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4. Jakob

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Jakob saß in seinem Zimmer, unter dem Poster mit der Computergrafik. Er hatte es sich kostenlos von einem Computerkonzern schicken lassen, es zeigte eine fraktale Figur, ein sogenanntes Apfelmännchen. Als er es bestellt hatte, hatte er allerdings angenommen, dass »Apfelmännchen« eine lustige Comicfigur wäre. Um Paula nicht den Triumph zu gönnen, dass er etwas missverstanden hatte, hatte er das Poster trotzdem aufgehängt. Die Ränder der Figur waren bunt und zerfransten sich in unendlichen Mustern, aber in der Mitte war die Figur schwarz.

Er sah hinaus. Direkt vor seinem Fenster war der Baum mit den roten Blättern, eine japanische Zierkirsche, wie seine Mutter sagte. Aber daran war noch niemals eine Kirsche gewachsen und eine besondere Zierde war der Baum auch nicht. Er fragte sich, ob da, wo das Mädchen herkam, alle Bäume so aussahen. Gab es dort ganze Wälder voll roter Bäume? Das konnte er sich nicht vorstellen. Er hatte zu Hause den Merianband ›Japan: Tokio und der Osten‹ angesehen und darin nichts von roten Wäldern gesehen. Nein, wo auch immer sie herkam, es war kein Zauberreich, sondern wahrscheinlich sah es dort so ähnlich aus wie hier.

Und bestimmt war es mindestens genau so heiß. Er war mit seinen Eltern schon oft in den Ferien verreist, meist nach Spanien oder Italien, wo es immer viel wärmer war als in Deutschland, darum verband er »Ausland« immer auch mit »Hitze«. Vielleicht trug sie deshalb eine Jacke. Ob sie schon mal einen Winter in Deutschland erlebt hatte?

Natürlich. Wer weiß, was sie dann trug – vielleicht einen dicken Pelzmantel, mit dem sie aussah wie ein Eskimo?

Der Rasen vor dem Haus war vertrocknet, was immerhin den Vorteil hatte, dass Jakob ihn nicht mehr mähen musste. So aufgeklärt sich seine Eltern sonst auch gaben, Rasenmähen war bei ihnen immer Männersache – eine der Männersachen, die sein Vater an ihn abgegeben hatte, als er ihn für alt genug hielt.

Jakob hatte sich schon oft über die Ungerechtigkeit beschwert, dass er zwar regelmäßig in der Küche und beim Wäscheaufhängen oder Putzen helfen musste, andererseits niemals jemand auf die Idee käme, Paula den Rasen mähen zu lassen. Falls doch, hätte sie sicher sowieso gerade Cellounterricht oder müsste irgendetwas ganz dringend für die Schule machen. Er konnte sich noch genau erinnern: Als Paula in der 5. Klasse war, wurde sie von vorne bis hinten bemuttert und nach Kräften geschont, ›Oh, deine Schwester ist jetzt im Gymnasium, stör sie nur nicht beim Lernen.‹ Jetzt war er in der fünften, aber Paula war in der neunten und das war natürlich viel wichtiger. Wenn er in der neunten war, würde sie in der dreizehnten sein und ihr ach so wichtiges Abitur schreiben. Er hatte ja keine Chance, sie jemals einzuholen! Das Leben ist ungerecht.

Missmutig blickte er auf das Buch, das auf dem Boden neben seinem Bett lag. Es war stinklangweilig. Sein Vater hatte es ihm empfohlen, Jakob hätte gleich wissen müssen, dass es Schrott ist. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass alle alten Bücher langweilig waren, aber vermutlich hatte es damals einfach nichts Besseres gegeben. Wenn er es abbrach, würde er sich Papas beleidigtes Gegrummel anhören müssen, dass er es wohl nicht verstanden hatte oder er noch zu jung war. Wenn er so tat, als hätte er es gelesen, würde er sich mit ihm darüber unterhalten wollen. Das könnte schwierig sein, wenn man den Inhalt nicht kannte. Nicht unmöglich, aber schwierig. Im Allgemeinen reichte es ja aus, zu nicken und Vater recht zu geben. Einzig seine Schwester gefährdete diese Strategie regelmäßig. Paula wäre im Stande, ganz beiläufig nach einem Detail aus dem Buch zu fragen, zum Beispiel: ›Hat dich der Tod des Kapitäns auch so bewegt?‹ Das würde sie aber nur fragen, wenn der Kapitän ein ausgemachter Schurke war, oder er am Ende noch lebte. Oder eben nicht, wenn sie ahnte, dass er mit etwas in dieser Richtung rechnete. Er seufzte.

