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Vanessa träumte wirres Zeug. Erst knutschte sie mit Isolino. Dann hielt sie die Hand des Höhlenbewohners. Als sie wach wurde, wusste sie nicht, wo sie sich befand. Allmählich dämmerte es ihr. Das Bett mit der hochwertigen Matratze, in dem sie sich rekelte, stand in Evelyns Einliegerwohnung.

„Hier werde ich erst einmal bleiben“, dachte sie zufrieden.

Am Vorabend hatte sie mit Evelyn die Vor- und Nachteile der Beziehung zu Toni gegeneinander aufgewogen. Wobei sich die Vorteile darauf beschränkten, dass Vanessa viel Geld verdient und wenig davon wieder ausgegeben hatte. Und nun in jeder Hinsicht reicher an Erfahrung war. Alles zusammen genommen machte es die Nachteile, mehr als ein Jahr an einen Workaholic vergeudet zu haben, der nicht auf Frauen stand, wieder wett.

Vermutlich düste Evelyn bereits Richtung Westen zu den Aufnahmestudios. Die Maske würde Höchstleistung erbringen müssen, um die Augenringe zu überschminken.

Evelyn war stets bemüht, ihr Geburtsjahr unter den Tisch zu kehren. Vanessa wusste aber, sie war ihr altersmäßig vier Jahre voraus.

Das Smartphone vibrierte. Eine SMS mit dem Text Wir müssen reden. Melde Dich! ging ein.

Das klang gar nicht nach Toni.

Nach einem arbeitsreichen Wochenende war ihm bestimmt bewusst geworden, dass seine engste Mitarbeiterin beharrlich schwieg.

Bin um 14 Uhr in der Wohnung, antwortete Vanessa. Da sie keinen Widerspruch erhielt, sah sie den Termin als bestätigt an.

Toni erkundigte sich nicht einmal, wie es ihr ging. Vanessas Entschluss stand fest. Sie wollte den sofortigen Ausstieg aus dem Arbeitsvertrag!

Gegen Mittag fuhr sie im Coupé nach Düsseldorf. Evelyn hatte ihr den Schlüssel am Vorabend feierlich überreicht. Das Wetter war erstaunlich stabil für einen Apriltag. Stabil schlecht! Die Wolken hingen tief und das Verdeck musste schon aufgrund der niedrigen Temperaturen geschlossen bleiben. Die Autobahn quoll vor LKW über und sie kam sich wie eine Sardine in der Büchse vor.

„Ich nehme nur das Nötigste mit. Das Cabrio bietet sowieso nicht viel Stauraum. Was nicht in zwei Umzugskartons und meine Tasche passt, bleibt da“, hatte sie Evelyn erklärt.

Als sie vor der Tür ihres ehemaligen Zuhauses stand, spürte sie einen Kloß im Hals. „Es kommt mir vor, als wäre ich Jahre nicht mehr hier gewesen“, dachte sie.

Ihr Schlüssel lag drinnen, da Toni und sie als Paar verreist waren und sie vermutet hatte, dass sie auch als Paar zurückkehren würden. Daher musste sie klingeln. Toni öffnete erst nach einer guten Weile. Er sah aus, als hätte sie ihn aus dem Mittagsschlaf gerissen. Die Begrüßung fiel, wie erwartet, kühl aus.

An der Stimmung änderte sich nichts, als sie sich im Wohnzimmer gegenübersaßen, in dem sie sich nur selten gemeinsam aufgehalten hatten. Die wenigen Designermöbel, mit denen der Raum ausgestattet war, wirkten kalt und ungemütlich. Warum war ihr das nie aufgefallen? Sie hatte beim Einzug nur ihr Schlafzimmer einrichten dürfen, mintgrüne Vorhänge aufgehängt, eine farblich abgestimmte Tagesdecke und knallbunte Läufer gekauft. Das Zimmer konnte er ja nun Manuel überlassen.

Toni wirkte angespannt. Nichts erinnerte sie an den lieben Mann, mit dem sie zusammengearbeitet und sich die Wohnung geteilt hatte.

Beim Vorstellungstermin vor knapp 18 Monaten waren ihr sein Lächeln und die gemütliche Art aufgefallen. Bereits nach wenigen Sätzen über das Lepelaars hatte sie erkannt, welch berühmter Koch da vor ihr saß. Toni Löffler hatte bereits auf allen Kontinenten als Küchenchef gearbeitet, einen Stern im Guide Michelin ergattert, diverse Fernsehauftritte wahrgenommen und seine anspruchsvollen Kurse waren stets ausgebucht. Zwischen den Zeilen las Vanessa jedoch, dass er unermüdlich arbeitete und das Wort Privatleben für ihn ein Fremdwort war. Nur wenige Tage später unterzeichnete sie den Arbeitsvertrag. Bevor er für drei Monate in die USA reiste, um an einem Wettbewerb der besten Köche der Welt teilzunehmen, bot er ihr an, zu ihm in diese Wohnung zu ziehen. Sie hatte es als Liebesbeweis gewertet. Nun war sie schlauer. Toni hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Den Satz Du bist die Frau, auf die ich immer gewartet habe, die mir Halt und Geborgenheit gibt hatte Vanessa falsch interpretiert.

