Читать книгу KISHOU III - Michael Kornas-Danisch - Страница 17
ОглавлениеDie Vorsicht des Tolmoi Rhodes
Rhodes stand hoch aufgerichtet auf seinem Leitwagen und hob beide Arme über seinen Kopf. Ein langgezogenes „Halt!“ aus seinem Munde brachte den Haufen zum stehen. „Lenkt die Wagen aus – wir rasten!“
Selbst die hellsten der Sterne begannen bereits zu verblassen. Rhodes entzündete einen Pfeil, und schoss ihn in nicht zu steilem Winkel über die Köpfe seiner Männer hinter sich in den Himmel. Er wollte nicht unnötig irgend jemand auf sich aufmerksam machen.
Im Abstand von jeweils zwanzig Schritten liefen hundert seiner Männer mit Fackeln in den Händen genau an der Schneise entlang, die der Pflug hinter dem Wagen des Tolsmoi in den Boden Schnitt. Die Lichterkette reichte Rhodes aus, um den Kurs halten zu können. Der brennende Pfeil verriet den Folgenden nun das Ende der Aktion, und sogleich erloschen zwei von drei Lichtern. Die übrigen sollten zur Orientierung der jeweils Nachfolgenden genügen – Brennstoff war ein knappes Gut auf dieser Reise ...
Die Formation der Wagen riss auseinander und begann sich kreisförmig um das Lager neu zu formieren.
„Vanleu!“, rief Rhodes einen der Umstehenden bei seinem Namen. „Kümmere dich darum, dass die Schilde aufgepflanzt werden, und Katapulte, Drindeln und Bögen sich ebenso wehrbereit verhalten!“
Diese Art von Vorsicht war ungewöhnlich für einen Asimielen und fand auch nicht bei jedem seiner Landsleute seine Zustimmung. Zu vieles konnte einem entgehen, wenn man zu wenig wagte. Das er dennoch zum Tolsmoi der Oase Tisma gewählt wurde, lag wohl nur an seiner großen Erfahrung, die schon viele Bände gebundener Krypte im Heiligen Dom füllten. Man bewunderte ihn darum – zumal sie den für einen Asimielen eklatanten Widerspruch zwischen Erfahrung und Vorsicht noch nicht lösen konnten. Genau das aber machte ihn nun wiederum besonders Interessant, denn diese Fragen suchten nach einer Antwort ...
„Wir haben ein gutes Stück geschafft in dieser Nacht, Tolsmoi!“, meinte einer, der gerade eine Kiste über den Boden an ihm vorbei zog. „Wie lange werden wir uns zu diesem Ort verhalten?“
Rhodes antwortete nicht. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er aufmerksam die Weite der Singala und das erstrahlen des Himmels. Er war eigentlich sehr zufrieden. Sie hatten tatsächlich eine erstaunliche Strecke zurückgelegt, weil sie wegen des Sternenhimmels auf die zeitraubende Marschformation verzichten konnten. Es mochte in dieser Nacht gut das Doppelte der Strecke gewesen sein, die sie Tags zuvor geschafft hatten.
Aber die Offenheit der Singala bereitete ihm mehr und mehr Sorgen. Solange sie noch die Grenze dieses unheilen Ortes hinter sich ausmachen konnten, schien sie noch nicht so bedrohlich wie jetzt, wo der Blick in jede Richtung dasselbe Panorama bot. Einzig die Schneise des Pfluges hinter ihnen gab Auskunft darüber, in welcher Richtung ihr Ausgangspunkt lag – und die Sonne natürlich im Ungefähren. Ihr Verhalten erschien hier aber eher trügerisch. Ihr Lauf am Himmel war alles, worauf man sich bei ihr noch beziehen konnte. Hier unten in der Landschaft, die keine mehr war, gab es nichts mehr, woran man sich orientieren konnte. Woran sollte man den Lauf der Sonne prüfen? Was, wenn sie sich gerade jetzt entschied, einen anderen Weg am Himmel zu nehmen? Rhodes kniff die Lippen zusammen, und sein Blick wechselte einen Moment zu dem neben ihm stehenden Wagen. Er durfte nicht zu lange in diese Grenzenlosigkeit hinein starren ...
Zögerlich wagte er einen erneuten Blick in die Singala. Ein Gegner würde in ihr keine Deckung finden – aber sie selbst ebenso wenig ... .und was noch schwerer wog: Sie kannten ihren Gegner nicht! „Den ganzen Tag!“, sagte er endlich – mehr laut denkend, als tatsächlich antwortend. Aber der gefragt hatte, war eh mit seiner Kiste weitergezogen, nachdem die Antwort zu lange ausblieb.
Entschieden wendete Rhodes sich von der Singala ab und der geschäftigen Menge zu. „Holt die Wagen zurück und baut sie so auf, dass sie sich in einem engen Kreis zueinander Verhalten – die Tiere in die Mitte!“
Unmutsäußerungen wurden laut. Niemand konnte mit der Anweisung etwas anfangen, zumal sie ohne den Anblick der Wagen vor ihren Augen, die ihren Blick in die Singala immer wieder unterbrachen, gezwungen waren, ihr vollends den Rücken zuzukehren.
„Grabt euch ein Stück weit vor den Wagen ein – tief genug, dass ihr geduckt darin verschwinden könnt. Eure Schilde sollen sich zu den Gräben verhalten wie schützende Dächer, wenn es nötig wird!“
„Das ist viel Arbeit im Verhältnis zu einer kurzen Rast!“, ereiferte sich einer.
„Sie wird bis zum Untergang der Sonne andauern!“, erwiderte Rhodes ruhig, während seine Augen prüfend über das Lager glitt, ob er auch alles bedacht hatte. „Und nehmt genug Wasser und Proviant von den Wagen und schafft sie in die Gräben. Es wird das Verhalten der Zeit zu unseren Gunsten verändern, wenn es nötig wird!
„Wir sollen uns hier den ganzen Tag aufhalten?“, drang eine ungläubige Stimme zu ihm.
Ja, Salkar!“, bekam der Zweifelnde zur Antwort – laut genug, dass auch die Umstehenden es hören konnten „Das Feuer reicht noch für die nächste – und vielleicht auch noch die übernächste Nacht. Wir werden das günstige Verhalten der Dunkelheit nutzen, solange es uns möglich ist. Die Strecke, die wir darin zurücklegen können, verhält sich zum Tagesmarsch mehr als günstig. Ob wir eine offene Schlacht überstehen können, wissen wir nicht – und wenn wir schon das Verhalten des Gegners nicht kennen, soll der Gegner wenigstens nicht erkennen können, wie wir uns zu ihm verhalten. Leuchtet das ein?“
Es leuchtete ein. Das war es eben, was Rhodes zum Tolsmoi prädestinierte. Seine Gedankengänge waren ungewöhnlich, aber schlüssig. Sie hatten immer etwas, was Wert war, in das Krypt aufgenommen zu werden ...
Unter der hier nur dünnen Schicht feinkörnigen Sandes war der Boden trocken und hart. Es verlangte einiges an Anstrengung, ihm ein Erdloch abzuringen. Der Tag hatte längst begonnen, als endlich nur noch Köpfe und Schultern zu sehen waren – vor sich griffbereit die Schilde, und nah genug um den Graben verteilt, immer wieder aufgebaute Katapulte für die Speere.
Rhodes saß noch eine Zeit mit ein paar seiner Leute auf einem der Wagen, und beobachtete über die Erdlöcher seiner Mannen hinweg die Weiten der Singala – dann kauerten sie sich liegend an die Seitenwände, und schlugen Planen über ihre Körper ...
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