Читать книгу »Ich kann's nicht lassen« - Michael Niavarani - Страница 14
Mandel-OP
ОглавлениеIn einer Zeit, als es Mode war, allen Kindern die Mandeln wegzuoperieren, bin ich auch unters Messer geraten. Es wurde damals ohne Narkose operiert, weil man der Ansicht war, dass der Patient zu viel Blut schlucken könnte. Die Lokalanästhesie war noch nicht am Höhepunkt ihrer Meisterschaft angelangt, und so spürte man erstaunlich viel von den Klammern, die man einem in den Hals zwickte. Mit langen Stielen waren die und ragten aus dem Mund. Der war aufgesperrt durch eine seltsame Vorrichtung, und nur durch ständiges Recken konnte man ein paar Sekunden der Ruhe erzielen.
Die Sache ging dann irgendwie vorüber, und ich wurde in ein Solozimmer zur Beruhigung gelegt. Das war in der Nachkriegszeit, wo jedes Essen ein kleines Fest war und man sich von Buttersemmel zu Buttersemmel, wenn es überhaupt Butter gab, gesehnt hat. Ich lag also ziemlich benebelt in meinem Bett, es öffnete sich die Tür, und eine Schwester schwebte herein, die mich nicht stören wollte, und stellte ein Tablett mit einer Schinkensemmel auf mein Krankenhausnachttischchen. Ich sah auf diese Semmel mit zwiespältigem Gefühl. Nach einer Operation so eine Semmel zu bewältigen, war schier unmöglich. Aber Schinkensemmel! Schinkensemmel! Es war ein Traum. Es konnte gar nicht Wirklichkeit sein. Ich tappte nach dieser Schinkensemmel und quälte sie mir über die blutigen Mandeln hinweg. Fast hätte ich geschrien bei jedem Bissen herunter.
Dann kam die aufgeregte Schwester herein und fragte:
»Bitte, wo ist die Schinkensemmel, die ich hereingebracht habe?«
Ich lallte nur mit Tränen in den Augen:
»Gegessen.«
»Um Gottes willen, die war doch nicht für Sie bestimmt«, sagte sie.
Ich konnte nicht mehr antworten, weil ich einer Ohnmacht nahe war.
Dieselbe Schwester sagte dann:
»Sie müssen unbedingt Stuhl haben, weil Sie Blut geschluckt haben.« – Ich war nicht fähig zu antworten. – Sie legte mir ein in Stanniol gewickeltes Zäpfchen hin. »Dieses Zäpfchen müssen Sie einschieben, möglichst lange durchhalten und wenn es gar nicht mehr geht, gehen Sie aufs Klo und entleeren sich.«
Ich nickte stumm vor mich hin. Als ich mich etwas beruhigt hatte, schob ich das Zäpfchen ein. Ich wartete. Der Drang wurde immer stärker, fast unerträglich. Und obwohl ich schwach war, dachte ich: Jetzt muss es sein. Ich schleppte mich, mit letzter Kraft zurückhaltend, was sich herausdrängte, ging aufs Klo, es machte »Blubb« und das Zäpfchen lag in der Muschel. Allerdings noch in Stanniol gewickelt.
15 Mit Susi Nicoletti in »Moral« von Ludwig Thoma, Kammerspiele …
16 …und mit Franz Messner in »Die Nashörner« von Eugène Ionesco, Theater in der Josefstadt, beide 1960
17/18 Theater in der Josefstadt 1962 und 1969: Als Wladimir mit Leon Askin und Franz Messner in »Warten auf Godot« von Samuel Beckett (oben) und mit Renee Michaelis in »Herzliches Beileid« von Georges Feydeau
19/20 Wiener Staatsoper 1965 und 1966, Regie: »The Rake’s Progress« von Igor Strawinsky mit Anneliese Rothenberger, Waldemar Kmentt, Eberhard Waechter, Frederick Guthrie (oben) und »Carmen« von Georges Bizet mit Christa Ludwig und Giuseppe di Stefano (Hauptprobenfoto)
21 Wiener Staatsoper, Regie: »Don Giovanni« von Wolfgang Amadeus Mozart mit Cesare Siepi und Graziella Sciutti, 1967 …
22 … und 1968 »Lulu« von Alban Berg mit Anja Silja und Hans Hotter als Schigolch