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13. Jakob

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»Hast du mich angesehen?« Paula lag auf einem Liegestuhl in der Sonne. Sie trug ihren roten Bikini und eine große, golden umrandete Sonnenbrille. Ihre Haut glänzte vor Schweiß und Sonnenmilch.

»Was?« Mit dem Walkman in der einen und dem orangefarbenen Kopfhörer in der anderen Hand war Jakob auf die Terrasse gekommen.

»Du hast mich schon verstanden.«

»Ich habe dich nicht angesehen. Warum sollte ich?«

Paula lächelte überlegen. »Wenn du das nicht weißt, kannst du ja mal Papa fragen. Der erklärt es dir.«

Sie entspannte ihr Gesicht wieder. »Es kann natürlich sein, dass du keine Frauen magst.«

Jakob errötete und wandte sich ab, damit sie es nicht sehen konnte.

»Das ist nicht schlimm. Der Ruppert ist auch homosexuell.«

»Was? Der Biolehrer?« Jakob dachte an den bärtigen Lehrer mit den langen, hellblonden Haaren.

Paula nickte gelassen. »Schwul«, fügte sie hinzu und kostete das Wort richtig aus. Sie leckte sich über die Lippen.

Jakob zuckte zusammen. Das war ein Wort, das man nicht sagen durfte. Ihre Eltern waren nicht hier, um sie zurechtzuweisen, dennoch hatte er das Gefühl, sie würden es irgendwie merken. Er wagte nicht, das Wort auszusprechen, und formte es nur stumm in seinem Mund.

»Aber das macht nichts.« Paula lag wieder ganz entspannt da, die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen.

»Doch, ich mag Mädchen.«

»Hm.« Paula lächelte wieder. Rasch wandte sie sich ihm zu und sah ihn über den Rand der Sonnenbrille an. »Ich wette, du hast wahnsinnig schmutzige Gedanken, wenn du mich im Bikini siehst.«

»Ich – nein.« Jakob schüttelte energisch den Kopf, doch Paula sah ihn nur wissend an. Gegen Paula konnte man nicht gewinnen. Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Du weißt schon, dass du Hautkrebs bekommst, wenn du zu lange in der Sonne liegst. Bald bist du so runzlig wie eine Oma.«

Paula wandte ihr Gesicht wieder der Sonne zu. »Keine Angst, ich bin eingecremt.«

»Und braun wirst du eh nicht werden.« Er und Paula hatten die helle Haut ihrer Mutter geerbt. Jakob wurde im Urlaub zwar manchmal braun, aber eigentlich nur, wenn er vorher einen richtigen Sonnenbrand gehabt hatte. Paula bekam Sommersprossen im Gesicht und am Dekolleté.

»Kann schon sein.« Sie schwieg, aber Jakob sah ihren Mund zucken. Das bedeutete, dass sie noch etwas sagen wollte. »Chinesen bekommen sicher keinen Sonnenbrand, was? Einen Chinesen mit Sonnenbrand kann ich mir nicht vorstellen. Neger kriegen ja auch keinen Sonnenbrand.«

Jakob stockte der Atem. Was hatte das zu bedeuten? Wie viel wusste Paula? Was gab es überhaupt zu wissen?

Er brummte Zustimmung.

»Oder Chinesinnen

Jakob ging nicht darauf ein.

»Ja, ja, unser kleiner Jakob.« Genüsslich ließ sie sich jedes Wort auf der Zunge zergehen. »Wird langsam erwachsen, was? Ich weiß noch, da war er sooo klein.« Sie zeigte mit der Hand eine Größe von nicht mehr als einem halben Meter.

Am liebsten wäre Jakob aufgesprungen und weggerannt, aber erst musste er herausfinden, was sie wusste. Und, wenn möglich, woher.

»Hoffentlich hast du ihr nicht von deinem Hobby erzählt.« Paula machte sich über das Briefmarkensammeln lustig, wo es ging. Wenn sie davon sprach, klang es immer wie etwas, für das man sich schämen musste.

»Oder – hast du?« Sie nahm sein Schweigen als Zustimmung und schlug in gespieltem Entsetzen die Hand vor den Mund. »Oh nein, du hast es ihr erzählt.« Sie legte den Kopf schief, als würde sie nachdenken. Ein dünnes Lächeln erschien auf ihren Lippen.

»Dann muss es Liebe sein«, flötete sie. »Heirate sie, mein Kind, heirate sie, so schnell du kannst, so eine wirst du nie wieder finden.«

Jakob verdrehte die Augen. »Ich bin 11.«

»Oh, entschuldige, das hatte ich ganz vergessen. Bei einem so frühreifen Bürschchen kann einem das ja mal entfallen, was? Dann werdet ihr wohl oder übel noch ein wenig warten müssen. Zumindest mit dem Heiraten, wenn du verstehst, was ich meine. « Sie zuckte die Schultern und wandte sich wieder der Sonne zu. Ihre Züge entspannten sich.

Eine Weile sagte niemand etwas. Aber Jakob wusste, dass es noch nicht vorbei war.

»Was bekomme ich, wenn ich Mama und Papa nichts davon erzähle?« Grübchen erschienen auf ihren Wangen, obwohl sie gar nicht lächelte.

Entrüstet öffnete Jakob den Mund. Er hatte doch nichts verbrochen!

»Du meinst, du hast nichts getan?« Paula strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Dann stört es dich ja nicht, wenn ich ihnen von deiner kleinen Liaison erzähle.«

»Was willst du.«

»Nichts. Ich habe Verständnis für meinen liebeskranken kleinen Bruder.«

Das war es nicht. Jakob wartete.

»Naja, vielleicht doch etwas. Einen Gefallen.«

»Welchen.«

»Weiß ich noch nicht. Einen kleinen.«

»Du weißt es noch nicht?«

»Genau. Ich werde irgendwann darauf zurückkommen.«

Jakob antwortete nichts. Er setzte sich den Kopfhörer auf, steckte ihn in die Buchse des Walkman und drückte die »Play«-Taste. Neil Tennants Stimme und Chris Lowes eingängige Akkorde füllten seinen Kopf. Please von den Pet Shop Boys war die einzige Kassette, die er sich jemals gekauft hatte. Er besaß noch mehr Kassetten, aber die waren von Schallplatten oder dem Radio aufgenommen. Die Kassette war weiß und sah ganz anders aus als die schwarzen Leerkassetten von BASF oder Maxell, mit denen er manchmal Musik vom Radio aufnahm. Paula behauptete, die Tatsache, dass er sich ausgerechnet eine Kassette der Pet Shop Boys gekauft hatte, bewies nur, dass er nichts von Musik verstand. Wahrscheinlich wollte sie ihn einfach nur heruntermachen.

Violence breeds violence sang Neil Tennant.

Jakob betrachtete die schwitzende Paula im Liegestuhl und schüttelte sich. Was bildete die sich eigentlich ein?

Das einzige, was ihn an ihr interessierte, war dass Shi Qi auch ein Mädchen war. So schwer es zu glauben war, seine Schwester und das chinesische Mädchen hatten etwas gemeinsam. Wie würde Shi Qi in einem Bikini aussehen? Ob sie so etwas überhaupt besaß?

Sommerende

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