Theoretisch könnte er natürlich Englisch lernen. Er hatte seiner Mutter versprochen, in den Ferien seine Vokabeln zu wiederholen. Aber an einem öden Tag zu lernen wäre wie eine Kapitulation vor der Langeweile, ein Geständnis, dass er diese langen Ferien nicht verdiente. Gleichzeitig würde er damit akzeptieren, dass die Sommerferien unweigerlich irgendwann enden würden.

Ein leichter Wind ließ die Blätter des roten Baums rascheln und trug eine widerliche Mischung aus trockener Luft, die tagelang über staubigen Feldern gestanden hatte und dem leicht fauligen Gestank feuchter Wiesen aus Richtung der Edrach herein.

Er musste raus. Im Haus war es nicht auszuhalten. Er ging nach unten ins Wohnzimmer. Er warf dem Fernsehgerät einen sehnsüchtigen Blick zu. Obwohl es beinahe ausgeschlossen war, dass seine Eltern ihn dabei erwischten, verschwendete er keinen Gedanken daran, es zu einfach einzuschalten. Das war keine der Sachen, die er machte. Er öffnete die Terrassentür und ging nach draußen. Vielleicht hatte er Glück und traf Mohrle im Garten. Sie lag oft in einer kleinen Kuhle zwischen den Dornenbüschen im hinteren Teil des Gartens. Nicht weit von dort, wo der Wald anfing. Der Wald, der keinen Namen hatte, außer Wald.

Es war kein Problem, über den Maschendrahtzaun zu klettern. Hier war er früher sogar mit Paula gewesen, bevor sie sich zu erwachsen fühlte, um über Zäune zu klettern. Oder zu cool.

Das Problem war der Wald selbst. Er konnte nicht groß sein; im Arbeitszimmer seines Vaters hing an einem Schrank eine Landkarte, die Maunzdorf und die benachbarten Dörfer zeigte. Der Maßstab war so, dass man jedes Haus darauf erkennen konnte, auch ihr eigenes. Sogar der kleine, angebaute Büroflügel zu sehen – als winziges, schwarzes Rechteck neben einem etwas größeren schwarzen Quadrat. Und der Wald war zu sehen. Auf der Karte war er nur eine dunkelgrüne Fläche mit zwei stilisierten Bäumen darin, einem kugelrunden und einem spitzen, der aussah wie ein Indianerzelt. An der Bundesstraße endete die grüne Fläche. Der Wald war kleiner als die Fläche von Maunzdorf und da kam er zu Fuß locker in 15 Minuten ans andere Ende. Wenn er nicht vorher vor Langeweile starb.

Der Wald war anders. Jakob wusste, dass es unmöglich war, das andere Ende des Waldes zu Fuß zu erreichen. Man konnte den Wald von allen Seiten betreten, man konnte sogar ein Stück hineingehen. Aber je weiter man sich hineinwagte, desto schwieriger wurde die Rückkehr. Und wenn man sich zu weit vom Rand entfernte, würde man gar nicht mehr zurückkehren können. Vielleicht war der Wald ja wie das Apfelmännchen in seinem Zimmer, am Rand unendlich fein und innen schwarz?

Jedenfalls war der Wald gefährlich. Er wusste das und Paula wusste es. Auch wenn sie jetzt nicht mehr darüber sprach, weil es nicht in ihre Welt passte. Nicht mehr.

Am Rand des Waldes wuchsen Büsche und kleine Laubbäume, junge Birken, Buchen, Eichen und andere, die er nicht kannte. Wenn man von hier kam, wirkte das Gestrüpp undurchdringlich. Er folgte einem schmalen Pfad, wo man sich nicht alles zerkratzte. Er wusste nicht, wer den Weg angelegt hatte, oder ob es überhaupt ein Pfad war. Vielleicht war es auch nur eine Stelle, an der zufällig weniger wuchs.

