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9 | Herr Knochenhauer passt auf

Achtzehnter Eintrag im KleinDicken

Auf der Chaiselongue musste ich über die Entrüstung Haiko Henks nachdenken, dass mein Strich den Ton einer biographischen Note in seinen Lebensabschnitt gebracht hatte. Als ich überlegte, die Kraft meiner Striche zu meinem Wohlergehen kommerziell in Form eines Strichehandels zu nutzen, unterbrach Montezuma II meinen zukunftsweisenden Ideenstrom: »chipauak kiuak mo kalakoayan!7 «

Also dachte ich über die Reinigungsreihenfolge nach.

Zunächst waren die grünen Lutum-Böhnchen des Mini-Kamels zu entsorgen. Wohin nur damit? In die Biotonne im Hof? Da kam mir eine nützliche Idee, die mich zum sofortigen Verlassen der Chaiselongue motivierte. Ich füllte das goldwertige Kehrgut in einen leeren Bio-Sichtstreifenbeutel mit Pergaminfenster von Gleich-nebenan-Bäcker Alkmund Mehlhorn. Mit rotem Filzstift beschriftete ich die Schrippentüte mit dem Vermerk, der einst für Westpakete in die damalige Ostzone erforderlich war: Geschenksendung – keine Handelsware! Die zweckerweiterte Tüte verschloss ich mit meinem Kokarinax8 so, dass meine Visitenkarte mit Nachbarschaftsgruß angeheftet war.

Während meiner Verpackungstätigkeit hatte mir Montezuma II seinen herrschaftlichen Rücken zugewandt. Als ich an ihm vorbei zur Arschlawozitür ging, drehte er sich so, dass mir stets sein Rücken zugewandt blieb. Ich trug die güldene Handelsware in den dritten Stock und hängte sie an die Tür von Madame Mone de Ikubolaiev.

Zurück im Arschlawozi begrüßte mich mein royaler Asylant mit »teuatl kateh iuik tsintlan tlakatilistli!9«

Unter uns gesagt: Dieser Vogel hatte einen Vogel. Und der wurde allmählich unaushaltbar. Ich räumte den Etagenflur auf. Mein umgestürzter Kullaberg war von Illustrierten bedeckt, die in Teilen von flüssigem Alpakagold durchsetzt waren. Ich packte den gesamten Papierkrempel in einen Müllbeutel und wischte und schrubbte den Flurboden vor meiner Arschlawozitür so lange, bis er nicht nur sauber, sondern rein war.

Müllbeutel, Stuhl und Kullaberg ließ ich vom Fenster aus in einer Plastikwanne an einer Leine in den Hinterhof. Die Illustrierten sollten in die Papiertonne.

Als ich den Tonnendeckel aufgerichtet hatte, gesellte sich, wie aus dem Nichts erscheinend, Hausmeister Egon Rüdiger Knochenhauer zu mir.

»Du willst aber jetzt nicht deinen Dreck in die gemeinschaftliche Papiertonne geben? Das geht gar nicht! Es gibt Vorschriften!«

Ich schaute mich um und ihm genau durch seinen weit aufgerissenen Mund in das Gewölbe des hausmeisterlichen Rachenraumes. Nie zuvor sah ich einen weiter geöffneten Mund!

In Zeiten nur selten praktizierter manueller Mundabdeckung im öffentlichen Raum, zum Beispiel bei spontanen Gähnvorgängen, legte sich mir eine Kurzwortkreation für die Langform von Weit offener Mund, nämlich Wom, auf meine Zunge.

Übertrieben beugte ich mich vor, um deutlich zu machen, dass ich einen bewussten Blick durch den Wom in sein orales Gewölbe warf, weil er mir die Möglichkeit dazu gab.

»Guten Tag, Herr Knochenhauer! Schön Ihr Gaumenzäpfchen zu sehen! Und schön zu wissen, dass Sie sich Mühe geben. Übrigens, mein Mitgefühl haben Sie. Ich habe gehört, dass Ihre Hämorrhoiden wieder bluten. Und das, wo Ihre Prostata sich so vergrößert. Ich weiß, wie das ist!«

Ich richtete mich auf und der Hausmeister regte sich auf. Und dann entlud sich seine Aufregung. Knochenhauer lachte wie damals Ziege Trudildis auf dem Gehöft meines Oheims Humfried Käferböck in der Lüneburger Heide. Nur mit Stimmbandverstärkung.

»Was sagst du da? Mit der Prostata? Das hast du von der Lawottke. Die kann sich auf was gefasst machen. Und wir sprechen uns noch!«

»Herr Knochenhauer?«, rief ich hinterher, aber seine Ziegenlache im Wiederholmodus übertönte mein Rufen. Dann war er auch schon im Vorderhaus verschwunden. Ich versenkte meine Illus in der Tonne, ließ Kullaberg mit Stuhl stehen und eilte, um Allmut beizustehen, ins Vorderhaus.