„Ich muss mein Krönchen richten und weiterlaufen“, dachte sie.

Sie räusperte sich. „Ich kann nicht mehr für dich arbeiten, das musst du verstehen. Du weißt, ich schere mich nicht um das Gerede der Angestellten, aber ich benötige Abstand. Das heißt im Klartext: Ich ziehe aus und suche mir eine neue Stelle.“ Sie bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dass das gesamte Küchenteam schon lange über ihre platonische Beziehung im Bilde sein könnte. „Ich naives Suppenhuhn habe nichts gemerkt“, dachte sie.

Toni schaute sie an. „Reisende soll man nicht aufhalten. Du bekommst natürlich ein sehr gutes Zeugnis. Ich hoffe für dich, dass du bald einen adäquaten Job findest. Aber wir müssen über den Austrittstermin reden.“ Er sprach mit ihr wie mit einer Angestellten, was sie ja auch bis jetzt noch war. „Ich muss mich um deine Nachfolge kümmern. Es stellt mich vor große Probleme, wenn du die Arbeit sofort niederlegst.“

Was kümmerte es sie?

„Nächste Woche haben wir ein großes Catering. Da kannst du mich nicht hängen lassen! Außerdem beginnen bald die neuen Kurse. Du hast die Teilnehmer koordiniert und kennst die Agenda wie kein anderer.“

Vanessa merkte, wie ihre Entschlossenheit, sofort auszusteigen, dahinschmolz. „Okay, die nächsten zwei Wochen stehe ich auf Abruf zur Verfügung. Das heißt, ich wohne bei Linn und werde von dort aus für dich arbeiten. Bei Bedarf komme ich nach Düsseldorf. Die Einarbeitung meiner Nachfolgerin oder meines Nachfolgers werde ich übernehmen. Das ist alles, was ich dir anbieten kann. Ich checke derzeit die Vakanzen in der Branche.“

„Würdest du denn bleiben, wenn ich dein Gehalt erhöhe?“ Tonis Stimme klang plötzlich freundlicher.

Die Frage kam vollkommen unerwartet, sie passte allerdings zu einem Mann, der nur ans Geschäft und nicht an Vanessas Gemütszustand dachte. Daher schüttelte sie den Kopf. „Keine Chance! Ich denke, für dich ist es auch nicht einfach, mich zu sehen“, sagte sie, obwohl sie das bezweifelte.

„Gut, dann muss ich das wohl oder übel akzeptieren.“ Er schluckte. „Was das Finanzielle angeht, mache ich dir einen Vorschlag.“ Er nannte eine konkrete Summe. Warum bot er ihr eine Abfindung an, obwohl sie sich im gegenseitigen Einvernehmen trennten? Wahrscheinlich sollte es ein Schweigegeld sein. Sie kannte nicht nur den Betrieb in- und auswendig, sondern hatte auch Einblicke in sein Privatleben erhalten. Prompt erläuterte er: „Mein Anwalt setzt eine Vereinbarung auf, die du bitte unterschreibst.“

„Kein Problem“, sagte sie. Die Höhe der Summe hatte sie überzeugt. Nach dem Gespräch verabschiedete sich Toni eilig, da er weitere Termine wahrnehmen musste.

Vanessa stopfte einen Teil ihrer Garderobe in die große Reisetasche. Dann packte sie mehrere Flaschen Parfüm, Handtücher, Schwimmpokale, ihre Schmuckkassette und einen Aktenordner mit den wichtigsten Papieren in die Kartons. Den Rest würde sie in den nächsten Tagen holen.

Als sie die Tür hinter sich ins Schloss zog, fühlte sich der Ort bereits nicht mehr wie ein Zuhause an. Der Regen hatte aufgehört und ein winziger Sonnenstrahl lugte durch die Wolken.

Auf der Rückfahrt plante Vanessa die nächsten Schritte. Sie hatte ein neues Dach über dem Kopf. Jetzt stand die Stellensuche auf der Agenda. Sie würde noch am gleichen Abend das Internet nach Vakanzen durchforsten. Musste sich um ihre berufliche Zukunft jedoch kaum Sorgen machen. Sie hatte das Abendstudium mit Bestnoten absolviert und verfügte über hervorragende Referenzen. Wenn Toni ihr nun noch ein entsprechendes Zeugnis ausstellte, würde sie nicht lange arbeitslos sein. Die Abfindung kam ihr in den Sinn. Ein hübsches Sümmchen. Sie hatte plötzlich eine Idee, was sie mit einem Teil des Geldes anfangen würde.

Einmal Steinzeit und zurück ...

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