Читать книгу Untergang oder Freiheit - Wir haben keine Wahl! - Michael Schulz - Страница 67
Mit teilbarem Geld verbesserte sich die strukturelle Lage des Machthabers dramatisch
ОглавлениеAnfangs wurden Abgaben von den Machthabern nur zum Zweck des eigenen Konsums gefordert, also Lebensmittel, Werkzeuge, Tiere oder vielleicht sogar Menschen (Sklaven). Oft war es wahrscheinlich eine Mischung aus vielen verschiedenen Gütern. Anfangs waren die Räuberbanden deshalb faktisch dazu gezwungen, gemeinsam zusammenzuleben. Denn ein Teilen der Beute war oft unmöglich. Es war klar zu erkennen, wer gab und wer nahm. Die Obrigkeit nahm, die Untertanen mussten geben.
Irgendwann kam man auf dem Weg zur Entwicklung unseres Geldes einen Schritt weiter. Man stellte fest, dass es günstig war, wenn zumindest ein großer Teil der Beute teilbar war. Deshalb kamen Getreidekörner als erstes Geld auf. Sie waren fein teilbar und konnten gut abgezählt oder bei großen Mengen auch mit Hohlmaßen gemessen oder später mit Waagen gewogen werden.
Solange man keine einheitlichen Abgaben forderte, die sich leicht teilen ließen, wie zum Beispiel Tiere, konnte die Beute eben nicht aufgeteilt werden, sondern musste zumindest in weiten Teilen gemeinsam konsumiert werden. Oder es gab wiederkehrenden Streit um die Aufteilung der Beute. Das änderte sich, als man erkannte, welche Vorteile fein teilbare Abgabegüter hatten. Als nämlich alle Menschen am Wirtschaften waren und das teilbare Abgabegut (Geld) von allen als Bezahlung gewünscht und akzeptiert war, konnte der Chef der Bande, als der eigentliche Machthaber, das Abgabegut nutzen, um damit seine Leute zu bezahlen. Diese konnten es ihrerseits überall gegen jegliche Waren und Dienstleistungen eintauschen. Die Schergen waren damit viel glücklicher als mit einem Teil der Beute, den sie gemeinsam konsumieren mussten. Denn das teilbare Geld konnten sie individuell gegen alles eintauschen. Die Sachleistungen, die sie zuvor innerhalb der Gruppe erhielten, erlaubten keine Individualität. Als der Vorteil allgemein verstanden war, konzentrierten sich erfolgreiche Machthaber darauf, zukünftig nur noch ein teilbares Abgabegut zu fordern. Das war günstiger als eine Mischung von verschiedenen Abgabegütern. Getreidekörner waren solch ein Abgabegut und sie eigneten sich fantastisch als Geld, obwohl ihr Wert sehr gering war.
Damit hatte man sich dem Geld, wie wir es heute kennen, schon angenähert. Denn Geld wurde jetzt auch seitens der Machthaber in Umlauf gehalten, indem sie ebenfalls ihre Schergen damit bezahlten. Und genau darin lag ein weiterer geradezu unbezahlbarer und auch heute noch wichtiger Vorteil für die Obrigkeit: Mit der Bezahlung der Schergen verschwand der Unterschied zwischen den Schergen und den Untertanen. Schergen und Untertanen wurden beide bezahlt und konnten damit plötzlich beliebig gegeneinander ausgetauscht werden. Die Obrigkeit wurde damit quantitativ viel kleiner und schrumpfte letztlich auf einzelne Machthaber zusammen. Die Gewalt wurde auch weniger. Es wurden keine Nasen mehr abgeschnitten. Es gab keine gewalttätigen Schergen mehr, die sofort erkennbar waren. Es gab nur noch Steuereintreiber (Finanzbeamte), Richter und Polizisten, die alle irgendwie als Nachbar und entferntes Familienmitglied respektiert wurden. Das hatte riesige Vorteile. Die Macht musste viel weniger verteidigt werden. Sie wurde über Jahrhunderte hinweg als natürliches Geburtsrecht dargestellt und das hat funktioniert. Das Lustigste dabei ist, es funktioniert bis heute. Wir werden das noch sehen.
(Geld-Theorie Teil 11)
Mit teilbaren Abgabegütern, die nicht mehr gemeinsam konsumiert werden mussten, sondern durch Bezahlung der Schergen im Machtgebiet kreisten, wurden Abgabegüter (erstmalig) zu dem, was wir nach heutigem Verständnis Geld nennen. Gewaltbereite Schergen wurden durch Bezahlung zu Untertanen und umgekehrt konnten eigentlich friedliebende Untertanen nun zu Schergen werden, wenn die Obrigkeit sie dafür bezahlte. Die Obrigkeit wurde dadurch so klein (deutlich weniger als ein Promill), dass sie als natürlich empfunden wurde.
Damit existierte also erstmals fast das Geld, wie wir es heute kennen. Ganz am Anfang erfolgte die Bezahlung noch mit dem Rohmaterial, das als Abgabe gefordert wurde. Eisenerz wurde verlangt, und mit Eisenerz wurde bezahlt. Oder es wurde Bronze verlangt und mit Bronze bezahlt. Denn so etwas wie Münzen hatte man noch nicht. Die mussten erst noch entwickelt werden, wie wir gleich sehen werden.
Auch muss an dieser Stelle noch eine andere wichtige Einschränkung gemacht werden. Schergen und Untertanen waren ab jetzt zwar gegeneinander austauschbar. Sie konnten ab dieser Entwicklungsstufe auch friedlich nebeneinander leben. Völlig gleich waren beide Klassen aber natürlich trotzdem nicht. Und diese Unterschiede sind wichtig, wenn man die Entwicklung von Machtsystemen verstehen will. Wir kommen auf diesen bleibenden Unterschied im Kapitel „Wie Macht ausgeübt “ (Seite 298) zurück.