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1 Die Morde in der Slurry Street

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Lizzie Shepherd ward geschlacht,

Überm Wirtshaus in der Nacht.

Janie Donnell hieb man klein.

Und du wirst bald die Nächste sein.

Viktorianischer Hüpfreim (aus Rhymes and Reasons von Jenny Smith und Alex Duncan MacDonald)

Eliza Shepherd war ermordet worden. Am Morgen des 28. Januar 1882, einem Montag, fand ihre Schwester Maria die Leiche auf dem Bett. Gemeinsam hatten sie zwei Dachstuben bewohnt, die sich, samt einer Reihe weiterer maroder Gästezimmer, über dem Red Lion auftürmten, einem beliebten Wirtshaus in der Slurry Street, Whitechapel.

Zwei Stunden später entdeckte man in einem anderen Zimmer auf demselben Flur die Leiche von Jane O’Donnell.

Beide Frauen waren grausam ermordet worden. Genau vierzig Mal hatte man auf ihre Gesichter, Gliedmaßen und Oberkörper eingestochen. Es gab keinerlei Anzeichen eines Diebstahls, und obgleich sich sexuelle Motive nicht ausschließen ließen, galt keine von beiden als stadtbekannte Dirne. Eliza Shepherd hatte sich als Näherin verdingt und Jane O’Donnell seit kurzem unten im Wirtshaus als Kellnerin gearbeitet.

In beiden Fällen waren die Türen von innen verriegelt gewesen und mussten aufgebrochen werden. Darüber, wie sich der Mörder Zugang verschafft hatte, bestand indes wenig Zweifel. Die Fenster waren eingeschlagen. Wie der Täter dorthin gelangen konnte – neun Meter über dem Boden –, war freilich eine andere Frage. Es gab weder Regenrinnen noch andere Kletterhilfen, und in einer belebten Straße wie der Slurry Street unbemerkt eine Leiter herbeizutragen, aufzustellen und wieder fortzuschaffen, war schier unmöglich. Das Dach war schwer zugänglich, ja, es erwies sich gar als derart morsch und baufällig, dass es nicht einmal den kleinen Buben trug, den die Polizei hochschickte, um es zu inspizieren.

Geschichten über den legendären Schurken Springheel Jack lebten wieder auf, und zahlreiche Leute glaubten, gesehen zu haben, wie er sich über die Dächer schwang. Manch anständiges Mädchen hatte dereinst berichtet, wie er ihr vor die Füße gesprungen war, ihr mit seinen Klauenhänden die Kleider von Leib gerissen und seine kalten Lippen auf ihre gepresst hatte. Doch gemordet hatte er, soweit bekannt, noch nie.

Der Tod war ein steter Gast im East End, Gewalt und Mord nicht selten, doch die Grausamkeit dieser Taten schockierte sogar die Polizei, und die Entrüstung darüber zog Anfragen in beiden Parlamentskammern nach sich.

Rasch florierten Groschenheftchen mit reißerischen Schilderungen ähnlicher Verbrechen, die mit den Morden in Verbindung stehen sollten. Die Zeitungen überschlugen sich mit immer neuen Theorien zur Identität des Mörders. Es hieß, Rivincita, das italienische Wort für Rache, sei mit Blut an die Wände geschrieben worden, und ein Bericht über einen geheimnisvollen rothaarigen Neapolitaner, der in der Gegend Verdacht erregt habe, führte unten an den Docks zu einer Welle von Übergriffen auf Einwanderer.

Die schaurige Moritat vom Schlachthaus an der Slurry Street wie auch das melodramatische Bühnenstück Mord im Roten Löwen feierten kurzzeitige Erfolge, doch in Ermangelung echter Verdächtiger und weiterer Gräueltaten ebbte das öffentliche Interesse bald ab.

Der Mörder wurde nie gefasst, doch sollte er nicht nur Verfasser von Balladen und Pamphleten inspirieren. Zumindest einen anderen Menschen würde er auf die Idee bringen, seinem Vorbild zu folgen.

Mord in der Mangle Street

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