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Die Philosophen und das All
ОглавлениеKepler, Bruno oder Galilei setzten sich vor allem mit astronomischen Beobachtungen und Gedanken auseinander, doch auch in der Philosophie wurde das Thema außerirdisches Leben ab dem 17. Jahrhundert wieder stärker aufgegriffen.
Der Brite John Locke (1632–1704) war Arzt und Philosoph und einer der ersten großen Vordenker der Aufklärung, mit der überkommene gesellschaftliche Strukturen überwunden werden sollten und menschliche Vernunft und Fortschritt in den Mittelpunkt des Denkens gestellt wurden. Für Locke stand fest, dass es außerirdisches Leben gibt, auch Formen, die dem Menschen überlegen sind. Im Jahr 1690 schrieb er zum Beispiel: »Wie viel verschiedene Arten von Pflanzen, Tieren und vernunftbegabten körperlichen Wesen, die von denen hier auf unserem Flecken Erde unendlich verschieden sein können, mögen voraussichtlich auf den übrigen Planeten existieren!«4
Dieser Enthusiasmus verwundert, da Locke ansonsten den Standpunkt hatte, dass Erkenntnissen immer sinnliche Erfahrungen vorausgehen müssten. Natürlich war ihm klar, dass die sinnliche Erfahrung außerirdischer Wesen nicht möglich sein würde, »solange wir an die Erde gefesselt sind«,5 wie er weiter schreibt. Aber, fand Locke, da das Universum gigantisch sei, das Leben auf der Erde mannigfaltig und die Macht und die Weisheit Gottes unerschöpflich, da wäre es doch anmaßend, davon auszugehen, dass die Erde der einzige bewohnte Planet und die Menschheit die höchst entwickelte Lebensform sei.
Auch bei dem Niederländer Christiaan Huygens (1629–1695) spielte Gott eine wichtige Rolle bei seinen Überlegungen zu außerirdischem Leben. Der Astronom und Mathematiker gilt als Begründer der Wellentheorie des Lichts und konstruierte die ersten Pendeluhren. Er beschäftigte sich außerdem intensiv mit dem Sonnensystem. 1698, drei Jahre nach seinem Tod, erschien seine Abhandlung »Cosmotheoros«.
Zunächst zu Gott: Huygens fand es unsinnig, dass Gott Planeten erschaffen haben sollte, ohne dass darauf auch Leben zu finden sei, welches wiederum diese Schöpfung bewundern könne. Ergo ging er davon aus, dass es unzählige Formen außerirdischen Lebens geben müsse, und das bereits in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, je nach den Bedingungen des jeweiligen Planeten (oder den Bedingungen, die man sich seinerzeit eben ausmalte). Demzufolge müssten Tiere auf dem Jupiter oder dem Saturn ob deren Größe um ein Zehn- oder Fünfzehnfaches größer sein als Elefanten. Auch höher entwickelte Lebewesen gäbe es dort, die sich wiederum mit Astronomie, Kunst oder Mathematik befassten, die Häuser, Paläste und Pyramiden bauten. So wie die Erdenmenschen eben auch, nur vielleicht noch größer und noch prächtiger. Wie John Locke war also auch Huygens überzeugt, dass der Mensch ganz und gar nicht die am höchsten entwickelte Spezies im Universum sein müsse.6
Ein paar Jahrzehnte später befasste sich auch Immanuel Kant (1724–1804) außerordentlich intensiv mit dem Thema außerirdisches Leben. Nicht nur gelegentlich oder aus einer Laune heraus, das Thema begleitete und fesselte ihn vielmehr sein ganzes Leben lang. Immer wieder hatte er Gedanken und Ideen dazu. Kant ging ebenso davon aus, dass es viele bewohnte Planeten gibt. Seine Idee war, dass ein Planet, der weit von seiner Sonne entfernt ist, aus leichterem Stoff zusammengesetzt sei. Das hätte zur Folge, dass dessen Bewohner aus beweglicherer und feinerer Materie bestehen und sie somit einen vollkommeneren Geist haben müssten. Ergo seien die Bewohner von Merkur und Venus den Erdmenschen geistig unterlegen, die Jupiterianer und die Saturnianer aber den Menschen geistig überlegen.7 Und auch wenn man sie aufgrund der Entfernung nie treffen würde, so seien sie doch prinzipiell sinnlich für den Menschen erfahrbar. Kant ging davon aus, dass ihre Existenz empirisch nachweisbar sein müsste.
Generell lässt sich sagen, dass die Tatsache, dass sich einige der bedeutendsten Naturwissenschaftler und Philosophen des 17. und 18. Jahrhunderts der Frage nach der Möglichkeit außerirdischen Lebens gewidmet haben, einerseits als eine Hommage an ihre antiken Vordenker verstanden werden kann. Andererseits wurden diese Gedanken erst möglich durch die geistige Öffnung im Zuge der Renaissance und der Aufklärung, die die Wissenschaften von dogmatischem Denken befreite und damit den Weg zur modernen Wissenschaft ebnete.