj „Herr der Berge“. Bildliche Darstellungen weisen ihn als einen Würdenträger aus, der eine Kopfbedeckung mit zwei seitlichen Kuhhörnern trägt, was auf meroitische oder sogar altägyptische Traditionen bzw. auf einen rindernomadischen Zusammenhang verweist. Hier macht sich möglicherweise der Einfluss der nomadischen Beja bemerkbar, die sich, wie erwähnt, im Norden des Reiches niedergelassen hatten. Gleichzeitig ist auf der Darstellung die Kleidung des Eparchen mit byzantinischen Doppeladlern verziert.

In allen Texten mit Auflistungen von Titeln wird die onnen, die Königinmutter, vor allen anderen Beamten an zweiter Stelle hinter dem König genannt.13 Verschiedene arabische Autoren der Zeit berichten über die aus ihrer Sicht befremdliche matrilineare Erbfolge in Makuria. Diese Information kann insofern nicht überraschen, als es eine starke vorchristliche matrilineare Tradition im nördlichen Sudan gab. In diesem Bereich hatte man offenbar jegliche Veränderungen, die durch christliche, später islamische Vorstellungen nach Makuria hineingetragen wurden, abgelehnt. Insgesamt blieben Frauen in Nubien bis weit in die islamische Zeit voll geschäftsfähig und erbberechtigt.

Die matrilineare Erbfolge führte aber auch dazu, dass über Einheiraten mit einheimischen Frauen arabische Muslime 1323 als legitime Nachfolger den Thron in Dongola übernahmen und damit das Ende des christlichen Nubien zum Ende des 15. Jahrhunderts einläuteten.

Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend

Подняться наверх