Читать книгу Sommerende - M.P. Anderfeldt - Страница 11
5. Svenja
ОглавлениеWarum in diesem Schuppen? Nein, Schuppen war der falsche Begriff, es war eine Scheune. Anscheinend hatte der verrückte alte Mann früher einen Bauernhof gehabt. Svenja betrachtete eine Schubkarre und überlegte sich, ob sie sich hinsetzen sollte. Aber dann würde ihre helle Hose Flecken bekommen.
Andererseits stand sie ziemlich dämlich in der Gegend herum.
Sie verschränkte die Arme und räusperte sich. Unauffällig betrachtete sie ihre Brüste. Sie war zufrieden. Wenn sie in der Umkleide oder beim Schwimmen die anderen Mädchen sah, fand sie, dass sie ganz gut abschnitt.
Aber Marco hatte natürlich einen anderen Anspruch, da genügte es nicht, dass sie die Kinder in ihrer Klasse ausstechen konnte. Marco war beinahe zwei Jahre älter als sie und schon ein richtiger Mann. Sicher erwartete er eine richtige Frau.
Blendend weiß gleißten Flecken aus Sonnenlicht auf dem Boden und Staub tanzte in den Strahlen. Nur auf den ersten Blick war es hier seltsam – eigentlich war es ein romantischer Ort.
Würde »es« hier passieren? Sie hatten ja schon Händchen gehalten und neulich, im Freibad, sogar etwas mehr, aber dort waren sie natürlich nie ungestört. Dass er sie hierher bestellt hatte, weil er ihr »etwas Wichtiges« sagen musste, konnte nur bedeuten, dass er es ernst meinte.
Sie widerstand dem Drang, die zerknitterte Nachricht, seinen Liebesbrief, aus ihrer Gesäßtasche zu holen und nochmals zu lesen.
Es war das erste Mal, dass er ihr geschrieben hatte und die Wärme seiner Worte hatte sie tief bewegt. So cool er sich nach außen auch immer gab, in seinem Innern war er ganz zart und verletzlich. In der Bravo Fotolovestory war es ja auch immer so, die lässigen Jungs, die mit den Lederjacken, die so unnahbar taten, waren in Wirklichkeit ganz sanft und liebevoll.
Ob er schon mal …? Sicher. Er war ja schon älter. Also, bestimmt nicht so oft, aber er war gewiss keine Jungfrau mehr. Er würde nicht drängeln, das machten die netten Jungs nämlich nie. Sie sagten »Hey, lass dir Zeit«, oder »Macht nichts, wenn du noch nicht so weit bist.« Aber sie war soweit.
Sie hatte sogar zwei Kondome dabei, die waren mal an der Schule verteilt worden. Die meisten hatten die Kinder natürlich aufgeblasen und sie landeten sonst wo. Svenja aber hatte heimlich zwei eingesteckt und behalten. Für alle Fälle.
Und jetzt war dieser Fall.
Sie wischte mit der Hand über eine niedrige Mauer aus rotem Ziegelstein und nahm darauf Platz. Sie schloss die Augen und strich sich durch die dunkelblonden Haare, die noch nach Shampoo rochen.
Sie hörte ein Geräusch. Sie wandte sich nicht um und öffnete die Augen nicht. Sie wusste ja, wer es war. Was würde er sagen? Oder würde er schweigen? Würde er ihr einen zärtlichen Kuss auf den Nacken geben?
Schritte näherten sich, langsam, bestimmt war er schüchtern. Sie hörte ein Klappern, ein Scharren.
Sie lächelte, damit er sich ganz sicher fühlte. Komm zu mir, dachte sie. Wenn ich dir so vertraue, dass ich die Augen schließe, musst du auch keine Angst haben.
Etwas sauste heran. Ein Balken knallte mit Wucht auf ihren Hinterkopf. Die Kraft des Aufpralls fegte sie von der Mauer. Noch bevor sie den Boden erreichte, verlor sie das Bewusstsein, sah nicht mehr die Gestalt, die sich neugierig über sie beugte.