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8. Karin
ОглавлениеDie beiden Frauen verstummten kurz, als Karin die Metzgerei betrat, dann, nach einem gemurmelten »S’Gott«, sprachen sie angeregt weiter. »Immer noch nichts«, »Polizei«, »Verbrechen«. Karin verstand nur ein paar Satzfetzen, aber sie wusste natürlich sofort, worum es ging.
»Noch keine Spur von dem verschwundenen Mädchen?«, fragte sie und sah die beiden fragend an.
Frau Dorschner, die Frau hinter der Theke, schüttelte den Kopf. »Frau Pfarrer, stellen Sie sich vor, heute früh war die Polizei sogar hier! Wollten wissen, ob ich etwas beobachtet hätte.« Der Gedanke schien ihr unbegreiflich. Sie schüttelte wieder den Kopf, dann fragte sie freundlich: »Was darf’s denn sein?«
Karin bestellte, was sie wünschte.
»Schwanger. Schwanger ist sie.« Das war Frau Hof, die Kundin, mit der Frau Dorschner sich so angeregt unterhalten hatte.
»Schwanger? Sie ist doch erst 15 …« An diese Möglichkeit hatte Karin überhaupt nicht gedacht.
Anstelle einer Antwort zog Frau Hof wissend die Augenbrauen hoch und schnaubte voller Überlegenheit.
»Na ja, vielleicht … die Jugend heutzutage aber auch …«, murmelte Frau Dorschner, während sie Wurst auf die Waage legte. »Wie alt ist Ihre Paula eigentlich?«
Entrüstet öffnete Karin den Mund, doch Frau Dorschner kam ihr zuvor. »So meine ich das natürlich nicht.« Es war ihr wohl wirklich peinlich, sie war sogar ein wenig rot geworden. »Ihre Paula ist natürlich ein anständiges Mädchen.« Mit einer schwungvollen Handbewegung zog sie eine Papierbahn unter der Theke hervor und legte das abgewogene Fleisch hinein. Dann fiel ihr noch etwas ein. »Nicht, dass die kleine Menter nicht anständig ist. Das will ich auch nicht gesagt haben. Nein,« sie hob entschuldigend die rechte Hand, »Ich will nichts gesagt haben.«
Frau Hofs Mundwinkel zuckten leicht nach unten. Deutlich war zu sehen, dass sie da ganz anderer Meinung war. Frau Hof war im ganzen Ort wegen ihrer Geschwätzigkeit gefürchtet. Karin zweifelte keine Sekunde daran, dass auch einige der Gerüchte über ihre Familie auf Frau Hofs Konto gingen. Die Geschichten, die ihr über Umwege zu Ohren gekommen waren, waren eine perfide Mischung aus Lügen und Halbwahrheiten. Und doch könnte diesmal etwas dran sein … Aber dachte das nicht jeder, so lange es jemand anderen betraf?
»Weggelaufen. Na, weggelaufen ist sie. Wo sie doch schwanger ist.« Für Frau Hof war das wohl ausgemachte Sache.
Und nicht nur für sie. Frau Dorschner wischte die Hände an ihrer weißen Schürze ab und nickte eifrig. »Das wäre schon logisch, oder?«
»Hat sie denn einen Freund?«
»Naja, was man in dem Alter eben so Freund nennt.« Frau Dorschner lächelte nachsichtig.
Frau Hof schmatzte missbilligend. Sie schien auch das schon zu wissen. »Den Freund haben sie natürlich zuerst befragt. Der hat aber nichts damit zu tun. Hat mir ihre Mutter erzählt.«
Karin konnte sich nicht vorstellen, was die Mutter des verschwundenen Mädchens bewogen haben sollte, ausgerechnet mit Frau Hof zu sprechen, aber für eine offensichtliche Lüge war die Information zu leicht nachprüfbar.
»Klar. Die Sache ist doch klar«, fuhr Frau Hof fort, »weggelaufen ist das Mädchen. Aber sie wird schon wiederkommen. Wenn das Geld, wenn ihr das Geld ausgeht.« Damit war die Sache für sie erledigt.
»Wenn sie sich nur nichts antut … oder irgendwelchen bösen Menschen in die Hände fällt.« Frau Dorschner nickte langsam und sah Frau Breitner besorgt an.
Karin ging nicht darauf ein. »Ich hoffe, dass sie bald wieder von selbst zurückkommt.« Im Stillen dankte sie Gott, dass Paula so ganz anders war. Sicher, auch ihre Tochter hatte ihre Macken, sie war vorlaut und stritt sich ständig mit Jakob, aber sie würde sich bestimmt nicht so schnell schwängern lassen. Oder sollte sie mal wieder ein Gespräch »von Frau zu Frau« mit ihr führen? Das letzte lag schon eine ganze Weile zurück. Selbstverständlich war sie längst aufgeklärt, aber wenn Paula Fragen hatte, sollte sie wissen, dass ihre Mutter immer für sie da war. Sie würde mal wieder vorfühlen. Hoffentlich wollte sie nicht wieder nur wissen, mit wie vielen Männern sie vor Papa Sex gehabt hatte und wie das gewesen war. Und warum sie überhaupt Papa geheiratet hatte, ob sie keinen cooleren Typen an der Hand gehabt hätte.
»Ach ja, bitte noch ein halbes Pfund Hartwurst«, sagte sie, als sie bemerkte, dass Frau Dorschners rundes, rotbackiges Gesicht ihr zugewandt war. »fein geschnitten.«