Читать книгу Einmal Steinzeit und zurück ... - Monika Arend - Страница 18
Оглавление*
12
„Nessaa!“
Vanessa zuckte zusammen. Die mit den Armen rudernde Evelyn stand inmitten einer Menschentraube im Ankunftsbereich des Düsseldorfer Flughafens. Man konnte ihre südeuropäischen Wurzeln weder übersehen noch überhören. Sie hatte das dunkle Haar zu einem Zopf geflochten und die Ponyfransen zur Tolle frisiert. Auf ihrem Kopf prangte eine Schleife, die farblich zum Kleid passte. Der kirschrote Lippenstift harmonierte mit dem Nagellack. Die Brille rutschte ihr fast von der Nase. Sie steckte in einem schwarzen Kleid mit großen weißen Tupfen. Darüber trug sie eine Wolljacke.
„Linn, schön, dass du mich abholst.“
„Ich komme aus Hürth. Wir zeichnen dort eine Kochshow auf. Heute war die Vorbesprechung. Bin ich froh, dass du da bist. Die nächsten Wochen will ich dich nur für mich haben.“ Sie drückte Vanessa an ihre Brust.
Dann schaute sich nach allen Seiten um. Sie war – vielleicht nicht so oft wie Toni – in den Medien präsent und wurde recht häufig von dem einen oder anderen Passanten erkannt. Was Evelyn stets genoss.
„Du erinnerst mich irgendwie an ein Osterei.“ Vanessa grinste breit.
„Mach dich ruhig lustig über mich. Aber du siehst echt toll aus. Und Farbe hast du bekommen.“ Evelyn schaute Vanessa in die Augen. „Sag mal, hattest du ...?“
„Linn, sei still! Wir reden, wenn wir unter uns sind.“
„Ich wollte doch nur fragen, ob du einen guten Flug hattest.“ Evelyn machte einen empörten Gesichtsausdruck.
„Ach so! Der Flug war super. Ich konnte sogar noch die Augen schließen.“
Von dem Lärm und der Hektik, die hier im Gegensatz zum Flughafen in Faro herrschten, schwirrte Vanessa jedoch nach wenigen Minuten der Kopf. Sie beglückwünschte sich zu der Entscheidung, den Aufenthalt in der Algarve bis zur letzten Sekunde ausgekostet zu haben. Sie hatte, nachdem sie aus der Altstadt zurückgekehrt war, noch lange auf der Terrasse gesessen und in den Sternenhimmel geschaut. Erst weit nach Mitternacht gepackt und danach kaum ein Auge zugetan.
Das Hotel hatte ihr einen Shuttle zum Flughafen organisiert.
Der Algarve-Urlaub war nun beendet und sie musste sich auf den Neubeginn konzentrieren.
„Nessa, die Sache mit Toni ist unglaublich!“, holte Evelyn sie aus ihren Gedanken zurück. „Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich nichts geahnt habe. Normalerweise habe ich eine Antenne für … Na ja, du weißt schon. In der Szene gibt es so viele Gerüchte über Gott und die Welt. Aber was den Löffler angeht: nichts, nada, niente.“
„Linn, ich habe mit Toni zusammengewohnt, nicht du.“
„Er hat sich übrigens noch nicht geoutet. Ich schaue ständig im Netz nach. Nicht die kleinste Notiz. Er kann froh sein, dass ich dir das Versprechen gegeben habe, zu schweigen.“ Evelyn schnappte sich das Handgepäck und eilte Richtung Ausgang.
Eine kühle Brise wehte Vanessa vor dem Flughafengebäude entgegen. Von frischer Luft konnte jedoch keine Rede sein. Sie sehnte sich sofort wieder in die Algarve zurück. Auf der Fahrt nach Köln schaute sie auf ihr Smartphone.
„Toni hat mir zahlreiche Nachrichten geschickt. Ich muss ihn anrufen“, sagte sie.
„Tu, was du nicht lassen kannst. Für mich wäre er gestorben. Der hat doch nicht alle Latten am Zaun.“
„Linn hat mich am Flughafen abgeholt. Ich werde bei ihr wohnen. Melde mich wieder“, sprach Vanessa aufs Band. An einem Samstagabend war der Maître im Stress. Sie hatte nicht erwartet, mit ihm persönlich reden zu können.
„Wahrscheinlich macht er einen Freudensprung, wenn er deine Nachricht hört, und lädt direkt diesen Manu ein.“
„Ach, das glaube ich nicht“, sagte Vanessa. Hatte plötzlich das Bedürfnis, Toni in Schutz nehmen zu müssen. Er war ein Workaholic, daran würde auch ein Manuel nichts ändern.
Evelyn stand bereits vor ihrem Sportcoupé in Weinrot metallic. Inzwischen regnete es in Strömen und die Schleife auf ihrem Kopf hing herunter wie ein nasser Lappen.
„Ich habe mein Schätzchen letzte Woche angemeldet. Leider muss das Verdeck jetzt zu bleiben.“
Auf der Autobahn herrschte schlechte Sicht, obwohl der Scheibenwischer auf Hochtouren lief. Evelyn war verstummt und fuhr mit konzentriertem Gesichtsausdruck. In Rodenkirchen angekommen, riss der Himmel auf und die Fassade der Villa mit den weißen Fensterläden und dem schmiedeeisernen Gitter vorm Balkon leuchtete hellrot in der Sonne.
