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2. Hemborg

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Aufmerksam betrachtete der Mann die Zeichnung auf der Milchpackung. Danach musste man die Lasche irgendwie nach vorne schieben, dann würde sie sich automatisch öffnen und man hätte eine perfekte, spitz zulaufende Tülle. Er führte seine Bewegungen langsam und konzentriert aus, doch auch diesmal gelang es ihm nicht, die Packung zu öffnen. Wo eine saubere Tülle sein sollte, war nur eine zerknitterte, zusammengeschobene Ruine aus gewachstem Karton. Er ballte die Fäuste, doch hütete er sich, zu fluchen.

Er stand auf, um die Schere zu holen, die auf seinem Schreibtisch liegen musste. Wenn er die Packung damit aufschnitt, ließ sie sich nicht mehr gut schließen und er musste sie schnell aufbrauchen, damit sie nicht verdarb. Jedes Mal, wenn er Milch kaufte, fragte er, ob es auch Milch in der Flasche gab und jedes Mal wurde ihm das verneint.

Wenn er dann weiter fragte, warum das so wäre, schließlich gäbe es andere Getränke doch auch in der Flasche, zum Beispiel Sprudel oder Bier, zuckte die Verkäuferin nur die Schultern. Mehr nicht – das war ihre ganze Reaktion, als wäre sie irgend so eine vornehme Geschäftsfrau in der Stadt und er ein Fremder. Dabei kannte er sie genau, vor ein paar Jahren war sie noch in die Schule gegangen. Und jetzt hatte sie nur noch ein Schulterzucken, wenn ein Kunde etwas fragte.

Er würde aber nicht anfangen, Alkohol zu trinken, nur damit er eine Flasche hatte. Alkohol ist Gift, es vergiftet erst den Geist und dann den Körper. Es ärgerte ihn, dass die Biertrinker gegenüber den Milchtrinkern bevorzugt wurden. Vermutlich wollten bestimmte Kreise, dass die Leute mehr Bier tranken. Um sie dumm zu halten und abzulenken.

Als er mit der Schere zurückkam, sah er einen schwarzen Schatten davon springen. Schon wieder dieses Biest!

»Verschwinde!«, rief er. »Ksch, ksch!« Er umklammerte die Schere in seiner rechten Hand so fest, dass die Knöchel hell hervortraten und seine Faust zu zittern begann.

Natürlich war die Katze längst wieder verschwunden, war elegant durch den Fensterspalt nach draußen geschlüpft. Dieser Dieb. Dieser kleine Dieb. War er an der Milchtüte gewesen? Unmöglich, bis auf ein kleines Loch war die Packung ja noch geschlossen.

Er schnitt die Tüte mit der Schere auf und goss sich Milch in ein Glas. Es war ein altes Senfglas, am unteren Rand hatten einst bunte Clowns getanzt. Er konnte sich nicht erinnern, woher er es hatte, er kaufte eigentlich nie Senf. Im Lauf der Jahre – oder waren es bereits Jahrzehnte? – waren die blaue und gelbe Farbe verschwunden und nur die rote war noch sichtbar. So schwebten die roten Nasen im Nichts neben roten Lippen und über roten Streifen, die einmal Teile des Hemds gewesen waren. Darunter waren zwei rote Punkte, die als Bommel die blauen Schuhe der Clowns geziert hatten. Wenn man es wusste, konnte man immer noch die Clowns sehen. Oder etwas ganz anderes.

Er roch an der Packung und untersuchte die Milch auf schwarze Katzenhaare, aber es war nichts zu sehen. Die Tüte war noch geschlossen gewesen. Trotzdem. Immer noch misstrauisch nahm er den ersten Schluck. Allein der Gedanke an das schmutzige Tier nahm ihm jede Lust auf die Milch.

Wenn er dieses Biest, diese Ausgeburt der Hölle, noch einmal an seiner Milch erwischte, würde er ihm den Hals umdrehen. Das Recht hatte er, es war schließlich sein Haus.

Er malte sich das Knacken aus, das Gefühl in seinen Händen, wenn der kleine Körper erschlaffte. Es würde nicht anders sein als bei einem Huhn.

Dann würde er den leblosen Balg über den Zaun zu dieser Familie werfen. Vielleicht in einen der verwilderten Johannisbeersträucher, wo dann eines der verzogenen Kinder den Kadaver finden würde. Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln.

Vermutlich würden sie ihn aber nicht so schnell finden, sie aßen ihre Johannisbeeren ja nicht einmal, sondern ließen sie am Strauch vergammeln. Die Frau kaufte anscheinend lieber Obst aus dem Supermarkt.

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.

Sommerende

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