Der aufgebrachte Hausmeister stand gebückt vor der Flurwand und betrachtete im geschätzten Abstand von 13,5 Zentimetern eine lange schwarze Schleifspur, die von einem Weichgummigriff eines Fahrradlenkers herrühren mochte, keinesfalls aber von Clemens Licht.

Von dem aufgebrachten unbemerkt erreichte ich vor ihm eine sehr empörte Allmut.

»Was behauptet der? Du sollst von mir haben, dass seine Hämorrhoiden bluten? Huch, ist das aufregend! Der soll ruhig kommen! Der kriegt was zu hören! Komm erst mal rein!«

Kaum hatte Allmut ihre Wohnungstür hinter uns verschlossen, klingelte es Sturm.

»Lass mal Allmut, ich mache auf.«

Ich öffnete die Tür.

»Bist du mir zuvorgekommen? Wo ist die Lawottke?«

»Herr Knochenhauer, als Sie sich vor zehn Minuten mit Nebensächlichem aufhielten, habe ich gehört, dass Sie es auch an der Schilddrüse haben! Das ist gar nicht gut. Man regt sich leicht auf.

Wissen Sie, meiner letzten Bekannten, der leutseligen Gudrun, ist es auf Gomera so ergangen. Die hatte auch ihre Schilddrüsenkapseln nicht genommen und als ich ihren Müll in die falsche Tonne versenkt hatte, hatte sie sich so sehr aufgeregt, dass sie mir auf der Stelle tot in meinen Gipsarm fiel.

Herr Knochenhauer, Sie sind ein großer, starker Mann. Schauen Sie sich an. Ihr Gesicht ist so rot wie Ihre blutenden Hämorrhoiden. Wenn Sie mir wie die leutselige Gudrun hier und jetzt auch tot in die Arme fallen, kann ich Sie nicht halten und Drago wartet nur darauf, dass er Sie bei Ihrem Specknacken zu fassen kriegt. Das wird ganz eklig, sage ich Ihnen. Ganz eklig!«

»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein verdammter Dummschwätzer bist? Nein? Dann sage ich es dir jetzt. Und jetzt lass mich durch zur Lawottke!«

Und obwohl es nicht passte, ließ Herr Knochenhauer seine Ziegenlache im Wiederholmodus ertönen.

»Herr Knochen, äh, hauer, Frau Lawottke möchte nicht mit Ihnen kommunizieren. Ich soll Ihnen das genau so sagen, damit Sie das und sie verstehen. Gehen Sie zurück in die Kopischstraße! Unterwegs beruhigen Sie sich und zuhause nehmen Sie Ihr Hühnersüppchen und Ihre Tabletten zu sich! Ach ja, und schauen Sie mal, Ihre Hose lässt im Schritt schon Ihr hämorrhoidales Blut durchsickern, Herr Knochenhauer! Sie gehören in die Kla, äh, Klinik! Und regen Sie sich jetzt auf gar keinen Fall auf. Gesundheit geht über alles! Friede sei mit Ihnen!«

Und da war es wieder: das Lachen Trudildis'. Laut und alles übertönend. Und kurz! Knochenhauer näherte sich mir drohend.

»Feuereis! Ich kann dich nicht leiden. Und Typen, die ich nicht leiden kann, haben hier nichts zu suchen. Für dich heißt das: Du ziehst aus! Sofort! Sonst …«

»Sonst was, Knochenhauer?«

Knochenhauer konnte nicht mehr antworten, denn Drago kam mit seinem Löwengeknurre auf uns zugeschossen. Allmut kommentierte aus der Tiefe ihrer Küche heraus die sich anbahnende Zerfleischungsszene mit ihrem »Huch, ist das aufregend!«

Rechtzeitig erreichte Hausmeister Egon Rüdiger Knochenhauer die Haustür und stahl Allmut das Vergnügen seiner Verstümmelung. »Den sind wir los, Allmut«, sagte ich.

»Der kommt wieder, Knut! Einen Knochenhauer wird man nie los! Das sage ich dir. Und jetzt erzähl, was eigentlich los war!«

Ich erzählte Allmut, was eigentlich los war, und als ich das Eigentliche los war, unterzog ich Stuhl und Kullaberg einem siebenstufigen Reinigungsverfahren und stellte beide wie gewohnt vor der Arschlawozitür für den geneigten Wartewilligen auf.

7 Putz vor deiner Tür!

8 Knuts klammerloses Heftgerät der japanischen Firma Kokuyo Harinacs

9 Du bist von niederer Geburt!

KNUT

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