Читать книгу Einführung in die Literatur der Romantik - Monika Schmitz-Emans - Страница 12

4. Romantikforschung im 20. Jahrhundert

Оглавление

Neoromantik und Nationalismus

Weitgehend lebensphilosophisch geprägt ist die Rezeption der Romantik um die Jahrhundertwende, und vor diesem Hintergrund bildet sich um 1900 eine neoromantische Bewegung. Damit einher geht eine tendenzielle Umwertung der bis dato meist einseitig als konservativ bzw. (je nach Standpunkt des Beobachters) reaktionär betrachteten Romantik; man entdeckt deren progressiven Charakter neu und betrachtet ihn als wegweisend für die Gegenwart. Vor dem Hintergrund der neoromantischen Bewegung entstehen erste wissenschaftlich brauchbare Editionen der Werke von Hölderlin, Novalis und Kleist. Die Auseinandersetzung mit der Romantik vollzieht sich weiterhin im Zeichen wechselnder Versuche einer Vereinnahmung für Fortschritt oder Reaktion. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg begreift sich die deutsche Romantikforschung mehr denn je als germanistischer Beitrag zur nationalen Sache. Bedenkliche Belege für nationalistische Entgleisungen könnten zitiert werden. Als romantische Grundhaltungen gelten nun Antiintellektualismus, Antimaterialismus und das metaphysische Bedürfnis nach ewigen Werten. Nüchterner nehmen sich demgegenüber andere Versuche aus, innerhalb der Romantik zwischen reaktionären und progressiven Impulsen zu differenzieren. In den 20er- und 30er-Jahren steht die Romantikforschung insgesamt im Zeichen einer deutlichen Politisierung. Auf deutscher Seite werden fragwürdige Versuche ideologischer Vereinnahmung der romantischen Kultur für die nationale, sprich: großdeutsche Sache unternommen. Parallel zur deutschen Romantikforschung setzen sich aber auch außerdeutsche Wissenschaftler mit dem Romantischen auseinander. Teilweise konstatiert man aus solcher Perspektive von außen Affinitäten zwischen den konservativen Tendenzen in der deutschen Romantik und dem Nationalsozialismus.

Nachkriegszeit

Die Romantikforschung der Nachkriegszeit ist durch divergierende Tendenzen geprägt. Intensives Interesse nehmen Vertreter der sogenannten werkimmanenten Interpretation an romantischen Autoren. Modern erscheint die romantische Literatur den Vertretern einer geistes- und ideengeschichtlich orientierten Literaturwissenschaft seit den 50er-Jahren in eben dem Maße, als man ihre zentralen Themen herausarbeitet – so die Thematik des Vor- und Unbewussten und des Traums (die Freud allerdings schon weitaus früher bei E. T. A. Hoffmann aufgespürt hatte), die der fragwürdigen Identität, des problematischen Individuums, der Auseinandersetzung einer ‚inneren‘ mit der äußeren Welt. Die historische Situation nach dem 2. Weltkrieg führt in Deutschland im Übrigen zur Etablierung zweier auf getrennten Wegen operierenden Germanistiken. Eine vorurteilsfreie und politisch-ideologisch unbelastete Auseinandersetzung mit der Romantik ist in der BRD wie in der DDR lange Zeit kaum möglich. Erwartungsgemäß stehen die Interessen der DDR-Germanistik an der Romantik in Beziehung zum offiziellen Literaturkonzept.

Die frühe marxistische Literaturgeschichtsschreibung hatte auf ihre Weise bereits ebenso im Zeichen einer Politisierung des Romantischen gestanden wie die liberalistische und die nationalistische. Dabei war die Begriffsdichotomie Klassik/Romantik mit wertendem Vorzeichen versehen worden: Die Romantik erschien als dekadent und subjektivistisch, wenn nicht gar als reaktionär, die Klassik als Antizipation des sozialistischen Humanismus oder auch Realismus. Dies wirkt auf die Romantik-Bilder der DDR-Germanistik prägend. Die marxistische Literaturwissenschaft steht der Romantik entsprechend lange kritisch gegenüber: Sie interpretiert diese meist als konservative Bewegung, welche die Errungenschaften der progressiven Aufklärung zunichte gemacht habe. Die 1960er-Jahre führen in Westdeutschland zu einer Politisierung der Literaturwissenschaft. An die Stelle der lange dominanten und für Forschungsansätze maßgeblichen metaphysischen Themen der 50er-Jahre tritt das Interesse an Zeitgeschichte und an einer möglichst nüchternen Erfassung historisch-philologischer Gegebenheiten. Man entdeckt die Autoren der romantischen Zeit als politisch progressive Schriftsteller, liest sie gelegentlich sogar als „Jakobiner“ und Verfasser von „Revolutionsdichtungen“.

Einführung in die Literatur der Romantik

Подняться наверх