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Kapitel 8

Die Begegnung mit Rayl hatte Lois Kraft gekostet. Erstaunlich, wie leicht es gewesen war, ihn zu sich einzuladen, obwohl sie geschworen hatte, konsequent zu bleiben. Zwischen ihnen herrschte diese teuflische Vertrautheit, die sie dazu verführte, auszusprechen, was ihr durch den Kopf ging. Dann aber zu sehen, wie abwehrend er auf Ilyan reagierte, ließ in ihr einen Sturm zurück. Wieso erkundigte er sich nach seinem Bruder, wenn er die Antwort nicht hören wollte? Es war doch keine Überraschung, dass es Ilyan schlecht ging oder hatte er vergessen, wie sich das Zusammenleben mit seinem Bruder gestaltete?

Ohne Umschweife kehrte Lois an den Ort zurück, wo der Dieb den Blumentopf umgerissen hatte. Inzwischen war der Qualm des Brands bis hierher gezogen und hing so dicht in der Luft, dass sie ihr Halstuch vor die Nase halten musste, um besser atmen zu können.

Sie hockte sich hin und versuchte, im Dunkeln die Stelle auszumachen. Im Laternenlicht und Dunst erkannte sie zu wenig, weshalb sie nach der Netztasche ihres Rucksacks griff und zufrieden feststellte, dass ihre Taschenlampe noch immer dort hing. Gut, dass sie sie nach dem Ausflug im Wald nicht ausgepackt hatte.

Unter dem Fensterbrett lag eine verdorrte Pflanze zwischen Erdbrocken, die sich über den gesamten Gehweg bis hin zur Straße verteilten. Dazwischen befanden sich etliche Tonscherben. Nicht, dass es sich bei der Pflanze um etwas von großem Wert handelte, aber wenn sie daran dachte, wie Hanne sich jedes Mal beklagte, sobald jemand die Blumentöpfe vor ihrem Haus demolierte, handelte es sich durchaus um einen gewissen ideellen Schaden. Doch viel entscheidender war die Frage, ob der Dieb etwas aus dem Haus entwendet hatte.

Lois erhob sich und leuchtete auf das Namensschild neben der Eingangstür. Ein Holzplättchen mit eingebrannten Buchstaben haftete an der Häuserwand. Fam. Wuster – ihr blieb die Spucke weg. Ausgerechnet diese Familie wollte er bestehlen? Wie pietätlos musste er sein, wenn er nicht mal davor zurückschreckte?

Über ihr erklang ein dumpfes Klopfen und sie sah auf. Ein dünnes Gesicht mit dunkel geränderten Augen und grauer Haut starrte durch die Fensterscheibe. Im Schatten des Hauses konnte sie die Frau kaum erkennen, doch es bestand kein Zweifel, es war Frau Wuster. Ihre Hand umklammerte die Gardine, die zwischen ihren Fingern schlackerte.

»Verschwinde«, formte ihr Mund lautlos und Lois’ Kehle schnürte sich zu. Plötzlich schlug ihr Herz wieder bis zum Hals und Hitze stieg in ihre Wangen. Sie deutete auf den Boden, dann auf sich und sagte: »Da war ein Dieb in ihrem Haus.«

Frau Wusters Blick fixierte sie unverändert, doch ihre Hand krallte sich fester um die Gardine. Sie sah kränklich aus, kein Vergleich zu der Frau von früher, die jeden in ein Gespräch verwickelte, immer etwas zu sagen hatte und auf jeder Feier dabei war.

Lois rang mit sich. Wenn sie hier blieb, würde sie den alten Wuster noch wütender machen und die Familie weitere Nerven kosten. Aber wenn sie einfach ging, blieb ein Missverständnis. Morgen früh würde Frau Wuster den Blumentopf finden und sie verdächtigen. Womöglich sogar davon ausgehen, Lois hätte einen Einbruchsversuch gestartet. Ein Grund mehr, weshalb sie Lois Jäger hassen konnte. Der Dieb hatte ganze Arbeit geleistet. Sie sollte deutlich machen, dass sie nicht schuld war und versuchen zu schlichten. Immerhin war da jemand Fremdes im Haus gewesen. Das musste doch geklärt werden.

Nein, mit einer Rechtfertigung würde sie alles nur noch schlimmer machen. Also stand Lois auf, wandte sie sich ab und lief rasch die Straße hinunter. An einer Kreuzung blieb sie stehen und lauschte auf ihren beschleunigten Herzschlag. So laut wie das Trippeln von Regen auf einem Metalldach.

Sie dachte wieder an Rayl. Hätte sie ihm doch ins Gesicht geworfen, wie allein gelassen sie sich fühlte. Er war so ein verdammter Feigling. Vor Wut sammelten sich Tränen in ihren Augen, aber Lois schüttelte sich nur kurz und drängte sie zurück. Nach vorn blicken und geradeaus laufen, das war alles, was zählte.

Goldrote Finsternis

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