Читать книгу »Ich kann's nicht lassen« - Michael Niavarani - Страница 19
Tiere
ОглавлениеEs gibt kaum ein Tier, das nicht irgendeinem Bekannten von mir ähnlich schaut, einem Menschen, den ich kenne oder einem Menschen, den ich gesehen habe. Diese Ähnlichkeit geht ziemlich weit.
Es spricht etwas dafür, dass der Mensch sich sehr oft verwandelt hat. Aber es ist erstaunlich, wie sehr manche Hunde, manche Katzen, manche Insekten, Schlangen, manche Vögel in mir Menschengesichter assoziieren.
Ich bin ein indirekter Tierfreund. Ich liebe im Tier den mir bekannten Menschen. Wenn ich eine Spinne sehe, denke ich an gewisse Leute. Wenn ich Ameisen herumkrabbeln sehe, hat das für mich Ähnlichkeit mit der Kärntnerstraße, mit einem Stadionbesuch oder mit einer Baustelle. Wenn ich meinem Lieblingsvogel, dem Papagei, etwas erzähle, dann macht er die beneidenswerte Miene eines atemlosen Zuhörers, und ich sehe diesem mimiklosen Gesicht die Neugierde an auf das gesprochene Wort des Riesenpartners, der ich für ihn bin, was mich wirklich rührt. Ich kenne einen Kakadu, der dreht sich am Gitter dreimal im Kreis, wenn man ihm was erzählt, vor Neugierde und Gier, einen zu verstehen.
Ich habe mir als Regisseur solche Papageien als Schauspieler gewünscht, die sich dreimal herumdrehen, um endlich zu verstehen, was ich sage, was ich ihnen als Hilfe zugestammelt habe. Regieführen ist ja ein Zustammeln, ein ständiges, halb linkisch tierisches Verlangen, etwas herzustellen, was fast nicht definierbar ist und fast nicht nach Regeln herstellbar ist, sondern nur mit Suggestion und Verführung zustande kommt.
Dieselbe liebevolle Tücke muss man auch anwenden, wenn man einen Hund erzieht. Der Hund muss verstehen und macht ohne die Miene zu verziehen ein bezauberndes Gesicht, wenn er verstanden hat. Das Gesicht eines großartigen Schauspielers, eines glaubhaften Schauspielers.
Hundefreude ist so wie Kinderfreude. Nur dass die Kinder nichts zum Wedeln haben. Ich kenne viele Leute, ich erinnere mich sogar an einen meiner Lehrer, die ein Heuschreckengesicht haben. Man hätte nicht viel ändern müssen, wenn man für sie eine Heuschrecke als Passfoto verwendet hätte. Ein paar Retuschen wären vielleicht notwendig gewesen. Die grüne Gesichtsfarbe meines Lehrers, er war ein ekelhafter Kerl, ich nenne seinen Namen nicht, hätte mit dem Heuschreckengesicht übereingestimmt. Von Orang-Utans oder Affen rede ich gar nicht. Ich kann mir vorstellen, dass ich mich vor einer Orang-Utan-Dame nicht entkleiden könnte, auch wenn sie nicht wild wäre, sondern mir ganz ruhig und gelassen zuschauen würde.
Ich kann mich erinnern, dass ich einmal im Zirkus mit Peter Weck eine Clownsszene für »Künstler helfen Künstlern« spielen sollte. »Künstler in der Manege« hat die Szene für karitative Zwecke geheißen. Ich kam also in den Zirkus und wollte das Büro finden, in dem ich mich melden sollte. Nun ist ein Zirkus ja ein Zirkus, und ich bin mindestens vier Runden gegangen, um dieses Büro zu finden. Es war gerade eine Probe, und es kamen mir plötzlich zwölf Pferde entgegen. Dann wurde ein Löwengang errichtet, auf den ich mich rastend setzen wollte, bis unter mir zwei Löwen durch diesen Gang schlichen. Da habe ich mich dann doch nicht drauf gesetzt.
Erschöpft setzte ich mich schließlich auf eine Elefantentrommel und wartete auf irgendeinen Funktionär, der mich einweisen sollte. Neben mir saß auf einem höheren Gestell ein Schimpanse. Der Wärter war angeblich in der Nähe, aber ich wusste nicht genau wo und kein Mensch hatte mich in Empfang genommen. Ich fühlte mich in dem Zirkuschaos ein bisschen verlassen. Das hat dieser Schimpanse anscheinend gespürt und reichte mir von oben her mit einem unbeschreiblichen Gesicht, das keine Miene verzog, die Hand und ich schüttelte sie unter Tränen, weil ich dachte: Wenigstens ein Mensch, der mich begrüßt.
Peter Weck und ich haben mit einem großartigen Profi, einem ehemaligen Clown, eine Clownsszene einstudiert. Allerdings waren wir so gut geschminkt und mit wunderbaren echten Clownsmasken versehen, dass wir als Otto Schenk und Peter Weck gar nicht mehr erkennbar waren.
Das Publikum hat die Clownsnummer sehr beklatscht und fand sie sehr gut, hat sich dann aber beschwert, dass plötzlich für eine Szene, in der eigentlich nur die Künstler auftreten sollten, zwei wirkliche Clowns engagiert wurden. Diese wirklichen Clowns waren aber wir, und kein Mensch hat anerkannt, wie gut wir als Clowns waren. Eigentlich sind wir abgestunken und unsere Clownleistung wurde ungerechterweise Clowns zugeschrieben.