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Aufklärung
ОглавлениеNach dem Krieg, als die Schule sich sehr bemühte, wieder offen und modern zu sein, hielt unsere Schule es für wichtig, uns eine Aufklärungsstunde sexueller oder erotischer Art zu bieten. Es war ein bisschen verspätet für uns, denn mein Freund Rudolf Melichar hatte schon eine uneheliche Tochter, und in unsere Hosentaschen hatten sich schon die ersten Präservative eingeschlichen. Aber höflich wie wir waren, wohlerzogene Buben, saßen wir alle bereit. Es kam ein soignierter Herr in einem schlichten grauen Anzug und begann, etwas speichelarm möchte ich fast sagen, nicht unverlegen, aufs Natürliche Wert legend, zu sprechen:
»Meine lieben jungen Freunde, es gibt«, da stockte er ein bisschen, »den Hahn und die Henne, den Bock und die Geiß, die Kuh und den Stier, die Hündin und den Rüden«, kleine Pause, »und es gibt den Mann und die Frau.«
Darauf rief mein Freund Rudi Melichar ganz laut: »Und es gibt das Pudern!«
Damit war der Reiz der Aufklärung dahin.
Bei uns in der Familie ging das so vonstatten. Ich nahm meinen vierjährigen Sohn Konstantin beiseite, was schon schwierig war, denn er ließ sich nicht gerne beiseite nehmen, und begann stockend:
»Koki, ich will dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen bist. Der Papa und die Mama waren nebeneinander … Der Papa hatte, also nahm, wie soll ich sagen, hat versucht, die Mama von, weißt du, wir waren zusammen und weil wir zusammen waren, da, das heißt ganz zusammen … Verstehst du? Ich hatte in der Hand, nein, von selber also …«
Darauf unterbrach mich Konstantin:
»Papa, darf ich wieder spielen gehen?«
Ich ließ ein paar Jahre verstreichen. Vier war vielleicht zu früh. Und das war der zweite Anlauf meiner Aufklärung.
»Konstantin«, begann ich, als wir einmal allein waren, »ich möchte dir jetzt erklären, wie du auf die Welt gekommen bist.«
»Warum?«, fragte er.
»Ich finde, du solltest es wissen.«
»Wenn du glaubst.«
»Dein Vater und deine Mutter«, ich vermied absichtlich »Papa und Mama«, um den Erwachsenen herauszukehren, »haben sich vereint. Er nahm das, was also zwischen den Beinen ist bei einem Mann …«
Sagt er:
»Ja ich weiß, der Penis! Und dann habt ihr geschnackselt.«
Da wurde ich etwas rot und begann von etwas anderem zu reden.
Wer ihn wirklich aufgeklärt hat, möchte ich bis heute gerne wissen.