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Nubier und Araber

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Als besonders komplex sind die Interaktionen zwischen Nubiern und arabisch-muslimischen Einwanderern zu bewerten. Bereits 642, unmittelbar nach der arabischen Invasion Ägyptens, versuchten die muslimischen Eroberer, ihren Machtbereich nach Makuria auszuweiten. Eine Armee drang nach Dongola vor, wo sie jedoch auf massiven Widerstand stieß und sich zum Rückzug gezwungen sah. Ein zweiter Angriff auf Nubien erfolgte zehn Jahre später, und wieder gelang es nicht, Dongola einzunehmen. Die arabischen Quellen rechtfertigen diese Niederlage, indem sie die Nubier als wilde und skrupellose Kämpfer konstruieren.14 Der erfolgreiche nubische Widerstand zwang die arabischen Angreifer zu einem Vertrag – ein in dieser inhaltlichen und formalen Ausgestaltung einmaliger Vorgang zwischen einem arabisch-muslimischen und nicht-muslimischen Staat in der frühen Geschichte des Islam.15 Der sogenannte Baqt – vermutlich von griechisch „pakhton“ – war ein bilaterales Abkommen, das Makuria vor weiteren Angriffen und Islamisierungsversuchen schützten sollte. Dabei versuchte man von nubischer Seite, die Einwanderung aus dem Norden zu regulieren. Ägyptischen und anderen muslimischen Händlern wurde Reise-, Handels- und Niederlassungsfreiheit im Norden des Königreichs, in der Nobatia genannten Provinz, zugesichert. Südlich des 2. Nilkatarakts wurden arabisch-muslimischer Handel und jede Form von Niederlassung in diesem Gebiet bei Strafe verboten. Im Gegenzug verpflichtete sich Makuria, pro Jahr 400 Sklaven an den Emir von Assuan zu liefern. Die nubische Seite erhielt darüber hinaus große Mengen an Wein, Getreide, Textilien und anderen Waren.16 Auf der einen Seite leitete das Abkommen eine Phase friedlicher Beziehungen und aktiven Handels zwischen der arabischen Welt und dem nubischen Königreich ein. Auf der anderen Seite öffnete man damit die Tore für arabisch-muslimische Einwanderer, die – zunächst nur in Nobatia – Land erwerben und sich niederlassen durften. So erscheint in den nubischen Texten plötzlich ein Mouhumeti (nubische Wiedergabe des Namens „Mohamed“), der in Anwesenheit christlicher Würdenträger als Zeugen Land an einen christlichen Nubier verkauft. Der arabische Historiograph al-Mas’udi berichtet, dass Muslime in der Region um Aswan Land erworben hatten, dort siedelten und Steuern an den nubischen König abführten.17

Konnte man mit Hilfe des Baqt-Vertrages den Zuzug arabischer Muslime aus dem Norden entlang des Nils noch vermeintlich kontrollieren, wanderten gleichzeitig fast ungehindert arabisch-muslimische Gruppen über die von den Beja kontrollierten Wüstenregionen im Osten des Niltals sowie aus dem Westen nach Makuria mit seiner Hauptstadt Dongola ein. Komplexe interkulturelle Transaktionen mit ganz unterschiedlichen Resultaten waren Folgen dieser Migrationen.

Eine für den Verlauf nubischer Geschichte besonders wichtige Gruppe von Einwanderern stellte ein Zweig der Rabi’a-Araber dar, der, vermutlich von der Arabischen Halbinsel kommend, im frühen Mittelalter nach Oberägypten einwanderte. Zunächst siedelte die Gruppe in den Red Sea Hills, wo sie sich mit den dort ansässigen Beja vereinigte. Ab dem 10. oder frühen 11. Jahrhundert kontrollierte diese beja-arabische Gruppe Aswan und das angrenzende Niltal. Nachdem ihr Führer dem fatimidischen Kalifen von Ägypten einen ehrenvollen Dienst erwiesen hatte, indem er einen politischen Rivalen festsetzte, wurde ihm der Ehrentitel Kanz ed-Dawla, „Kleinod des Staates“18, verliehen, den seine Nachfolger erbten und nach dem die ganze Gruppe fortan Beni Kanz bezeichnet wurde. Die Beni Kanz wurden in der Folge zu einem bedeutenden muslimischen Element im Königreich von Makuria, und der Kanz ed-Dawla hielt zumindest zeitweise auch das bedeutende Amt des Eparchen von Nobatia inne. Darüber hinaus kam es schließlich zu Eheschließungen zwischen der Familie des Kanz ed-Dawla und dem christlichen Herrscherhaus von Makuria. Als Folge dieses Einheiraten und der in Nubien vorherrschenden matrilinearen Erbfolge übernahmen 1323 gewaltlos und rechtmäßig Muslime den Thron in Dongola.19 Traditionell wurde das Jahr der arabisch-muslimischen Übernahme des Thrones von Dongola als das Ende des christlichen Nubiens angesehen. Tatsächlich markiert dieses Ereignis nur einen Moment in einem Prozess arabisch-nubischer Geschichte. Zwar gab es nach 1323 keine christlichen Herrscher in Dongola mehr; das Christentum blieb aber bis mindestens zum Ende des 15. Jahrhunderts ein bestimmender Faktor in Nubien, und auch Religion der Könige im kleineren und nördlich von Dongola gelegenen Nachfolgestaat des Reiches von Makuria. Die beja-arabischen Beni Kanz brachten den Islam nach Dongola, durchliefen aber gleichzeitig einen Prozess der Nubisierung. Sie gaben ihre Sprache zugunsten des Dongolawi-Nubischen auf und assimilierten sich an nubische kulturelle Traditionen. 1365, gut vierzig Jahre nach der ersten Thronbesteigung eines Kanz ed-Dawla, sahen sich die Beni Kanz bereits gezwungen, den Thron von Dongola wieder aufzugeben und sich in ihre Siedlungsgebiete um Aswan zurückzuziehen.20 Ihre neue Sprache, aus der sich im Laufe der Jahrhunderte ein eigener Dialekt des Nubischen entwickelte, nahmen sie dabei mit. Schon im Verlauf des Mittelalters gingen also aus einer Untergruppe der arabischen Rabi’a die Beni Kanz als vermutlich beja-arabischer Hybrid hervor, aus dem heraus sich die nubisierten Kenzi entwickelten.

In die Region um Dongola wanderten im Laufe des Mittelalters weitere arabisch-muslimische Gruppen ein. Unter dem Oberbegriff Ja’aliyin fasst man beispielsweise diejenigen Gruppen zusammen, die südlich von Dongola bis zum Zusammenschluss von Blauem und Weißem Nil ansässig sind und als ursprünglich nubisch-sprachig anzusehen sind. Wenngleich sie heute, wie viele islamisierte Gruppen, eine rein arabische Abstammungslinie propagieren, deutet vieles darauf hin, dass sie ihre ursprünglichen Sprachen erst vor zwei oder drei Jahrhunderten aufgegeben haben.21

Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend

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