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Hamburg

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Bei einem Dreh in München lernte ich wenige Jahre später meinen Schauspielkollegen Rainer kennen. Wir waren noch sehr jung und verliebten uns Hals über Kopf. Ich war gerade mal 21 Jahre alt, er kaum vier Jahre älter. Unsere Liebe war auch der Grund, warum ich nach Hamburg zog.

Ich war direkt schockverliebt in die Hansestadt und verbrachte dort eine goldene Zeit. Jedes Mal, wenn ich mit dem Zug nach Hamburg hineinfuhr, bekam ich beim Blick auf die Binnenalster regelrechtes Herzrasen. Und so geht es mir auch heute noch! Es kribbelt im ganzen Körper, und all die positiven Erlebnisse, die ich in Hamburg hatte und die in der Aura der Stadt abgespeichert sind, kommen wie Glücksglühwürmchen zu mir zurückgeflogen, sobald ich das Dammtor durchquere.

Nach nur einem Jahr dort wurde ich schwanger. Rainer und ich sprachen zwar ganz kurz darüber, ob das der richtige Zeitpunkt sei, aber wir merkten schnell, dass wir beide nicht über das »Ob«, sondern nur über das »Wie« redeten. Und so beschlossen wir, eine Familie zu gründen.

Während meiner Zeit in Hamburg wurde ich erwachsen. Ich lernte unglaublich viel, über mich, über Beziehungen, über meinen Beruf und das Muttersein. Mein Sohn wurde dort geboren und lernte bei unseren unzähligen Spaziergängen rund um die Alster das Laufen. Als ich vor Ort in Hamburg eine Serie drehte, nahm ich den Kleinen einmal mit zu einer Kostümprobe. Er war gerade zwei Jahre alt und erzählte auf dem Weg nach Hause den Leuten im Bus: »Meine Mama verdient ganz viel Geld, weil sie sich immer an- und auszieht.«

Kritisch musterten mich unsere Mitfahrer von oben bis unten.

»Es ist nicht so, wie sie denken!«, klärte ich sie auf und lachte.

»Ich bin Schauspielerin.«

»Aha.«

So ganz konnte ich ihre Skepsis wohl nicht aus dem Weg räumen. Kein Wunder, die Reeperbahn war ja gleich um die Ecke. Aber so sind die Hamburger nun mal. Ein bisschen derbe, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Ich liebe Hamburg dafür, dass es einem mit seiner Seeluft unaufhörlich so herrlich das Oberstübchen durchlüftet. Wenn ich eine zweite Heimat neben Österreich habe, dann ist es Hamburg! Vielleicht liegt es daran, dass ich vom Sternzeichen Wassermann bin und mich deshalb am wohlsten in der Nähe von Gewässern fühle? Unser Nachbar in Hamburg war jedenfalls der Besitzer des Restaurants Bodos Bootssteg, wo wir oft essen gingen. Und manchmal fuhr uns Bodo danach am Abend mit seinem kleinen Motorboot über die Alster wieder nach Hause. Dieses Gefühl kann man nicht kaufen. Wenn die Möwen kreischten, sagte Rainer oft: »Hör mal, sie spielen unser Lied!«

Nachdem wir ein paar Jahre zusammen gewesen waren, flogen Rainer und ich einmal gemeinsam von Hamburg nach New York. Der Jetlag hatte mich noch völlig im Griff, und ich war total müde, als wir in unserem Apartment ankamen. Ich wollte einfach nur schlafen. Rainer aber schaute mich mit großen Augen an, und ich wusste, dass er etwas vorhatte. Er zauberte einen Ring aus seiner Hosentasche und fragte mich: »Willst du mich heiraten?«

»Ja!« – das wäre die passende Antwort gewesen. Ich liebte ihn über alles, wir hatten ein gemeinsames Kind, und ich wollte immer schon verheiratet sein. Zu jemandem gehören, eine Familie sein, das stand ganz oben auf meiner Lebensliste. Ich war jedoch so fertig von der Reise, dass ich einfach nur sagte: »Können wir da morgen drüber reden?«

Ich wollte meinen Heiratsantrag schließlich bei vollem Bewusstsein erleben und nicht so zwischen zwei Zeitzonen. Am nächsten Morgen fragte Rainer mich erneut, und ich schaute mir den Ring zum ersten Mal richtig an. Er war von dem Designer Theodor Fahrner, einem der Pioniere des Jugendstilschmucks. Rainer wusste, wie sehr ich Jugendstil liebe. Dieses spezielle Model war jedoch nicht so ganz nach meinem Geschmack. Mit Blick auf den Ring sagte ich daher nur: »Interessant!«

Meine Reaktion erinnert mich heute ein wenig an die Sindy-situation damals in meiner Kindheit. Rainer packte den Ring sofort wieder ein, und ich bekam einen anderen. Er hatte es echt nicht leicht mit mir. Aber natürlich sagte ich Ja, und wir veranstalteten bald eine wunderbare Hochzeit auf dem Land in der Nähe von München. Drei ganze Tage feierten wir ununterbrochen. Selbst meine Oma Anna blieb wach bis morgens um drei und ließ sich ihr Champagnerglas immer wieder auffüllen. Auch heute noch erinnere ich mich sehr gern an unsere Hochzeit. Obwohl wir uns später scheiden ließen, gehört Rainers und mein Liebesfest zu den größten Glücksmomenten meines Lebens. Es ist für immer ins Universum eingraviert. Unsere Verbindung war und ist es wert, richtig groß gefeiert zu werden. Er ist einer meiner Lebensmenschen und bis heute mein bester Freund.

Als ich Jahre später aus Hamburg wegziehen musste, war ich so unendlich traurig, dass Rainer mir ein Straßenschild vom Hofweg klaute, wo wir gewohnt hatten. Das habe ich immer noch in meiner Wohnung hängen. Es ist eine dieser Gefühlsbrücken zu meinem Hamburg-Ich.

Hinfallen ist keine Schande, nur Liegenbleiben

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