Читать книгу Einmal Steinzeit und zurück ... - Monika Arend - Страница 15

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Böen peitschten über den Atlantik, der mit jeder Welle am Gestein emporkletterte, um in Sturzbächen wieder herunterzulaufen. Die Wassermassen trafen mit einer solchen Wucht auf den Strand, dass es sich wie Donnergrollen anhörte. Die Gischt spritzte, dampfte und zischte. Die Praia da Dona Ana lebte!

Vanessa atmete mehrmals tief ein und aus. Die Luft schmeckte feucht und salzig. Das Wasser zupfte und zerrte an dem Felsen, der sie an ein Frauengesicht erinnerte. Sie hatte das Gefühl, die Frau im Stein würde ihr zuzwinkern.

„Habe ich auch so ausgesehen, als Toni sich mir offenbart hat?“, fragte sie sich.

Vanessas Abreise stand kurz bevor. Sie durfte nicht an Deutschland denken. Hatte keine Wohnung, keine Arbeit und keinen Partner mehr.

Der Wind fuhr ihr permanent durch das Haar. Sie hüllte sich in ein Handtuch. Gerne wäre sie noch einmal im Atlantik geschwommen, die tosende See hielt sie jedoch davon ab. Vanessa schaute sich um. Nur der Aussteiger saß in der Grotte, den Blick in die Ferne gerichtet. Aber er wohnte ja hier. Für längere Zeit auf jeglichen Luxus zu verzichten, musste ein nachhaltiges Erlebnis sein. Es gehörte sicher Mut dazu, alles hinter sich zu lassen.

„Am besten setze ich mich heute Nacht an den Strand. Dann kann ich vielleicht nachvollziehen, wie es ist, hier zu leben“, dachte sie. Ihr war aber bewusst, sie würde niemals ganz loslassen können. Besonders schwerfallen würde es ihr, den ganzen Tag mit niemandem zu reden. Gutes Essen und ab und zu ein Glas Wein würden ihr ebenfalls fehlen. Aber jetzt war Vanessas Chance gekommen, sich so gut wie möglich vom Überfluss loszueisen.

Sie dachte über die vergangene Woche nach. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, sich die Sehenswürdigkeiten von Lagos anzuschauen und ausgiebige Spaziergänge ins nahe gelegene Naturschutzgebiet zu unternehmen, hatte sie sich ausschließlich an der Praia da Dona Ana aufgehalten. Sollte sie den Urlaub nicht ein oder zwei Wochen auf Tonis Kosten verlängern? Vielleicht würde er ihr sogar noch ein paar freie Tage gönnen. Aber nein, das konnte sie nicht bringen. Sie würde am nächsten Tag wie geplant nach Deutschland zurückfliegen. Eine Rückkehr nach Lagos schloss sie allerdings nicht aus. Jetzt hieß es erst einmal Abschied nehmen.

Vanessa erhob sich, drehte sich einmal im Kreis. Versuchte, sich jeden Zacken und Winkel der Bucht einzuprägen.

„Wie werde ich diesen Ort vermissen! Wenn die Hektik im Alltag zu heftig wird, muss ich mich in Gedanken hierherbeamen“, dachte sie.

Sie hatte den Strand auf unzähligen Fotos verewigt, um Evelyn neidisch zu machen. Das Meeresrauschen und die Rufe der Möwen gaben die Bilder jedoch nicht her.

Den Aussteiger würde Vanessa ebenfalls vermissen. Wie gerne hätte sie ihn gefragt, warum er so zurückgezogen lebte. Wie alt mochte er sein? Vermutlich wesentlich jünger, als er aussah.

Als die Sonne verschwand, unternahm Vanessa einen letzten Spaziergang. Der Mann hockte inzwischen tief in der Höhle. Sie konnte nur seine Silhouette sehen. Der Hund lag im Eingang und sah in ihre Richtung. Wie gerne hätte sie ihn gestreichelt.

Eilig packte sie kurz darauf ihre Sachen, klemmte sich die Tasche unter den Arm und betrachtete ein letztes Mal die gigantische Felswand. Oben am Weg erblickte sie fünf bis sechs Jugendliche, die über eine Absperrung geklettert waren. Einer stand mit dem Rücken zum Abgrund und hielt ein Handy in die Höhe. Er trat einen Schritt zurück. Rutschte ab. Eine Frau kreischte. Der Typ hatte sich auf einen Vorsprung gerettet. Wenn der abbrach, würde er in die Tiefe stürzen.

Vanessa griff zum Smartphone, jederzeit bereit, einen Notruf abzusetzen. Die anderen eilten ihm zu Hilfe, vorsichtig genug, um sich nicht ebenfalls in Gefahr zu begeben. Es gelang ihnen, den Verunglückten auf die sichere Ebene zurückzuziehen.

Sie ärgerte sich über das leichtsinnige Verhalten. Schaute noch einmal Richtung Höhle. Winkte dem Hund zu. Dann stieg sie die lange Treppe hinauf.

Einmal Steinzeit und zurück ...

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