Zweige strichen über seine bloßen Arme, als versuchten sie, ihn zurückzuhalten. Bald wurde das Dickicht abgelöst von hellbraunen, astlosen Nadelbäumen, deren Baumkronen in schwindelerregende Höhen wuchsen. Von unten sahen die Bäume aus wie Säulen, die eine riesige Halle stützten.

Auch hier war es heiß. An manchen Stellen knallte die Sonne auf den mit einer dicken Schicht Nadeln bedeckten Boden. Hockte man sich hin, sah man Unmengen großer, schwarzer Ameisen, die rastlos durcheinander krabbelten. Wenn er etwas zu essen dabei hatte und ein paar große Krümel auf den Boden fallen ließ, dauerte es nicht lange, bis eine Ameise einen Brösel, doppelt oder dreimal so groß wie sie selbst, nahm und davontrug. Im Nu war die Ameise dann verschwunden. Er stellte sich vor, dass es im Innern des Ameisenbaus endlos lange, dunkle Gänge gab. Zielstrebig würde die Ameise den Krümel zu einer monströsen Königin tragen, die das Futter mit einer Vielzahl kalter, schwarzer Augen betrachtete und dann zwischen ihren Kiefern zermalmte. Vielleicht biss sie dem Überbringer des Happens auch noch gleich den Kopf ab.

Das war die Welt. Das war die wirkliche Welt. »Fressen und gefressen werden«, hatte er einmal irgendwo gehört. Kleinen Kindern wurde etwas anderes vorgespielt, in den Bilderbüchern und Kinderserien gab es keinen Tod und Löwen und Schafe lebten friedlich zusammen. In Wirklichkeit lebten wahrscheinlich nicht einmal die Schafe untereinander in Frieden.

Am Boden war es völlig windstill, obwohl es oben ziemlich windig sein musste, denn die hohen Stämme schwankten sacht und gaben knarzende Geräusche von sich.

Vielleicht spürt der Wald, dass ich da bin, dachte Jakob. Er stellte sich vor, wie der Wind Wellen in dem grünen Meer hoch über ihm bildete – ganz wie auf der Wiese hinter dem Haus. Lange Wogen strichen über die Wipfel. Die Vögel über dem Wald betrachteten die Wesen, die am Boden herumkrochen; armselige Krebse, langsam, plump und hässlich, während sie selbst schnell und anmutig durch die Luft glitten.

Das Mädchen fiel ihm ein. Wie hatte er nur versäumen können, sie nach ihrem Namen zu fragen? Er müsste das nachholen. Aber wie sollte er sie wieder treffen? Würde sie das überhaupt wollen? Sie hatte sich von ihm nach Neustadt bringen lassen, aber das hieß noch lange nicht, dass sie ihn mochte oder so. Den Busfahrer muss man ja auch nicht mögen, nur weil man den Bus nimmt. Er dachte an Rudi, den dicken, stets mürrischen Fahrer seines Schulbusses. Na gut, das war vielleicht kein so guter Vergleich.

Er versuchte, sich auszumalen, was das Mädchen jetzt gerade machte. Ob sie Geschwister hatte? Gab es in ihrem Haus auch eine nervige große Schwester wie Paula? Vielleicht aßen sie gerade. Jakob war mit seinen Eltern schon ein paar Mal in einem chinesischen Restaurant gewesen, darum kannte er das Essen. Es würde pappigen, rundkörnigen Reis geben und auf einer kleinen eisernen Platte hatte jeder eine Schale mit Fleisch und Gemüse. Ob der Rest ihrer Familie ebenso schweigsam war wie sie? Oder war sie zu Hause sowieso ganz anders? War sie nur schüchtern gewesen, weil er ein Junge war?

Er seufzte. Nein, das sicher nicht. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass er ein Mann war. Oder ein Junge. Oder was auch immer. Vielleicht nahm sie allgemein nicht so viel wahr. Dann hatte sie auch nicht gesehen, dass er das Loch in ihrer Jeans angestarrt hatte.

