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Nicht hinter den Liberalismus zurück, sondern über ihn hinaus

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Die Schlussfolgerung für Linke kann jedoch nicht darin bestehen, den antiliberalen Backlash von rechts mitzumachen. Der Liberalismus hat grundlegende Probleme, stellt aber auch wichtige Fragen. Davon, dass auch Minderheiten und Individuen gegenüber einer Mehrheit unveräusserliche Rechte haben, ist bereits die Rede gewesen. Nicht minder bedeutend ist aber der liberale Hinweis, dass jede politische Macht beschränkt bleiben muss. Verfassungstheoretisch hat sich das im Konzept der «Checks and Balances» niedergeschlagen, also eines Systems gegenseitiger Kontrolle, mit dem der Ausgleich verschiedener Interessen garantiert wird. Das Problem der «Checks and Balances» im bürgerlichen Staat besteht darin, dass hier in erster Linie die unterschiedlichen Interessen der oberen Klassen ausbalanciert werden. Das Rechtssystem sichert die Einhaltung von Verträgen, schützt ansonsten aber vor allem die Interessen von Eigentümern. Das Gewaltmonopol der Exekutive verhindert den Kriegszustand, ist faktisch aber immer auch ein Bollwerk der autoritären Rechten im Staat, denn Polizei, Armee und Justiz verkörpern jene Möglichkeit des «Ausnahmezustands», also der willkürlichen Gewaltherrschaft, vor der uns der Staat doch angeblich schützt. Deswegen machen Linke immer wieder die Erfahrung, dass sie zwar in der Regierung vertreten sind, aber nicht die Staatsmacht kontrollieren.

Trotzdem ist das Konzept der Gewaltenteilung auch für linke Politik unverzichtbar – die Erfahrungen der sozialistischen Staaten im 20. Jahrhundert lassen keinen anderen Schluss zu. Während der Liberalismus gelernt hat, politische Macht netzwerkartig und dadurch dezentraler zu organisieren, hat die Linke immer wieder auf eine absolute Machtkonzentration in Partei- und Staatsbürokratien gesetzt. Das aber hatte eine dramatische Unfähigkeit zur Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte zur Folge. Das System der Checks and Balances schafft Raum zur Artikulation von Konflikten und erlaubt deshalb Systemanpassungen. Die sozialistischen Staaten hingegen beruhten auf einer Kommandostruktur, die Widerspruch verhinderte und damit Transformationen blockierte. Oder wie es Hannah Arendt formulierte: Der Sozialismus hatte kein Mittel, um der Konzentration der Macht entgegenzuwirken.

Liberalismuskritik von links muss sich in diesem Sinne grundlegend vom rechten Antiliberalismus unterscheiden. Für diesen geht es darum, die Ansprüche und Freiheiten der Unterdrückten zurückzudrehen – zugunsten eines autoritären Staates, des «Volkes», der Weissen und Männer. Und nicht zuletzt jener Eliten, die wie die Trumps, Murdochs und von Fincks hinter dem Rechtspopulismus stehen. Die Linke hingegen wirft dem Liberalismus vor, in der Sache der Emanzipation auf halber Strecke stehen zu bleiben. Sie verweist auf die materielle Dimension von Rechten, Freiheit und Demokratie. Und auf die soziale und ökologische Dimension unserer Existenz, auf unsere Abhängigkeit von anderen Menschen und der Natur. Unsere Aufgabe ist es, die Machtblindheit des Liberalismus und seine Ideologie des «freien» Subjekts zu kritisieren, seine Erkenntnisse zur Beschränkung politischer Macht aber dennoch aufzugreifen und uns zu eigen zu machen.

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