Читать книгу Einmal Steinzeit und zurück ... - Monika Arend - Страница 17
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Vanessa ließ den Tinto Douro die Kehle hinunterlaufen. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Vor zwei Jahren hatte sie ein Weinseminar besucht und sich unter anderem Kenntnisse über die Vielzahl der portugiesischen Rebsorten angeeignet. Anlässlich ihres letzten Abends in Lagos hatte sie sich eine Flasche des fabelhaften Roten bestellt. Sie hob das Glas erneut und sagte leise: „Auf Toni und Manu. Werdet glücklich miteinander!“
Sie ging zum Büfett, das eine gelungene Mischung aus lokalen Spezialitäten und internationalen Gerichten bot. Wer wusste schon, wann sie noch einmal dermaßen schlemmen konnte.
Nach dem Verzehr einer Gazpacho stellte sie sich einen Teller mit in Öl und Knoblauch eingelegten Karotten, Schafsmilchkäsehäppchen und Spinatpasteten zusammen. Vanessa bevorzugte vegetarische Speisen. An den Fischgerichten wie Bacalhau, Robalo und Sargo kam sie jedoch nicht vorbei. Zum Nachtisch gönnte sie sich ein Pastéis de Nata, ein in Blätterteig gebackenes Sahnepuddingtörtchen.
Der Kellner, der ein weißes Schild mit der Aufschrift Isolino auf dem schwarzen Hemd trug, war an diesem Tag offensichtlich nur für ihren Tisch eingeteilt. Schenkte ihr abwechselnd Wasser und Wein nach, räumte das Geschirr weg, wenn sie sich den letzten Bissen auf der Zunge zergehen ließ, und brachte in Rekordzeit einen Espresso. Zum Abschluss der köstlichen Mahlzeit servierte er einen Medronho, einen Obstbrand, und zwinkerte ihr zu.
Sie betrachtete seinen Bizeps. Sollte sie sich demnächst in einem Fitnesscenter anmelden? Wichtiger waren die Jobsuche und der Umzug. Per Voicemail hatte sie Evelyn am Vortag mitgeteilt, dass sie das Angebot, bei ihr einzuziehen, annehmen werde.
Satt und zufrieden verließ sie das Restaurant. Als sie auf den Aufzug wartete, legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen und drehte sich um. Der Mund des Kellners näherte sich ihrem Ohr. Er flüsterte: „Please meet me in front of the hotel at midnight“, und war schon wieder verschwunden.
Vanessa bekam eine Gänsehaut. Warum wollte er sie treffen? Bestimmt nicht, um ihr die Stadt zu zeigen oder ihr seine Schwester vorzustellen. Sie checkte die Uhrzeit auf dem Smartphone. Noch zwei Stunden bis Mitternacht. Sie beschloss, einen allerletzten Abstecher an die Praia da Dona Ana zu machen. Vielleicht träfe sie am Strand auf den Aussteiger. Sie wollte so gerne wissen, warum er in der Höhle lebte. Bei dem Gedanken, er säße entspannt am Feuer, grillte sich Fische und redete mit dem Hund, wurde ihr warm ums Herz.
Vanessa eilte in ihr Zimmer, tauschte die Pumps und das kurze Schwarze gegen flache Schuhe, Flickenjeans und einen Pullover. Darüber zog sie eine Steppjacke. Dann verließ sie das Hotel.
War es nicht gefährlich, um diese Uhrzeit als Frau hier alleine herumzulaufen? Sie erinnerte sich an den Spaziergang mit Toni. An seiner Seite hatte sie sich stets sicher gefühlt. Doch sein Outing hatte sie in eine Krise gestürzt. Das Fundament, auf dem sie ihre Zukunft errichtet hatte, war eingesackt. War das erst eine Woche her?
Behutsam nahm sie eine Stufe nach der anderen. Der Strand lag still und menschenleer vor ihr. Der Atlantik schien immer noch aufgewühlt. Zwei Strahler tauchten einen Teil der Felswand in gespenstisches Licht. Das Frauengesicht lag im Dunkeln und sie konnte es nur erahnen. Trotz warmer Kleidung fror sie. Sie hüpfte auf und nieder.
„Wie schön wäre es, wenn ich den niedlichen Hund streicheln könnte.“ Schnellen Schrittes lief sie am Meer entlang, bemüht, nicht von einer Welle überrascht zu werden. Ständig glitt ihr Blick zur Höhle. Nicht der geringste Lichtschein. Vielleicht war der Mann unterwegs. Oder er schlief bereits. Sollte sie mal Hallo rufen?
Sie entschied sich dagegen.
Vanessa drehte zahlreiche Runden, der Klang der Wellen drang tief in ihr Ohr. Am Strand fehlte ebenfalls jede Spur von dem Aussteiger.
Ein allerletztes Mal verließ sie die Bucht und kehrte enttäuscht zum Hotel zurück. Schon von Weitem sah sie den Kellner, der vor dem Eingang wartete, obwohl es noch nicht Mitternacht war. Er zog genüsslich an einer Zigarette.
„I am so happy that you are here. Call me Iso“, sagte er mit samtweicher Stimme. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Der Portugiese war ein bisschen kleiner als sie, modern gekleidet. Er nahm sie an die Hand. Schweigend liefen sie Richtung Innenstadt. Schlenderten schon bald eng umschlungen durch die Altstadt. Vanessa spürte die Wärme seines Körpers und roch das herbe Aftershave. Wie lange waren sie schon unterwegs? Isolino stoppte vor einem einstöckigen Haus in einem der unzähligen Gässchen. Er umfasste ihr Gesicht. Streichelte ihre Wangen. Berührte ihren Hals mit seinen Lippen. Die Küsse wurden inniger.
Die dicke Kleidung engte Vanessa ein und sie fühlte sich unwohl. Sie löste sich aus der Umarmung. Aus dem Augenwinkel sah sie eine kleine Gestalt über den Bürgersteig huschen. War das nicht der Vierbeiner aus der Höhle? Bevor sie genauer hinschauen konnte, war das Tier bereits verschwunden. Vanessa riss sich von Isolino, der sie soeben wieder in den Arm genommen hatte, los und murmelte: „I am sorry!“