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Bossa Nova

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Die Goldene Kamera erhielt ich für die Fernsehserie Ein Haus in der Toscana und den Film Schuld war nur der Bossa Nova. Es geht darin um eine Jugendgang im Jahr 1963, um das Aufbegehren gegen die engstirnige Nachkriegsgesellschaft und ums Erwachsenwerden. Ich spiele in dem Film eine junge Friseurin, die von einem »Prollo«, also einem Proletarier, schwanger ist und sitzen gelassen wird. Mein Friseurkunde, gespielt von Benno Fürmann, heiratet mich dann schließlich, um mich vor der Schande eines unehelichen Kindes zu bewahren. Die Dreharbeiten machten einfach nur Spaß. Wir waren eine relativ kleine Gruppe Jungschauspieler – es gab damals noch nicht so viele junge Kollegen. Alle standen wir am Anfang unserer Karrieren, waren spielwütig, wild und abenteuerlustig. Es fühlte sich ein bisschen nach Klassenfahrt an. Wir waren alle im selben Hotel untergebracht, und es wurde extra ein Aufnahmeleiter abgestellt, um abends zu checken, dass jeder im eigenen Bett schlief. Es war Sodom und Gonorrhö.

Die Schlussszene, in der Benno und ich heiraten, drehten wir in einer wunderschönen alten Kirche mit dreihundert Komparsen und etwa fünfzig Schauspielern. Alles pompös mit einem Kamerakran und Hochzeitsmarsch. Benno hatte genauso wie ich keine Schauspielschule besucht. Er war vorher Türsteher im Nachtklub Dschungel in Berlin gewesen. Der Regisseur Bernd Schadewald hatte ihn von der Straße weg gecastet. Der Darsteller, der den Priester verkörperte, war ein echter Mensch des Glaubens und durfte nicht erfahren, dass meine Rolle schwanger war. Vielleicht weil wir das verheimlichen mussten, vielleicht auch, weil wir alle noch so unerfahren waren – jedenfalls standen Benno und ich vor dem Altar und bekamen jedes Mal, wenn dieser große, schwere Remote-Kran zu uns herunterschwenkte, einen heftigen Lachanfall. Und wieder auf Anfang. Hochzeitsmarsch, viele Gäste, der Kamerakran fährt zu uns – und bums! Wieder ein Lachanfall. Schuld war nicht der Bossa Nova, sondern unsere Unreife. Nach der 35. Klappe hatte der Dolly-Fahrer Bernd Meier die Schnauze voll. Er zitierte mich an den Dolly und sagte: »Jetzt setz ich mich mal da drauf, und du schiebst mich!« Das tat ich dann auch und bekam gehörigen Respekt. Das Ding war sauschwer, und es im richtigen Tempo zu schieben, sodass die Kamerafahrt im Film nachher elegant aussieht und genau getimt ist, ist ein Knochenjob. Danach hat keiner mehr gelacht. Spätestens an diesem Tag habe ich gelernt, meinen Beruf um einiges ernster zu nehmen.

Auch deshalb schätze ich bei Dreharbeiten alle Metiers. Ein Film ist eine Kollektivarbeit, die zwar von der künstlerischen Vision eines Regisseurs oder einer Regisseurin geleitet, jedoch von unzähligen Händen erschaffen wird. Schauspiel ist dabei ein ebenso wichtiges Element wie das richtige Licht, eine kreative Kameraführung oder die Kostüme. Nicht weniger, aber auch nicht mehr! Ich finde es faszinierend, was Beleuchterinnen, Ausstatter oder Bühnenbauerinnen so alles leisten. Für Schauspieler und Schauspielerinnen, die ans Set kommen und sich benehmen, als wären sie was Besseres, habe ich kein Verständnis. Sie haben unseren Beruf nicht verstanden und rücken uns in ein schlechtes Licht!

Jahre später habe ich in Erinnerung an Bernd Meier den Staffelstab weitergegeben und einen jungen Kollegen zusammengepfiffen, der sein getragenes Kostüm unachtsam zusammengeknüllt im Trailer liegen ließ. »Du hebst jetzt sofort deine Sachen auf und hängst sie an die Garderobenstange! Überleg doch mal, wie du das Kostüm heute Morgen vorgefunden hast!« Ich erntete nur verständnisloses pubertäres Augenrollen. Aber wer weiß, vielleicht habe ich ja auch ein wenig Eindruck hinterlassen.

Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben

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