„Du warst ja ewig nicht mehr hier“, sagte Evelyn. „Ich habe das Haus vor zwei Monaten streichen lassen. Gefällt dir die Farbe?“
„Sehr gut“, sagte Vanessa.
„Ich bin froh, dass die ganzen Renovierungsarbeiten endlich abgeschlossen sind. Nach Tante Benitas Tod musste hier mal einiges gemacht werden. Jetzt bin ich wirklich zufrieden. Habe aber leider immer noch keinen neuen Gärtner gefunden. Der Theo hat im Herbst aufgehört.“
Der Garten, der sonst wie aus dem Ei gepellt aussah, machte im Moment einen eher wildromantischen Eindruck. Aber die Lage des Hauses war exklusiv. Man konnte, wenn man den Hals reckte, die Schiffe auf dem Rhein sehen.
„Jetzt hat es aufgehört zu regnen“, grummelte Evelyn.
„Gott sei Dank. Lass uns gleich noch einen Spaziergang unternehmen“, schlug Vanessa vor.
„Okay, aber erst zeige ich dir dein Reich.“ Evelyn öffnete die Tür des Appartements im Parterre. Es roch blumig. „Meine Perle hat gestern noch einmal gründlich sauber gemacht. Sie kommt zweimal die Woche.“
Vanessa hatte kaum vermutet, dass Evelyn selbst durchgewischt hätte.„Ist ja alles tipptopp. Ist ja alles tipptopp! Solange ich hier wohne, putze ich allerdings selber.“
„Wie du möchtest, Liebes.“
Das Wohnzimmer war mit einer anthrazitfarbenen Couchlandschaft und einem Glastisch sowie einem dunklen Büfettschrank ausgestattet. In einer Ecke gab es eine Essgruppe. Die Stühle waren weiß gepolstert. Auf dem Tisch stand ein Tulpenstrauß in einer Kugelvase. Der hellgrau geflieste Boden wurde von zwei großen lachsfarbenen Teppichen bedeckt. Vanessa betrachtete das Bild Amaryllis von Bruno Bruni, ein Aquarell auf Bütten im Silberrahmen. Evelyn hatte ihr vor einem Jahr von dem Kauf erzählt. Sie öffnete eine Tür. Bettbezüge aus rotem Satin fielen Vanessa ins Auge. Die Fenster waren von rosa Seidenstores umrahmt.
„Wunderbar“, stammelte sie.
Die Küche sah aus wie aus einem Katalog. Nagelneue Kochzeile, hochmoderne Geräte. „Linn, das ist perfekt“, sagte sie. „Aber jetzt würde ich wirklich gerne etwas Luft schnappen. Der Flug war zwar nicht besonders lang, aber ich brauche Bewegung.“
„Gut. Ich muss mich erst noch umziehen. Wir treffen uns in einer Viertelstunde vorm Haus.“
Vanessa betrat das Bad. Es wirkte, als hätte es noch nie jemand benutzt, was wahrscheinlich der Fall war. Die Armaturen glänzten und die Kacheln waren so blank, dass man sich darin spiegeln konnte. Sie machte sich frisch, wechselte das T-Shirt und zog Turnschuhe an.
Evelyn erschien etwas später als vereinbart. Sie trug Jeans und ein beiges Poloshirt sowie Trekkingschuhe. Sie hatte den Pony frisch toupiert.
„Linn, ich wusste gar nicht, dass du so robuste Kleidung im Schrank hast! Willst du mit mir auf den Drachenfels?“
„Wer weiß?“ Sie zwinkerte verheißungsvoll.
Sie spazierten zur Rodenkirchener Riviera mit ihren zahlreichen kleinen Buchten. Die Sträucher zeigten bereits zarte Triebe und die Amseln überboten sich gegenseitig mit ihrem Gesang.
Nachdem sie, ganz ins Gespräch über die letzten Jahre vertieft, immer weiter flussaufwärts gelaufen waren, kehrten sie um.
Kurze Zeit später saßen sie auf Evelyns Ecksofa aus braunem Veloursleder. Sie hatten sich eine große Spinatpizza geteilt und stießen nun auf die Zukunft an. Im Duty-free-Shop hatte Vanessa einen hochwertigen Sherry erstanden. Der blieb unangetastet. Evelyn goss soeben Champagner nach.
„Erzähl mal. Was hast du letzte Woche denn so gemacht?“
„Nach Tonis Outing habe ich mich total betrunken und als ich wieder nüchtern war, habe ich über mein Leben nachgedacht. Ich habe mich oft in dieser zauberhaften Bucht aufgehalten und aufs Meer geschaut. Geschwommen bin ich natürlich auch.“
Evelyn rollte mit den Augen. „Hör auf mit dem Theater. Du weißt, was ich meine!“
„Nee, weiß ich ehrlich gesagt nicht.“
„Ich spreche von Männerbekanntschaften. Du kannst mir nicht erzählen, dass eine attraktive Frau wie du im Urlaub lange allein bleibt. Der Kellner oder der Höhlenmensch?“
„Liebe Linn, Gastrokritikerinnen dürfen alles essen, aber nicht alles wissen.“