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Entschuldung
ОглавлениеWeil die Schuldsklaverei oder Schuldknechtschaft eine Sache war, die die verschuldete Bevölkerung auf Dauer demoralisierte und damit deren Arbeitsleistung reduzierte, gab es in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Regelungen zum Schuldenerlass. Dabei wurden Schulden teilweise periodisch erlassen. Das im Alten Testament beschriebene Jubeljahr ist eine solche Regelung. Dort sollten alle fünfzig Jahre alle Schulden erlassen und auch der Boden wieder zurückgegeben werden. Ob dies allerdings so praktiziert wurde, ist nicht gesichert. Denn die Gläubiger waren oft sehr mächtig. Warum also sollten sie ihren Schuldnern die Schulden erlassen und ihre Machtposition schwächen? Der Grund hierfür wurde oben bereits genannt: Eigennutz. Wenn es keinen Schuldenerlass gab, wurde die Schuldsklaverei von den Machthabern oft verboten. Auch hier war sicher oft Eigennutz und nicht Menschenfreundlichkeit die Ursache. Denn welchem halbwegs intelligenten Machthaber würde es gefallen, wenn „seine“ Menschen als Sache verkauft und dann zukünftig außerhalb seines Machtgebietes arbeiten würden?
Bis heute unterschreibt fast jeder Kreditnehmer die Klausel, dass er mit seinem gesamten persönlichen Vermögen haftet. Was völlig legitim ist. Denn Wucherzinsen sind heute genauso ausgeschlossen wie Zinseszinsen, um Schuldnern eine faire Behandlung zuzusichern. Als das jedoch alles nichts mehr nützte, weil es ab 1990 immer mehr Schuldner gab, die sich aus ihrem Schuldverhältnis nicht mehr lösen konnten, wurde in Deutschland im Jahr 1999 die sogenannte Privatinsolvenz eingeführt. Auch hier ist die Motivation nur oberflächlich betrachtet Menschenfreundlichkeit, auch wenn die zuständigen Regierungen das offiziell anders dargestellt haben mögen. In der Praxis geht es nur darum, dass die Menschen durch die Privatinsolvenz wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bevor es die Privatinsolvenz gab, musste ein Schuldner theoretisch bis zum Lebensende alles, was er über der Pfändungsfreigrenze verdiente, an seine Gläubiger abgeben. Ihm blieb also nur das Existenzminimum. Dieses Existenzminimum garantiert ihm aber auch der Sozialstaat, wenn er zum Arbeiten nicht in der Lage ist. Warum sollte ein solcher Schuldner also jemals wieder arbeiten und Abgaben zahlen? Für verschuldete Menschen war es also viel klüger, sich zukünftig von der Allgemeinheit über Sozialhilfe alimentieren zu lassen, als selbst zu arbeiten. Und das passt der Obrigkeit ja nun gar nicht ins Konzept. Denn so verliert das Geld durch den Sozialstaat seinen Arbeitszwang. Also wurden, wie früher die Zinswucherer, die Gläubiger enteignet. Anfangs gab es eine sogenannte „Wohlverhaltensphase“ von sechs Jahren, in denen der Schuldner noch alles überschüssige Geld an die Gläubiger abgeben musste. Heute sind es nur noch drei Jahre. Diese Anpassungen geschehen aus Sicht der Obrigkeit stets aus der gleichen Überlegung heraus: Nur ein von Schulden befreiter Bürger zahlt die maximal möglichen Beiträge in das System der Obrigkeit ein. Da sind jedem Machthaber seine Untermachthaber, wie auch Geldverleiher es immer sind, völlig egal. Es geht um nichts anderes als Konkurrenz. Die Obrigkeit verzichtet keinesfalls zu Gunsten anderer Gläubiger auf ihr Geld. Das war niemals der Fall, und das hat sich auch bis heute nicht geändert.
Geld und Schulden werden verwendet, um Menschen zum Arbeiten zu zwingen.
Viele kleine Selbständige befinden sich in einer „Selbstausbeutungsfalle“, die einer Schuldknechtschaft sehr nahekommt. Sie haben sich verschuldet, zum Beispiel, um ein Ladengeschäft zu eröffnen. Durch Konkurrenz wie Amazon wirft das Geschäft zwar noch genug zum Leben ab, aber nur, wenn der Eigentümer sechzig Stunden pro Woche dafür arbeitet. Als Angestellter würde er für dasselbe Einkommen nur vierzig Stunden pro Woche arbeiten müssen. Anders als der Arbeitnehmer kann der verschuldete Unternehmer in dieser Situation aber nicht einfach kündigen. Denn das Inventar der Firma hat zwar für ihn persönlich einen Wert, aber er findet keinen Käufer, der das Inventar für so viel Geld kaufen würde, dass er seine Schulden damit decken könnte. Er wäre also gezwungen, seine Ersparnisse zu verwenden, um die Schulden auszugleichen. Oder er müsste vielleicht sogar Insolvenz anmelden, um wirklich alle Schulden loszuwerden. Damit müsste er einen Großteil, wenn nicht sogar die Gesamtheit seiner zuvor erzielten Lebensleistung aufgeben. Zu diesem eigentlich rationalen Schritt, dem sogenannten Schuldenschnitt, sind viele Selbständige aber nicht in der Lage. Denn dann müssten sie ihre Freiheit aufgeben und sich anstellen lassen. Da arbeiten sie lieber sechzig Stunden und mehr mit permanenter Existenzangst, nur um der Strafe für die missglückte Kreditaufnahme zu entgehen. Die wenigsten machen sich dabei klar, dass die Situation mit dem Weiterarbeiten nicht besser wird. Denn dann müssen sie bis zum Tode weiterarbeiten. Denn spätestens, wenn der Renteneintritt kommt, müssen sie die Verluste ohnehin realisieren.