Jakob kam auf eine Lichtung, die er nie zuvor gesehen hatte. Er musste auf der Hut sein, er wusste, dass der Wald Spielchen mit ihm spielte, wenn er unvorsichtig war. Zwei der riesigen Kiefern waren umgefallen und hatten eine Lücke in die dichte Vegetation gerissen. Aus der Luft würden die beiden beinahe wie ein »X« aussehen. Oder wie ein Kreuz. Kein gutes Zeichen. Jakob beschloss, nicht quer über die Lichtung zu gehen, sondern am Rand zu bleiben. Wie ein umgestürzter Sonnenschirm aus Erde und Holz ragte der Wurzelstock eines der Bäume vor ihm auf. Die Wurzeln, manche dicker als sein ganzer Körper, andere haarfein, hielten die Erde fest und bildeten so einen dichten Schild.

Dort, wo der Baum gestanden hatte, klaffte ein Loch im Boden. Es war nicht tief, eigentlich eher eine Mulde, doch hütete er sich, hineinzusteigen.

Jakob ging weiter um den Baum herum. Ihm war, als habe der senkrecht stehende Wurzelstock etwas abgeschirmt, das nun sichtbar wurde.

War es etwas, das er sehen sollte? Das »X« deutete auf einen Schatz hin. Aber es konnte auch eine Falle sein.

Dort, in der Mitte der Lichtung,

lag etwas.

Lag

jemand.

Für einen Moment dachte er an das Mädchen, doch die Kleidung passte nicht zu ihr, die Gestalt wirkte größer. Er atmete auf.

Er kniff die Augen zusammen, ging aber nicht näher heran. In einem Halbkreis schritt er am Rand der Lichtung entlang, sorgfältig darauf bedacht, nicht in den Kreis zu treten. Aus irgendwelchen Gründen war die Gestalt schwer zu erkennen, er war sicher, dass es kein Erwachsener war, aber er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Irgendetwas an der Kleidung ließ ihn eher an ein Mädchen denken, doch das war alles andere als sicher. Seine Augen begannen zu tränen und je mehr er sich konzentrierte, desto verschwommener wurde die Gestalt. Sie lag auf dem Rücken, die Knie ragten in die Höhe, ganz so, als sonnte sie sich. Aber wer würde hier sonnenbaden? Jakob fragte sich, ob das Mädchen tot war. Aber könnten bei einer Leiche so die Beine stehenbleiben?

Er versuchte, einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen. Ein paar Lichtstrahlen der untergehenden Sonne fielen darauf, aber sie kamen von der anderen Seite und blendeten ihn. Das Licht fing sich in den Haaren und brachte sie zum Leuchten wie einen Heiligenschein. Jakob sah die Silhouette des Gesichts, die Nase, die Stirn, aber es war nicht genug, um zu erkennen, wer es war.

In diesem Augenblick schlug die Kirchturmuhr zwei Mal. Jakob spürte, wie es kühler wurde. Trotz der sommerlichen Hitze hatte er eine Gänsehaut. Er hörte ein lautes Summen, als eine Biene oder eine Hummel an ihm vorbeiflog.

Er sah sich um und war plötzlich nicht mehr sicher, aus welcher Richtung er gekommen war. Jakob zögerte. Wie weit war er um die Lichtung gegangen? Welcher der umgestürzten Bäume hatte ihm zuerst die Sicht genommen? Und wenn er den richtigen fand, konnte er sich darauf verlassen, dass er immer noch dort lag, wo er vorher gewesen war?

Mit klopfendem Herzen wandte Jakob sich um. Er musste nach Hause. Er musste den Wald so schnell wie möglich verlassen, bevor er ihn verschlang.

Ruhig ging er los, zwang sich, nicht zu rennen. Aufmerksam betrachtete er seine Umgebung und suchte nach bekannten Kennzeichen. Doch die Baumstämme sahen alle gleich aus. Er war unaufmerksam gewesen.

Er erschrak, als ein Ast unter ihm knackte. Es klang wie ein zerbrechender Knochen – kein gutes Vorzeichen. Die Sonne stand tief, nur vereinzelt stach ihr orange-gelbes Licht durch das dichte Blätterdach. Täuschte er sich, oder brach bereits die Nacht herein? Das war ausgeschlossen. War er nicht am frühen Nachmittag aufgebrochen? Es wurde doch erst um acht dunkel. Oder neun. Jedenfalls sehr spät. Er beschleunigte seinen Schritt.

Nur nicht rennen, sagte er sich. Es kann ja nichts passieren. Der Wald ist klein, egal, in welche Richtung man läuft, in ein paar Minuten ist man immer draußen.

Er kann

nichts

passieren.

Er konnte sich nichts vormachen. Es bestand Gefahr. Vielleicht würde der Wald ihn nicht mehr loslassen. Wenn er zu lange dort gewesen war oder wenn er sich zu tief hineingewagt hatte. War das dem Mädchen passiert? Hatte der Wald ihm darum eines seiner Geheimnisse gezeigt? Weil klar war, dass er sowieso nicht mehr lebend herauskam?

Er versuchte, seiner aufkommenden Panik Herr zu werden.

Wohin er auch blickte, dicke, graue Stämme. Er bahnte sich seinen Weg zwischen den Bäumen hindurch, mal links an einem Baum vorbei, mal rechts. Wenn er einen weiten Bogen links herum machen musste, machte er danach den gleichen Bogen nach rechts. Er durfte nicht im Kreis gehen. Der Wald würde versuchen, ihn in die Irre zu führen.

»Die Sonne zur Linken«, sagte er laut. Der Wald hatte keine Macht über die Sonne. Wenn er nur darauf achtete, dass die Sonne immer auf der gleichen Seite war, würde er schon den Ausgang finden. Er hörte ein schmatzendes Geräusch und hob verwundert den Fuß. Er war in einer Art Sumpf gelandet. Gelbe Blumen wuchsen zwischen weichem, dunkelgrünem Moos. Hier und da schimmerten Pfützen oder Tümpel zwischen den Mooskissen. Er wusste nicht, dass es hier einen Sumpf gab. Es war doch seltsam, dass der trotz der langen Hitze nicht ausgetrocknet war. Er sprang von einer Insel zur anderen, doch auch hier sank er tief ein und mit jedem Mal schien es schwieriger, die Schuhe aus dem nassen Moos zu ziehen. Wenn er sich zum Sprung abstieß, trat er nur in den Matsch. Er sah sich schon im Wasser versinken.

Mit dem nächsten Schritt landete er auf festem Grund. Verwundert blieb er stehen und hob den Kopf. Keine zwanzig Meter vor sich sah er Paula. Sie stand in ihrem Garten und betrachtete Jakob mit unbewegter Miene. Die Sonne schien auf ihre glatten, hellbraunen Haare, sodass sie strahlten wie Gold.

Jakob beruhigte sich. Plötzlich kam er sich ziemlich doof vor. Betont lässig kam er durch das Dickicht. Wie lange hatte sie ihn schon angesehen?

Er kletterte auf den Zaun und sprang auf der anderen Seite herab. »Hi.«

Paula schüttelte den Kopf. »Was machst du da drin?«

Die soll bloß nicht so tun. Letztes Jahr war sie auch oft ›da drin‹ gewesen, hatte mit ihm Cowboy und Indianer oder Dschungelforscher gespielt. »Ich – äh …«

Paula schnaubte tief, um klar zu machen, dass die Antwort sie sowieso nicht interessierte, weil es sich um irgendeine Kinderei handeln musste. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um. »Du sollst zum Essen kommen«, sagte sie im Weggehen.

Jakob kam hinter ihr her. Ihm fiel auf, dass sie sich anders bewegte als früher. Sie bewegte sich so wie die Frauen, über die sie sich immer lustig gemacht hatten. Wie eine Tussi. Er grinste. Das müsste er sich merken, wenn sie sich das nächste Mal stritten. Hoffentlich war das keines der Wörter, die in ihrer Familie geächtet waren.

Bevor er die Haustür betrat, wandte er sich noch einmal um. Der Wald hatte ihn losgelassen. Diesmal.

Er wartete hinter dem Maschendrahtzaun und hütete seine Geheimnisse.

Sommerende

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